Unsa Senf

Rückzug von Lunow als BVB-Präsident Von Demokratie und verpassten Chancen

03.09.2025, 08:00 Uhr von:  janniksch  
Aufnahme von der Mitgliederversammlung 2023
Die Mitgliederversammlung ist das wichtigste Gremium beim BVB

Vor gut zwei Wochen verkündete Reinhold Lunow, sich von seinem angekündigten Wiederantritt als Präsident des Ballspielverein Borussia 09 e. V. Dortmund zurückzuziehen. Über Demokratie und Vereinsleben.

Vorausgegangen war dem Rückzug Lunows zunächst eine vor allem in Boulevard-Medien gestreute Angst vor einer “Machtübernahme der Ultras” und schließlich die angekündigte Kandidatur von Hans-Joachim Watzke. Wovon aber fast alle Medien sprachen war: “Machtkampf”. Ist Streit eine Gefahr für unseren Verein?

Schon lange brennt mir dieses Thema unter den Nägeln und der Rückzug von Lunow schien mir nun der passende Anlass mal über unser Demokratieverständnis zu sprechen und wie  völlig legitime demokratische Prozesse nicht mehr als solche wahrgenommen werden, sondern als Disharmonien oder sogar Gefahren, die es zu vermeiden gilt. Ich halte diese Entwicklung, im übrigen gesamtgesellschaftlich, für brandgefährlich, denn sie delegitimiert die Demokratie und ihre Prozesse, destabilisiert sie und öffnet damit Tür und Tor für antidemokratische Bewegung.

Aber wie genau meine ich das?

Reinhold Lunow bei der Mitgliederversammlung 2023 am Pult
Reinhold Lunow wird nicht erneut als Kandidat für das Präsidentenamt antreten

Als Lunow seine erneute Kandidatur ankündigte, war bereits allen im Umfeld des BVB klar, dass ursprünglich Watzke Präsident werden sollte und Lunow und sein Team einen Alleingang gegen ursprüngliche Absprachen, im Übrigen auch nicht sehr demokratisch, gewagt hatten. Der “Machtkampf” war geboren. Und dieser wurde von Anfang an von großen Medien zur “riesigen Gefahr” stilisiert, die den BVB in den Abgrund führen könnte. Wir von Schwatzgelb.de waren dabei immer bemüht, den scharfen Ton aus der Debatte zu nehmen, den Diskurs zu versachlichen und die durchaus vorhandene Sinnhaftigkeit einer Auswahl zu erläutern.

In der Demokratie muss es einen Meinungspluralismus geben, damit sich Dinge weiterentwickeln können. Vereine sind die kleinsten demokratischen Einheiten in unserer Gesellschaft und sie sollen von Menschen für Menschen geführt werden. Mitglieder dürfen entscheiden, wer die Geschäfte führt und wer eben nicht. Dabei sind der stetige Austausch und ein faires Miteinander geboten. Streit ist dabei völlig normal und sogar wichtig. Ihn gilt es auszuhalten. Bestes Beispiel war die Diskussion um das Sponsoring von Rheinmetall, bei dem sich letztendlich ein Großteil Mitglieder des Vereins gegen Vorstand und Geschäftsführung positioniert haben. Die Debatte wurde emotional geführt, aber letztendlich blieb alles fair und respektvoll, wie auch die Entscheider bei Borussia Dortmund anerkennen mussten.

Watzke bei der Mitgliederversammlung 2023
Will neuer BVB-Präsident werden: Hans-Joachim Watzke

So hätte es auch mit einem Präsidentschaftswahlkampf zwischen Reinhold Lunow und Aki Watzke laufen können, aber dort wurde eine Spaltung des Vereins herbeigeschrieben, die so wahrscheinlich gar nicht vorlag. Es wurde von “Lagern” schwadroniert und wie es den Erfolg und den Verein schädigen würde, wenn es zu einem Zweikampf ums Präsidentenamt käme. Dass der Präsident nicht Alleinherrscher im Verein ist und der Einfluss auf die Geschäfte der KGaA, und somit das riesige Profigeschäft, begrenzt ist, mussten erneut wir von Schwatzgelb.de betonen. Und so wurde ein Diskurs innerhalb des Vereins delegitimiert, dämonisiert und letztendlich so viel Druck ausgeübt, dass sich ein Kandidat zurückgezogen hat. Alles andere als demokratisch. Watzke ist es vermutlich sogar lieber alleine anzutreten, statt einen inhaltlichen Wettkampf zu führen. Auch nicht gerade demokratisch und ein Grund wieso er aus meiner Sicht nicht als Präsident geeignet ist. Aber das nur am Rande.

Demokratie sollte nicht so sein, dass das Ergebnis vor der Abstimmung feststeht, doch beim BVB hat sich die Mitgliederversammlung inzwischen zu einer Abnickveranstaltung entwickelt, bei der eben (fast) immer überwiegend mit “Ja” und “Amen” gestimmt wird.

Wenn Demokratie offen als Gefahr für Erfolg und Profit dargestellt wird, wird die Grundlage unserer Freiheit und unserer Mitbestimmung zerstört. Schaut man sich in der Gesellschaft um, werden inzwischen immer öfter Meinungsverschiedenheiten und demokratische Prozesse als “hinderlich” und “wohlstandsgefährdend” diffamiert. Gewiss verschafft Demokratie keine Wettbewerbsvorteile in wirtschaftlichen Prozessen und sie ist sicherlich nicht die schnellste, einfachste und dynamischste Methode der Entscheidungsfindung. In einer Diktatur ließe sich vieles schneller und einfacher regeln, weshalb Wirtschaftsunternehmen in der Regel ja auch nicht demokratisch organisiert sind. Aber wir haben uns als Gesellschaft trotzdem für dieses System entschieden, weil es uns schützt, weil es uns teilhaben lässt und weil es die Würde aller Menschen am ehesten zu achten vermag. Wir sind Stolz darauf, dass es in Deutschland 50+1 gibt und wir als Fans mitbestimmen dürfen.

Also lasst uns, liebe BVB-Mitglieder, “mehr Demokratie wagen”, um es mal mit etwas pathetischen Worten eines ehemaligen Bundeskanzlers zu sagen. Lasst uns den Verein Borussia Dortmund gemeinsam gestalten, indem wir uns einbringen, streiten und Kompromisse für einen besseren Verein finden. Denn das ist, was 50+1 und das Vereinsleben ausmacht. Demokratie und Mitbestimmung dürfen nicht zu hohlen Phrasen werden. Wir sollten uns nicht von Scharfmachern aus Presse und Politik beirren und verunsichern lassen. Demokratie ist nicht das Problem, sondern die einzige Lösung, die wir alle haben! Im Verein und in der Politik.

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