
Die Nachricht verbreitete sich am Dienstag wie ein Lauffeuer: Der amtierende BVB-Präsident Dr. Reinhold Lunow strebt eine weitere Amtszeit an. Er möchte gemeinsam mit Jakob Scholz und Dr. Sabine Aldermann für den Vorstand des Ballspielvereins kandidieren.
Vor diesem Hintergrund geben wir euch einen Überblick über die Kandidat*innen, die aktuelle Lage beim BVB und das weitere Prozedere bis zur Wahl im November.
Wie setzt sich der Vorstand des BVB zusammen?
Der Vorstand besteht laut unserer Satzung aus drei Personen. Neben dem Präsidenten sind das seine Stellvertreterin (derzeit Silke Seidel) und der Schatzmeister (derzeit Bernd Möllmann).
Er wird alle drei Jahre von der Mitgliederversammlung gewählt. Der Termin der nächsten Versammlung steht noch nicht fest. In den vergangenen Jahren fand sie jedoch stets am Totensonntag statt. Der ist am 23. November 2025.
Wer kandidiert da nun zur Wahl?
Mit Dr. Reinhold Lunow wirft der Präsident des Ballspielvereins Borussia 09 e. V. seinen Hut erneut in den Ring. Lunow beerbte 2022 den scheidenden Dr. Reinhard Rauball, mit dem er zuvor als Schatzmeister (2005 bis 2021) und als Vizepräsident (2021 bis 2022) im Vorstand zusammengearbeitet hatte. Als eines der Herzensprojekte des Allgemeinmediziners, der in Bornheim eine Praxis leitet, gilt das Borusseum, dessen Bau er maßgeblich vorangetrieben hat.
Jakob Scholz, der als Stellvertreter kandidiert, ist nicht nur in den Reihen von schwatzgelb.de kein Unbekannter. Viele Jahre war er Teil unserer Redaktion, in der Anfangszeit von “The Unity” außerdem Mitglied der Gruppe. Spätestens seit 2021, als er das Amt des ersten Vorsitzenden der Fan- und Förderabteilung (FA) übernahm, ist er auch in der breiten Mitgliedschaft bekannt. Seither lenkt Jakob, der hauptberuflich als stellvertretender Geschäftsbereichsleiter bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe tätig ist, gemeinsam mit seinem Vorstand die Geschicke der FA – eine Abteilung, die sich seit ihrer Gründung im Jahre 2005 insbesondere die Interessen der Mitglieder auf die Fahne geschrieben hat. Regelmäßig greift sie fan- und gesellschaftspolitische Themen auf.
Die Dritte im Bunde ist Dr. Sabine Aldermann. Sie möchte neue Schatzmeisterin werden. Die Dortmunder Rechtsanwältin, die sich auf das Insolvenzrecht spezialisiert hat, ist schon lange im Umfeld von Borussia Dortmund unterwegs. Bereits 1975 hat sie ihr erstes Spiel im neu eröffneten Westfalenstadion erlebt und begleitet seither den Verein mit ihrer Familie bei zahlreichen Spielen. Erst in diesem Jahr wurde Aldermann als assoziiertes Mitglied in den Beirat der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH berufen. Dabei handelt es sich um ein Kontrollorgan im Unternehmensgeflecht von Borussia Dortmund (siehe unten). Hierbei hat sie zwar kein Stimmrecht inne, bringt sich aber beratend mit ihrer Expertise ein.
Und was ist mit Silke Seidel und Bernd Möllmann?
Während die amtierende Vizepräsidentin und Aufsichtsratsvorsitzende Silke Seidel keine Rolle in den Überlegungen des Teams um Dr. Lunow zu spielen scheint, soll Bernd Möllmann laut einem Bericht der Ruhr Nachrichten einen neu geschaffenen Posten des Leiters der Geschäftsstelle und Verwaltungsdirektor bekleiden.

Welche Aufgaben hat der Vorstand?
In dem durchaus komplizierten BVB-Geflecht zwischen dem Ballspielverein Borussia 09 e.V., dem sogenannten Mutterverein, auf der einen und der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA auf der anderen Seite kommen dem dreiköpfigen Vorstand gleich mehrere Rollen zu.
Einerseits obliegt ihm die Führung des eingetragenen Vereins mit seinen rund 220.000 Mitgliedern in unterschiedlichen Abteilungen. Dazu zählen die Handballdamen, Tischtennis, Jugendfußball, Parasport und die Fan- und Förderabteilung. Darüber hinaus vertritt das Gremium den e.V. in rechtlichen Angelegenheiten nach außen.
Andererseits wirkt der Vorstand auch in die KGaA, in der sich unter anderem die ausgegliederte Profiabteilung befindet. Hier kommt die vielzitierte 50+1-Regelung zum Tragen, die besagt: Der Mutterverein muss an der ausgegliederten Profiabteilung die Mehrheit der Stimmen behalten. Bei Borussia Dortmund wird der Einfluss des Muttervereins über den Beirat der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH sichergestellt, dessen Vorsitz der Präsident innehat. Der Beirat übt Kontrollrechte gegenüber der Geschäftsführung der KGaA aus, wie etwa die Benennung und Abberufung von Geschäftsführern oder die Zustimmung zu bestimmten Rechtsgeschäften. Zuletzt kam dem Beirat beispielsweise bei der Benennung von Lars Ricken als Geschäftsführer Sport eine zentrale Rolle zu.
Wie funktioniert überhaupt eine Kandidatur für den Vorstand von Borussia Dortmund?
Der Vorstand von Borussia Dortmund (Präsident, Stellvertreter und Schatzmeister) wird grundsätzlich von der Mitgliederversammlung für jeweils drei Jahre gewählt. Die Satzung des Vereins sieht allerdings ein Prozedere vor, welches einen Wahlausschuss der tatsächlichen Wahl durch die Mitglieder vorschaltet. Gemäß der Satzung (§ 19 Abs. 2) "hat der Wahlausschuss der Mitgliederversammlung geeignete Kandidaten für den Vorstand vorzuschlagen”. Solche Regelungen sind in Vereinssatzungen üblich, um eine Vorauswahl über geeignete Kandidat*innen zu treffen und die Integrität von wichtigen Ämtern sicherzustellen. Hierfür gibt es verschiedene Instrumente; in anderen Vereinen sind hierfür manchmal Unterstützungsunterschriften notwendig.
Der Wahlausschuss setzt sich zusammen aus vier Mitgliedern des Wirtschaftsrates, drei Mitgliedern des Ältestenrates, den Abteilungsleiter*innen der Abteilungen Handball, Tischtennis, Fanabteilung, dem Leiter der Jugendfußballabteilung sowie den beiden Kassenprüfern.
Nach welchen Kriterien entscheidet der Wahlausschuss über die Eignung eines Kandidaten?
Da es sich um ein Gremium handelt, das seine Entscheidungen hinter verschlossenen Türen fällt, kann über die faktische Arbeitsweise des Wahlausschusses nur gemutmaßt werden. Mit Blick auf die Satzung (s.o.) lässt sich aber gut vertreten, dass ein Kandidat vom Wahlausschuss vorzuschlagen ist, wenn dessen Eignung festgestellt wird. Nach dieser Auffassung wäre es also nicht zulässig, wenn der Wahlausschuss einen Kandidaten trotz der festgestellten Eignung aufgrund sachfremder Gründe (z. B. persönliche Präferenzen) nicht vorschlägt.
Kann der Wahlausschuss theoretisch auch mehrere Kandidat*innen vorschlagen?
Diese Frage könnte sich als Elefant im Raum erweisen. De facto wurde in diesem Gremium zuletzt stets eine Vorentscheidung über den Vorstand des Vereins gefällt. In der jüngeren Vergangenheit kam es beim BVB nie zu einer Abstimmung über mehrere Kandidaten, stattdessen hat der Wahlausschuss während der Amtszeit von Reinhard Rauball oder Reinhold Lunow schlicht immer nur eine Person pro Amt vorgeschlagen. Diese Personen wurden auf den Mitgliederversammlungen auch ohne Umschweife gewählt.
Rein wörtlich wird aus der Satzung nicht wirklich deutlich, ob der Wahlausschuss nur einen oder auch mehrere Kandidaten pro Amt vorschlagen kann.
Es darf mit guten Gründen angenommen werden, dass mehrere Vorschläge grundsätzlich möglich sind. Dafür spricht, dass andernfalls der Schwerpunkt der Wahlentscheidung faktisch beim Wahlausschuss und nicht bei der Mitgliederversammlung liegen würde – obwohl sie im Vereinswesen typischerweise bei den Mitgliedern zu verorten ist.
Zugespitzt ausgedrückt: Wenn man der Auffassung ist, dass es nicht mehrere Kandidat*innen geben darf, dann wäre die Entscheidung des Wahlausschusses faktisch eigentlich kein Wahlvorschlag mehr, sondern eine intransparente Vorauswahl, die von der Mitgliederversammlung lediglich bestätigt werden darf.

Präsident kann also nur werden, wer vorher vom Wahlausschuss vorgeschlagen wurde?
Nein. Unsere Satzung kennt auch einen anderen Weg, für den es bislang ebenfalls kein Praxisbeispiel gibt.
Zwar hat der Wahlausschuss nach § 17 Abs. 5 der Satzung das primäre Vorschlagsrecht für die einzelnen Ämter. Finden seine Vorschläge im ersten Wahlgang jedoch nicht die erforderliche einfache Mehrheit (= Mehrheit der abgegebenen Stimmen) der Mitgliederversammlung, folgt ein zweiter Wahlgang. In diesem kann der Wahlausschuss veränderte Vorschläge zur Wahl stellen. Sollten diese wieder keine einfache Mehrheit finden oder der Wahlausschuss auf veränderte Vorschläge verzichten, dann erlischt auch sein Vorschlagsrecht. Mit der gravierenden Folge, dass anschließend direkt aus der Mitgliederversammlung heraus Kandidat*innen für den Vorstand vorgeschlagen werden können. Ihre Wahl bedarf dann nach § 16 Abs. 3 der Satzung jedoch einer absoluten Mehrheit (= Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten).
Okay, aber was bedeutet das für die aktuelle Gemengelage beim BVB?
Eine vergleichbare Situation hat es bei Borussia Dortmund lange nicht mehr gegeben. Die Besetzung wichtiger Ämter wurde stets unter den Verantwortlichen von e. V. und KGaA ausgemacht, und zwar meist im stillen Kämmerlein. Den Mitgliedern blieb allenfalls die Rolle, turnusgemäß für oder gegen diese Vorschläge die Hand zu heben.
Klar ist derzeit nur, dass Hans-Joachim Watzke, der gemeinsam mit Reinhard Rauball als Retter vor der Insolvenz gilt und mit der Verpflichtung von Jürgen Klopp die erfolgreichste sportliche Ära seit den Neunziger Jahren eingeläutet hat, sein Amt als Vorsitzender der Geschäftsführung der KGaA im Herbst dieses Jahres niederlegen wird. Das hat er bereits im Januar 2024 bekanntgegeben.
Nicht nur das geplante Ausscheiden Watzkes aus der KGaA ausgerechnet rund um die nächste turnusmäßige Präsidentenwahl des BVB nährte zuletzt die Gerüchte, dass der Sauerländer seine schwarz-gelbe Funktionärskarriere fortsetzen möchte. Vor wenigen Wochen im Aktuellen Sportstudio auf eine mögliche Kandidatur angesprochen, ließ er verlauten: “Meinem Verein stehe ich grundsätzlich immer zur Verfügung.” Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kann man wohl behaupten: Watzke spielte zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Gedanken einer Kandidatur, wollte sie sich zumindest offenhalten.
Seine offizielle Reaktion auf den Vorstoß Lunows fiel nun knapp aus. Im Zuge der jüngsten Berichterstattung ließ er sich damit zitieren, dass es “das gute Recht von Reinhold Lunow” sei, “sich für das Präsidentenamt zu bewerben”. Die Ableitungen daraus wolle er mit den Gremien des BVB besprechen. Parallel hierzu war in zahlreichen Medienberichten in den vergangenen Tagen jedoch von klaren Ambitionen Watzkes die Rede. Auch die teils scharfe mediale Kritik an der Kandidatur von Reinhold Lunow und seinem Team, die auf vereinsinterne Quellen Bezug nimmt, lässt darauf schließen, dass Watzke seinen Anspruch auf das Präsidentenamt durchaus entschlossen geltend machen wird.
Eine Situation, in der Vertreter*innen des e.V. offenkundig andere Interessen verfolgen als die der KGaA, ist neu für den Verein – und kann sowohl Chance als auch Risiko zugleich sein. Wohin die Reise geht, wissen wir wohl erst im November 2025. Dass nach der Mitgliederversammlung vor allem über die Qualität der alljährlichen Erbsensuppe gesprochen wird, ist jedenfalls unwahrscheinlich.