Veronika der Lenz ist da
Die Geschichte des BV Borussia ist mit keinem Spieler der Vereinsgeschichte so eng verbunden wie mit August Lenz.
Vielen ist bekannt, dass August Lenz Borussias erster Nationalspieler war.
Aber Lenz spielte bei der weiteren Entwicklung des BVB eine viel wichtigere Rolle. Gerade in diesen Anfangsjahren des Fußballs war das Schicksal eines Vereins viel stärker von einzelnen Spielern abhängig als heute. Nicht auszudenken, wenn Lenz sich damals dem FC Schalke 04 angeschlossen hätte. Die Geschichte unserer Borussia wäre wohl von Grund auf anders verlaufen. So symbolisiert Lenz den Beginn des Aufstiegs vom Traditionsverein zu einem der erfolgreichsten Vereine Europas.
August Lenz wurde am 29. November 1910 in Dortmund geboren. 1922 war Lenz dem BVB beigetreten, für den er zunächst das Tor hütete. In den Jahren 1930 bis 1933 spielte der damals arbeitslose Lenz auch bei verschiedenen Straßenclubs ("Kasten Bier für den Sieger"). Doch August Lenz Entdeckung sollte nicht lange auf sich warten lassen. Als er beim Spiel gegen den TBV Mengede ersatzweise als Mittelstürmer auflief und beim 14:0 Sieg mindesten sieben Mal (andere Quellen sprechen von 09 bis 11 Tore) das Runde in das Eckige beförderte, musste jedem im Verein klar geworden sein, welches Ausnahmetalent war.
Er war der Prototyp des Mittelstürmers, ausgestattet mit einer enormen Schnelligkeit und Dynamik sowie dem direkten Zug zum Tor. Zudem war er gewandt, schussgewaltig und dazu auch noch äußerst treffsicher. Wer aber damals dachte, dass Lenz nichts anderes konnte als rennen und schießen, der wurde allerdings später in der Nationalmannschaft eines Besseren belehrt.
Mit ihm als Mittelstürmer ging es beim BVB bergauf. 1936 stieg er mit dem BVB in die westfälische Gauliga auf.
Im April 1935 - als Zweitligaspieler - wurde Lenz vom damaligen Reichstrainer Prof. Otto Nerz zu einem Lehrgang eingeladen. Bei einem Testspiel zum Abschluss des Lehrgangs gegen eine Auswahl Brandenburgs schoss Lenz 9 Tore(!!). Nach dieser Galavorstellung war das erste Länderspiel eines Borussen perfekt. Am 28.April 1935 spielte Lenz gegen Belgien. Das Spiel wurde mit 6:1 gewonnen und Lenz schoss 2 Tore.
Die deutsche Presse war begeistert und schwärmte von Lenz "schnörkellosem Angriffsspiel".
Es folgten dreizehn weitere Einsätze im Adlerdress mit insgesamt 9 Treffern. Darunter waren große Siege wie das 2:1 gegen Spanien in Barcelona, wo bis dahin noch keine fremde Nationalmannschaft gewonnen hatte oder der 2:1 Sieg gegen den Vizeweltmeister von 1934, der Tschechoslowakei in Dresden. Lenz schoss beide Tore.
Aber auch beim 2:1 Sieg in Prag glänzte er als Halbstürmer und wiederlegte dort die Legende er könne nur rennen und schießen.
Lenz war drauf und dran eine große internationale Karriere zu machen, da kam ihm die Politik dazwischen.
Bei den Olympischen Spielen von 1936 verlor die Nationalmannschaft völlig überraschend gegen Norwegen mit 0:2 und aus der geplanten Goldmedaille wurde nichts. Hitler und seine übrigen Parteigenossen wollten von den "Versagern" nichts mehr wissen und verließen die Ehrenloge vorzeitig.
August Lenz Selbstvertrauen tat dieser Vorfall keinen Abbruch, er kommentierte die Niederlage gegen die Norweger später wie folgt: " Hätten die mich vorher nicht geschont, dann hätte ich wenigstens einmal bei den Olympischen Spielen gewonnen. Aber so......"
Sein vierzehntes Länderspiel (2:1 gegen Luxemburg) war gleichzeitig sein letztes. August Lenz flog nach der "Großdeutschen Vereinigung" mit dem Österreichischen Nationalteam aus dem Kader und verpasste so die Teilnahme an der WM 1938 in Frankreich. Deutschland scheiterte sofort zu Beginn des Turniers an der Schweiz.
Damit war seine internationale Laufbahn beendet.
Die Jahre nach 1938 waren für August Lenz und den Verein ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt und so mussten beide bis nach dem Krieg auf ein Erfolgserlebnis warten. 1947 sollte Borussia endlich an den Schalkern vorbeiziehen.
Am 18. Mai 1947 im Endspiel um die Westfalenmeisterschaft gelang es den "schwatzgelben" die 21 Jahre währende Übermacht der Schalker zu brechen.
30.000 Zuschauer (davon rund 15.000 Borussen) sahen bei strömenden Regen im Herner Stadion Schloß Strünkede ein hochklassiges Spiel.
Zweimal lagen die Schalker in Führung und glänzten mit ihrer technischen Überlegenheit, doch der BVB zeigte auf dem schweren Boden den weit aus größeren Kampfgeist und spielte gradliniger.
Überragender Akteur auf dem Feld war August Lenz.
Er neutralisierte nicht nur den Schalker Otto Tibulski, sondern bereitete den Treffer zum 1:1 durch "Spinne" Michallek, sowie den Siegtreffer durch Sandmann vor.
Der Dortmunder Sieg brachte die Wende im Westen.
1948 folgte der Gewinn der ersten Westdeutschen Oberligameisterschaft, an der Lenz mit 22 Saisontreffern maßgeblich beteiligt war.
1949 erreichte man gar die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. August Lenz war mittlerweile 38 Jahre alt und stand letztmalig beim 5:0 Sieg gegen Berlins Meister BSV 92 auf dem Rasen.
Danach nahm Friedel Ibel seinen Platz ein.
Die 1:4 Finalniederlage gegen den VfR Mannheim sah August Lenz nur noch von der Tribüne aus.
Weder Olympiasieger, noch Weltmeister oder Deutscher Meister war er geworden. Ein großer Titel war ihm scheinbar einfach nicht vergönnt.
So beendete August Lenz seine aktive Laufbahn und übernahm mit Hilfe des BVB eine Gaststätte ("Sportlerklause") am Borsigplatz, die er 33 Jahre mit seiner Frau Mia betrieb.
Dem Borsigplatz blieb Lenz sein ganzes Leben verbunden.
Auf die Frage ob es 1936 - als Nationalspieler aus einem zweitklassigen Team - nicht verlockend gewesen wäre, etwa bei Schalke zu spielen, sagte August Lenz: " Niemals habe ich daran gedacht die Bannmeile des Borsigplatzes zu verlassen. Ob ich da glücklich geworden wäre?."
Auch die Schalker wussten um diese Verbundenheit. Als 1938 Ernst Poertgen Schalke verließ bekniete Ernst Kuzzora seinen Vereinsboss "Papa Unkel": " Sieh zu, dass der August zu uns kommt!" Doch Unkel antwortete Kuzzora: " Eher gehst Du zur Borussia, als dass der Lenz den Borsigplatz verlässt."
Als August Lenz sich vom Fußballplatz hinter dem Tresen zurückgezogen hatte wurde er oft gefragt, ob er nicht lieber heute im Profizeitalter dem Ball hinterhergejagt wäre als zu seiner Zeit. Aber Lenz hatte damit nie ein Problem, es war halt eine andere Zeit und er hat seine Nachfolgern nie um ihre Einkommen beneidet. Lenz erzählte stattdessen immer: "Bei uns gab es nach dem Aufstieg in die Gauliga pro Spiel zwei Mark, drei Mettbrötchen und zwei halbe Liter bei Trott im Umkleideraum."
Dann stand er auf und sang: "Schwarz-Gelb ist unsere Tracht, wir haben stets´nen heitren Sinn, sind lustig, nie verzagt. Wir kennen eine Feindschaft nicht, wir schaffen Hand in Hand, stets ruhig Blut, ein frisch Gesicht, ist jedem wohl bekannt. Wir halten fest und treu zusammen, Ball-Heil Hurra, Borussia!"
August Lenz spielte 31 Jahre für den BVB und bestritt für unseren Verein über 1000(!!) Pflichtspiele.
Zu seinen Ehren wurde die "neue" Geschäftstelle des BVB "August-Lenz-Haus" genannt.
August Lenz verstarb im Alter von 78 Jahren in der Nacht zum 5. Dezember 1988.