Meisterschaftskampf mit dem BVB. Der Erfolgsfan bin wohl ich
Erfolgsfan will eigentlich niemand sein, weil sich echte Leidenschaft durch Leiden definiert. Aber macht es momentan nicht doch mehr Spaß?
Fußballfans sind nicht gleich Fußballfans. Es gibt Ultras, Kutten, Normalos, Stadiongänger, TV-Fans und auch weniger schmeichelhafte Kategorien wie den Erfolgsfan. Das will ja eigentlich niemand sein. Es klingt nach Opportunismus, nach Beliebigkeit, nach falscher Liebe oder, noch schlimmer, nach einem Fan vom FC Bayern München.
Jetzt stehen wir am
25. Spieltag auf Platz 1 und sind das erste Mal seit vielen Jahren im
letzten Saisondrittel im Kampf um die Meisterschaft. In der Saison
2018/2019 waren wir zu diesem Zeitpunkt zwar auch nur punktgleich mit
den Bayern, aber damals haben wir ja eigentlich alle nur darauf
gewartet, dass uns der Stern des Südens wieder überholt. Jetzt
fühlt sich das nach 9 Siegen aus 10 Saisonspielen im Jahr 2023
anders an. Besser. Und ich muss eins feststellen: der Erfolgsfan –
das bin ja ich.
Permanente Unzufriedenheit
Natürlich, ich bin schon viele Jahre dabei und selbst die oftmals gruseligen Spiele unter Thomas Doll haben mich nicht wirklich vertrieben, aber ich muss mir eingestehen, dass mich die letzten Jahre auch nur sehr selten zufrieden gemacht haben. Wir ziehen zwar zuverlässig Jahr für Jahr in die Champions-League ein und haben 2017 sogar den DFB-Pokal gewonnen – hätte uns das 2005 jemand vorhergesagt, hätten wir uns vermutlich freudetrunken in den Armen gelegen, weil dieses Schicksal so unglaublich besser ist, als das, was wir damals befürchten mussten – aber es war da immer das Gefühl, dass mehr möglich ist. Mehr möglich sein muss. Dass wir zwar eine Art natürlicher Zweiter sind, aber auch Erster sein könnten, wenn jeder eine Saison mal mehr zeigt, als das, was man von ihm erwarten kann. Das führte dann dazu, dass man weniger auf das schaut, was gut läuft, sondern fast nur noch einen Blick für Fehler hat. Wenn der Trainer hier anders aufgestellt hätte, der Spieler dort doch nur den Zweikampf angenommen hätte, ja dann… Das Ergebnis ist dann eine latente Grundunzufriedenheit, die nur ganz gelegentlich mal aufgebrochen wird, wenn man z.B. in der Champions-League gegen einen Gegner der Kategorie Manchester City auf Augenhöhe agiert und etwas die Hoffnung nährt, dass eben doch weiterhin mehr möglich ist.
Erfolg macht einfach Spaß
Umso mehr Spaß macht der aktuelle Zustand. 28 von 30 möglichen Punkten in Serie zu holen, ist ein Kunststück, dass selbst unter Hitzfeld und Klopp eine absolute Ausnahme gewesen wäre. Aus neun Punkten Rückstand auf die Bayern haben wir innerhalb von drei Monaten einen (zwar hauchdünnen) Vorsprung von einem Punkt gemacht. Mal spielerisch überlegen, mal glücklich und mal auch wirklich arschknapp, wie zuhause gegen Leipzig. Die komplette Bandbreite. Dazu sendet die Mannschaft auch leise Signale, die von einem echten Mannschaftsgeist zeugen, wenn Mitspieler sich für gelungene Aktionen abfeierern und ein Altstar wie Mats Hummels statt über seine reduzierten Einsätze zu moppern, beim Warmmachen seine Konkurrenten in der Innenverteidigung anfeuert, auch den nächsten Zweikampf genau so anzunehmen. Aber auch diese Signale würde man kaum wahrnehmen, wenn sie nicht gleichzeitig Erfolg bringen würden. Kurz und knapp auf den Punkt gebracht: So viele Spiele zu gewinnen und damit Chancen auf einen Titel zu nähren, macht einfach viel mehr Spaß als gemütlich Richtung Platz zwei, oder drei zu schippern und die Saison genau so zu beenden, wie die letzten gefühlt hundert Jahre. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal schon zwei Wochen vorher gespannt auf ein Spiel hin gewartet habe. Dieses Mal nicht mit einem „Ohje, die Bayern kommen“, sondern einem erwartungsvollen „Lasst die Bayern mal kommen“. Völlig egal, welcher Vorturner da jetzt an der bajuwarischen Seitenlinie steht. Wir sind im Titelrennen und werden es in jedem Fall auch nach dem Spiel noch sein.
Es fühlt sich gut
an. Erfolg macht Spaß und lässt das Fanleben bunter werden. Und
gleichzeitig ist man auch ein bisschen beschämt, weil es eben keine
dieser besonders heroischen Geschichten ist, in denen man sich als
Fan in einen Verein verliebt, während man im November beim
Nieselregen dabei zusieht, wie die Mannschaft sang- und klanglos mit
0:5 untergeht.
Die ernüchternde
Wahrheit ist: 5:0 gewinnen im Mai bei Sommer, Sonne, Sonnenschein
fühlt sich um einiges unbeschwerter und besser an. Jetzt fehlt mir
zum vollständigen Erfolgsfan eigentlich nur noch eins: eine
Meisterschale. Packen wir es an.