
Wenn doch nur immer Champions League wäre…

Borussia Dortmund zeigt sein Champions-League-Gesicht und zieht verdient ins Viertelfinale der Königsklasse ein. Das 2:1 in Lille sorgt für ein Wiedersehen mit dem FC Barcelona – und hinterlässt bei unserem Autor mal wieder ein paar Fragezeichen.
Kaum fünf Minuten waren im Stade Pierre-Mauroy gespielt, da schien alles genau so zu laufen, wie viele von uns (so ehrlich müssen wir sein) das bei diesem Spiel erwartet haben. Der BVB lag zurück, Gregor Kobel wurde aus kürzester Distanz durch Jonathan David unglücklich überwunden und die Weichen für einen erneut unbefriedigenden Fußballabend waren früh gestellt. Ein Déjà-vu der schlechten Sorte. Zu selten hat die Einstellung und die Intensität der Mannschaft mich über die letzten Wochen überzeugt, um an diesem Abend im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte noch anzunehmen, dass der BVB dieses Spiel noch drehen könnte. An dieser Stelle malte ich mir das übliche Szenario aus: viel Ballbesitz, wenig Ideen, ein paar hilflose Flanken ins Nichts und am Ende eine frustrierte Fankurve. Die Vorstellung war so realistisch, dass ich mich schon fast damit abgefunden hatte.
Kampfgeist statt Kapitulation
Ich sollte eines besseren belehrt werden und die Mannschaft überraschte mich tatsächlich. Statt nach dem frühen Rückstand die Schotten dichtzumachen und sich emotionslos seinem Schicksal zu fügen, zeigte der BVB plötzlich Kampfgeist. Leidenschaft! Biss! Substantive, die man am Wochenende gegen Augsburg niemals hätte nutzen können. Und siehe da – wenn man läuft, kämpft und vielleicht auch noch mit etwas Glück gesegnet ist, kann man Spiele drehen! Wer hätte denn das gedacht?
Schmeichelhafter Elfmeter bringt den Ausgleich und sorgt für Schiri-Frust
Nach einem Schnittstellen-Pass kam Serhou Guirassy im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Sandro Schärer pfiff sofort und zeigte auf den Punkt. Der VAR blieb stumm, Emre Can schnappte sich das Spielgerät und verwandelte trocken (54’). In meinen Augen war das weder ein “Kann”- noch ein “Muss”-Elfmeter – sondern gar nichts. Wieso sich der VAR hier nicht eingeschaltet hat, bleibt mir schleierhaft, ist mir letzten Endes aber auch egal.
Dass sich die Verantwortlichen nach dem Spiel über diese Szene aufregen würden, war direkt klar. Besonders Lille-Präsident Olivier Létang holte verbal aus und hinterfragte direkt die komplette Ansetzung des Schiedsrichters: “Er ist Deutsch-Schweizer. Das finde ich schon sehr speziell. In der Halbzeitpause hat er mit den Dortmunder Spielern ausschließlich auf Deutsch gesprochen.” Dazu hätte laut Létang auch Waldemar Anton mit Gelb-Rot vom Platz fliegen müssen, der in Durchgang zwei ein ähnliches Foul wie in der ersten Hälfte begann, wofür er die gelbe Karte sah. In meinen Augen wirklich überzogene Kritik, die übers Ziel hinausschießt und dem Schiedsrichtergespann jedwede Neutralität abspricht.
Lille war über weite Strecken zu passiv und ideenlos (eigentlich sage ich das in den letzten Wochen eher über den BVB) und hat die wenigen Chancen, die sich ihnen boten, nicht genutzt. Der Elfmeter war auch gar nicht die spielentscheidende Szene, sondern stellte im Gesamt-Score erstmal lediglich auf Remis. Erst durch Maximilian Beiers ersten Champions-League-Treffer wurde das Duell entschieden (65’). Über beide Spiele gesehen hat der BVB ¾ der Halbzeiten dominiert und sich das Weiterkommen verdient.
Ich verstehe diese Mannschaft nicht
Dieses Spiel war etwas Balsam für die schwarz-gelbe Seele – aber genau das macht es so frustrierend. Wieso funktioniert das auf der großen Bühne, aber nicht gegen Augsburg an einem stinknormalen Bundesliga-Nachmittag? Immer öfter ertappe ich mich bei der Frage: Bin ich eigentlich Fan eines Fußballvereins oder Darsteller in einem psychologischen Experiment über emotionale Belastbarkeit?
Ich würde ja gerne glauben, dass dieser Sieg der Wendepunkt ist – aber ich kenne den BVB gut genug, um zu wissen: Am Samstag in Leipzig kann es genauso gut wieder ganz anders aussehen. Diese Mannschaft ist wie ein Ü-Ei. Man weiß nie, was drinsteckt, aber oft ist es nicht das, was man sich erhofft. Vielleicht bekommen wir am Samstag aber ja doch das passende Spielzeug zu dem, was wir diesen Mittwoch bekommen haben.