Borussia Dortmund unter Niko Kovać Alle Jahre wieder
Borussia Dortmund beendet das Jahr 2025 als Tabellenzweiter. Durchaus erfolgreich, wenn man diese Saison mit den letzten beiden Spielzeiten vergleicht. Eigentlich ein Grund zur Zufriedenheit und trotzdem grummelt es zumindest in schwatzgelb.
Mit dem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach ist die Hinserie gefühlt vorbei. Natürlich kommen im Januar noch zwei Spiele, aber die Winterpause als Zäsur teilt die Saison in zwei ungleiche Hälften. Und alle Jahre wieder ist die Stimmungslage die gleiche. Fans sind unzufrieden, Spieler tragen sich mit Wechselgedanken und irgendwie rumort es bei Borussia mal hier, mal dort. Also alles wie immer, so könnte man denken. Dabei geht es uns rein von den Ergebnissen her eigentlich so gut wie schon lange nicht mehr.
Natürlich, das Pokalaus gegen Leverkusen war schmerzhaft, weil es die einzige wirkliche Titelchance war und mit dem Unentschieden gegen Bodø/Glimt haben wir in der Champions-League leichtfertig eine sehr gute Chance in den Top 8 der Tabelle verspielt und das sind Punkte, die einen ärgern müssen. Dabei muss man aber auch sehen, dass das 1:0 für die Pillen eher unglücklich war und nicht unbedingt dem Spielverlauf entsprochen hat.
Kovac liefert beeindruckende Zahlen
Im Brot-und-Butter-Geschäft, der Bundesliga also, liegen wir aber absolut im Soll. Die Zahlen sind gut, teilweise sogar beeindruckend. 32 Punkte nach 15 Spielen bedeuten einen Schnitt, der auf die Saison hochgerechnet ein stattliches Endergebnis von 72 Punkten bedeuten würde. Zwar reicht diese Punktzahl seit einigen Jahren nur noch in Ausnahmefällen zur Meisterschaft, es wäre immer noch das drittbeste Ergebnis seit der letzten Meisterschaft. Ein großes Manko in den letzten Jahren war die Defensivleistung, mit der man bekanntermaßen Meisterschaften gewinnt. Hier stehen wir mit gerade mal zwölf Gegentoren mit deutlichen Abstand auf Platz zwei der Liga. Es ist die geringste Anzahl an Gegentoren an einem 15. Spieltag seit der Saison 2011/12. Einen besseren Wert als Kovać hatte zu diesem Zeitpunkt kein Tuchel und kein Favre. Von deren Nachfolgern ganz zu schweigen. Saisonübergreifend haben wir von den letzten 21 Spielen gerade mal ein einziges Match verloren. München auswärts. Mit 1:2. In den letzten Jahren waren wir oft genug damit zufrieden, wenn wir nicht schon zur Halbzeitpause hoffnungslos zurück gelegen haben.
Wenn man die Arbeit von Nico Kovać und seinem Team rein an den Zahlen bewertet, kann man nur zum Ergebnis kommen, dass er uns sehr effektiv konsolidiert hat. Wenn wir diesen Weg ruhig weitergehen, werden wir eine Saison erleben, in der wir am Ende ganz entspannt drei oder vier Spieltage vor Ende einen Platz in der Champions-League sicher haben. Dieses Mal werden wir nicht irgendwelche Jahreswertungen, die vorher nur Nerds kannten, bemühen und das Abschneiden der Clubs aus den anderen Kontinentalverbänden verfolgen und auch kein wahres Husarenstück im Saisonendspurt hinlegen müssen, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen. Natürlich kann man den verpassten Punkten gegen St. Pauli, Stuttgart oder beim HSV hinterher trauern, aber ganz nüchtern betrachtet, haben diese Spiele wohl nur wenig Einfluss auf den Saisonausgang. Ganz oben thronen die Bayern, die auf dem Weg zu einer Spielzeit mit über 90 Punkten sind. Das ist dann, das muss man einfach konstatieren, eine Nummer zu groß für uns.
Dass er das alles in einer Spielzeit, in der er aufgrund der Club-WM nur äußerst wenig Zeit zur Regeneration und Vorbereitung auf die Saison hatte, geschafft hat, muss jedem erst einmal grundsätzlich Respekt abringen. Die Mannschaft befindet sich in Sachen Fitness und körperlichen Gesamtzustand auf einem Niveau, das ihr viele zu diesem Zeitpunkt im Jahr nicht zugetraut hätten.
Spieler sind unzufrieden, weil sie ihren Job vernünftig erledigen sollen
Da mutet es schon etwas bizarr an, dass Spieler sich unzufrieden mit dem Spielstil äußern, undiszipliniert zu spät zum Training erscheinen oder auf dem Platz eine völlig dämliche Ego-Nummer hinlegen. Man hat den Eindruck, dass vielen der Kicker gar nicht bewusst ist, wie privilegiert sie sind. Sie haben eine Anstellung erhalten, die selbst ganz jungen Spielern nach ein, zwei Spielzeiten ein Leben bar jeder finanziellen Sorgen ermöglicht. Die älteren Kicker spielen da schon in Gehaltsregionen, die für den Fan auf der Tribüne einfach nur unbegreiflich sind. Dann kommt ein Trainer daher, der mit ihnen hart an den Grundlagen arbeitet, Wert auf Disziplin legt und ein System implementiert, das ihre individuellen Schwächen kaschiert. Ein System, mit dem der Verein wohl sehr sicher die Gelder einspielen kann, die am Monatsende auf ihren Konten landen – und dann gibt es Spieler, denen das ganz offenbar nicht passt. Ausgerechnet Julian Brandt lieferte mit seiner Äußerung nach dem Hoffenheimspiel, dass das nicht die Art und Weise sei, wie er Fußball spielen wolle, ein sehr gutes Beispiel für eine doch leicht verzerrte Wahrnehmung auf Spielerseite. Gerade Brandt fällt immer wieder partiell dadurch auf, dass er defensive Laufwege verweigert, oder sie nicht mit der notwendigen Konsequenz geht. Der Spielansatz von Kovać, der Risiko nach Möglichkeit vermeidet und höchste Priorität auf Absicherung legt, sorgt dafür, dass ein Spieler wie Brandt seinen Platz darin haben kann, ohne dass die Ordnung komplett zerbricht, wenn er nach einem offensiven Ballverlust nicht wieder rechtzeitig zurück in seiner Position ist. Es ist ein Spielstil, der auch mal verdaddelte Eins-gegen-Eins-Situationen, schlechte Ballannahmen oder ein schwaches Passspiel verzeiht. Alles Erblasten, die Kovać von seinen Vorgängern übernommen hat.
Lars Ricken und Sebastian Kehl sollten das den Spielern dringend klar machen und dem Trainer den Rücken stärken, wenn Spieler und/oder Berater sich beschweren und ihren Unmut offen, oder verdeckt zum Ausdruck bringen. Mit dem Ansatz „Zocken“ haben wir uns in den letzten Jahren immer mehr verzockt und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, seriöse und solide Arbeit zu zeigen.
Aber nicht nur bei den Spielern, auch auf der Tribüne hat dieser Fußball ein Akzeptanzproblem. Er ist effektiv und liefert Ergebnisse, aber zweifelsohne ist er eins nicht: schön. Halbzeiten, in denen der BVB gegen Gegner wie Augsburg in einer Halbzeit keine einzige vernünftige Torchance herausspielt, sind ebenso schwer verdauliche Kost wie das konsequente Zurückziehen nach einer Führung, anstatt zielstrebig auf das nächste Tor zu spielen. Dass die Fans unruhig werden, wenn der Ball gefühlt minutenlang quer die Mittellinie entlang wandert oder Kontermöglichkeiten mit einem Rückpass zum Torwart enden, ist nachvollziehbar. Man geht ins Stadion, um den feinen Pass, das tolle Dribbling und die spektakuläre Torchance zu sehen. Kovaćs Version von Fußball verbietet das zwar nicht, erlaubt es aber auch nur in Situationen, in denen ein Fehler dabei wieder korrigiert werden kann. Das führt dann dazu, dass die Spieler regelmäßig die risikoarme, aber eben auch ehrlich gesagt langweilige Option wählen.
Erfolgreicher Fußball ist nicht gleich schöner Fußball
Erschwert wird das ganze durch einen enormen Kontrast, den der aktuelle Spielerkader im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit bildet. Ein Dembélé ist zwar jetzt erst Weltfußballer geworden, aber das Potenzial dafür konnte man ohne Zweifel schon bei uns sehen. Einen Jadon Sancho möchte man dafür einen Satz heiße Ohren verpassen, dass er ähnliches Potenzial nicht genutzt hat. Erling Haaland ist vielleicht der aktuell beste Stürmer der Welt und Jude Bellingham Stammspieler bei Real Madrid. Gehen wir weiter zurück, landen wir bei Mario Götze, der zumindest ein Versprechen auf einen möglichen Weltfußballer war und einem Ilkay Gündogan, der als Achter Pep Guardiola und Manchester City überzeugt hat. Über Lewandowskis Klasse müssen wir auch nicht reden. Alles ganz feine und tolle Fußballer, die wir hier bestaunen durften und mit denen man einfach offensiv spielen musste.
Ohne den Spielern der aktuellen Mannschaft etwas zu wollen, aber zwischen der individuellen Klasse „früher“ und heute, liegt teilweise deutlich mehr als nur ein Regalbrett. Das heißt nicht, dass man mit den Spielern der Saison 2025/2026, für die man auch massive Finanzmittel verwendet hat, nicht auch deutlich attraktiveren Fußball zeigen können müsste, aber es verstärkt einfach den Unmut, wenn man auf dem Platz gerade einmal spielerisch gleichwertig zu Augsburg und Co. wirkt.
Der Fußball von Kovać ist einer, der nie geliebt, sondern allerhöchstens akzeptiert wird, wenn er Erfolg bringt. Das tut er ohne Zweifel, ist aber auch ein Ritt auf der Rasierklinge. Jeder Misserfolg, und dazu zählt dann auch ein Unentschieden nach einer Führung bei einem Kellerkind der Liga, wird diesen Fußball in Frage stellen. Da kann man noch so oft anführen, dass Fußball ein Ergebnissport ist. Er ist ebenso ein Element der Unterhaltung und dafür wird auf Dauer auch die berühmte B-Note notwendig sein.
Vorab sollten sich alle aber einmal fragen, ob wir nicht auch an unseren Ansprüchen arbeiten müssen. Es ist gerade einmal ein dreiviertel Jahr her, dass wir zähneknirschend für Infantinos WM-Zirkus gedankt haben, weil diese Zusatzeinnahmen uns wohl vor einem qualitativen Rückbau bewahrt hätten. Jetzt sind wir auf einem soliden Kurs, uns die notwendigen Einnahmen aus eigener Kraft zu sichern. Wir sind wieder eine Mannschaft, die extrem schwer zu schlagen ist und vor der die Gegner wieder gehörigen Respekt haben werden. Die Mannschaft ist in einem konditionellen Zustand, der hoffen lässt, dass es keinen Einbruch im Laufe der Saison gibt und wir dieses Niveau konstant halten können. Wir haben ein Defensivsystem als Basis, mit dem wir langfristig wieder Erfolge feiern können. Und vermutlich werden wir unser Saisonziel dieses mal zu so einem Zeitpunkt gesichert haben, dass man frühzeitig in die Planung zur neuen Saison gehen kann. Das ist wichtig und gut und sollte nie vergessen werden.
Ohne Frage, als nächstes muss daran gearbeitet werden, dass man auch in der Offensive dominanter wird und Spiele frühzeitiger für sich entscheidet. Es wird darum gehen, einen Mittelweg zwischen Risikominimierung und Stabilität auf der einen und einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit auf einen Torerfolg auf der anderen Seite zu finden. Das Fundament dafür legt Kovać aktuell unbeirrt. Das ist zu unterstützen und sollte, auch wenn es schwer fällt, honoriert werden. Es wäre auch ein wichtiges Signal an die Spieler, dass es in ihrer professionellen Verantwortung liegt, alles notwendige für den Erfolg des Vereins zu geben und persönliche Eitelkeiten hintenan zu stellen sind.
Kovać’ Aufgabe ist es, der sportlichen Leitung einen Plan vorzulegen, wohin und wie er die Mannschaft entwickeln will und die von Ricken und Kehl, diesen Plan zu bewerten und daraufhin eine Entscheidung für die Zukunft zu treffen. Es wäre aber unfair, ihm das anzulasten, was er bislang mit dem BVB erreicht hat. Es war seine Aufgabe, die Mannschaft wieder zu stabilisieren und in die Erfolgsspur zurück zu bringen. Diese Aufgabe hat er mit Bravour gemeistert.
Und jetzt: Frohe Weihnachten.
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