
Borussia Dortmund, Flutlicht, Europapokal – ausverkauft. Auch wenn der Vorverkauf zum Achtelfinale der Champions League schleppend verlief, schaffte man diesen Dreiklang auch wieder gegen den OSC Lille. Und es steht zu befürchten, dass die über 81.000 Zuschauer, auf den BVB bezogen, historisches erleben durften: das letzte CL-Heimspiel für längere Zeit. In der Liga ist die Eroberung von Platz 4 zu einer Herkulesaufgabe geworden und ein 1:1 zuhause im Hinspiel ist im Hinblick auf den Einzug ins Viertelfinale auch eine mehr als wackelige Kiste. Dabei fing eigentlich alles ganz okay an.
Schon vor dem Anpfiff merkte man, wie auch das gesamte Spiel über, dass für die Gäste aus Lille Spiele mit der CL-Hymne noch etwas Besonderes sind. Der Gästeblock rappelvoll, im Oberrang alle in roten Plastikgewändern, der Stehplatzblock in Weiß. Dazu ein nettes Pyrointro und viel Gehüpfe und Gespringe. Zwar gab es während des Spiels auch immer wieder leisere Phasen, aber gelegentlich waren sie auch mit einer ordentlichen Portion Lautstärke unterwegs. Nett. Durchaus nett. Die Stimmung auf Dortmunder Seite war dagegen einmal mehr nicht wirklich europapokalwürdig. Allerdings merkte man eine spürbare Anspannung auf den Tribünen und eine gewisse Fokussierung auf den Spielverlauf. Vor allem in der ersten Halbzeit gab es einige Zweikämpfe, die direkt zu lautem Szenenapplaus führten.
Und damit wären wir dann auch mitten auf dem Platz. Trainer Kovac baute gegenüber dem Erfolg am Millerntor um und brachte mit Gittens und Brandt zwei Spieler, denen man zuvor attestierte, dringend eine Pause zu brauchen. Spoiler: beide Spieler zeigten, dass die Pause durchaus länger dauern darf. Gittens verzettelte sich wieder einmal viel zu oft in aussichtslosen Eins-gegen-alle-die-hier-so-rumlaufen-Aktionen, Brandt lieferte ein wahres Fehlpassspektakel. Egal, ob einfach oder kompliziert, hart oder weich, kurz oder lang – er schaffte es auf wunderbare Weise fast immer, den Ball zum Gegner zu spielen.

Grundsätzlich muss man unserer Borussia in der ersten Hälfte jedoch ein gutes Spiel attestieren. Man wartete mit einem anständigen Matchplan auf, überließ den Gästen aus Frankreich bewusst viel Ballbesitz in ungefährlichen Bereichen und presste situativ ungewohnt hoch und auch extrem aggressiv. Leider schaffte man es nicht, aus manch interessantem Ballbesitz auch etwas Zählbares zu machen. Es entwickelte sich ein Spiel, das zwar chancenarm, aber dennoch spannend war. Man hatte immer das Gefühl, dass etwas passieren könnte, wenn man nur mal den letzten Pass konzentriert spielen würde. Dazu passend dann ein Tor nach einer Standardsituation. Ryerson ließ einen wieder einmal ratlos zurück, warum die Übungsleiter in den letzten Jahren konsequent ignoriert haben, wie stark er die Bälle reinbringt. Diesmal war es eine geklärte Ecke, die Adeyemi kurz hinter der Strafraumkante vor die Füße fiel und dann kurzerhand mit einem satten Strahl in die untere Ecke versenkt wurde. Wirklich ein schönes Tor. Kurz vor der Pause dann fast das zweite Tor nach einer Ecke. Emre Can kam zentral in eigentlich guter Position zum Kopfball und musste ihn schon einnicken. Nach einem bisschen Geflipper drückte Groß den Ball über die Linie – allerdings nach Meinung des Assistenten und des VAR aus einer Abseitsposition heraus. Also, 1:0 zur Pause und die Frage, wie man mit dem Ergebnis umgehen sollte. Einen Sieg sichern, oder aufs 2:0 gehen?

Eine Frage allerdings, die in der zweiten Halbzeit von Lille beantwortet wurde. Der BVB versuchte, weiterzuspielen wie zuvor, kam allerdings überhaupt nicht mehr in die Zweikämpfe. Lille entzog sich schlau den Pressingsituationen und wurde über Ballbesitz immer spielbestimmender. Dazu machten sich bei unserer Borussia schwindende Kräfte bemerkbar, auf die Kovac, trotz voller Kapelle auf der Bank, nur sehr spät mit Wechseln reagierte. In der 68. Minute passierte dann das, was sich vorher schon lange angekündigt hat: Sabitzer hielt es für eine gute Idee, herauszurücken – was sich als eher schlechte Idee entpuppte. Sein Gegenspieler spazierte an ihm vorbei und hatte ganz viel Raum vor sich. Zwei Pässe später stand Haraldsson frei vor Kobel und der Ball zappelte im Netz. In der Folge wirkte Borussia immer fahriger und es schlichen sich mehr und mehr Unkonzentriertheiten ins Spiel. Letztendlich schaffte man es in den zweiten 45 Minuten nicht ein einziges Mal, den Ball gefährlich aufs Tor zu bekommen, so dass man mit fortlaufender Spieldauer immer mehr das Gefühl bekam, dass wenn noch ein Tor fällt, dann das 2:1 für den OSC.

Für uns bekam das Spiel in der 81. Minute noch eine zusätzliche Bitterkomponente mit der verletzungsbedingten Auswechslung von Svensson, der nach einem Tritt in die Achillessehne unter Applaus vom Platz humpeln musste. Es ist allerdings mehr als nur grotesk, wenn ein Foul gemäß Leinwand über eine Minute auf eine mögliche rote Karte hin überprüft wird – und der Täter am Ende nicht einmal eine gelbe Karte für sein Foul erhält.
Am Ende ein mageres Ergebnis und eine bescheidene Ausgangslage für das Rückspiel. In Lille wird es eine gute Leitung über 90 Minuten hinweg brauchen, wenn man den Abschied aus der CL noch einmal hinauszögern möchte.
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