Spielbericht Profis

Champions League Heimspiel des BVB gegen Chelsea FC Seven Heaven

17.02.2023, 13:47 Uhr von:  Nina T.
Blick von der roten Erde aufs Westfalenstadion, man sieht die beiden Pylone der Nordtribüne, im Hintergrund der rosarote Abendhimmel

Ein himmlisches Hinspiel, bei dem ich gar keine Lust habe, über irgendwas zu meckern. Dieses Match hatte ALLES, was der große, schwatzgelbe Europapokalabend brauchte – da fiel auch nicht mehr auf, was fehlte. Unser Spielbericht zum siebten Sieg in Serie: Borussia Dortmund gegen Chelsea FC – aus privaten und beruflichen Gründen mit 24h-Verspätung.

Eines vorab

Heute Morgen war ich ungefähr um 1:00 Uhr zu Hause… Ich hatte zwar noch bis um 2:30 Uhr volle Pulle Adrenalin in der Blutbahn, dann fiel der Vorhang ohne Vorwarnung. Daran, einen Spielbericht zu schreiben, war dennoch in diesen zweieinhalb Stunden nicht zu denken, ich musste den Abend erstmal verarbeiten. Die Bilder und Erinnerungen ballerten völlig unkoordiniert durch meinen Kopf. So muss das auch, nach so einem Abend! Ist halt nur beim Schreiben nicht hilfreich. Aber ich sag’s auch wie es ist: So ganz klar komme ich immer noch nicht, ich fühle mich nach wie vor völlig überwältigt.

Die Choreo

In den Außenbereichen: Schwarzgelbes Strahlenmuster, über den unteren zentralen Blöcken eine Blockfahne: Form Halbkreis, detaillierte Darstellung der Weltkugel, mittig: Rückansicht junger Mann mit Rucksack (Aufschrift Bündnis Südtribüne) und Basecap
Herausragende Choreografie auf der Südtribüne zum Einlauf der Spieler

Was. Ein. Hammer.

„Klasse statt Masse“ war bei dieser Choreo eindeutig das Motto! Dass man nach dem Spiel auf Social Media mit den Bildern und Videos praktisch geflutet wurde, war eigentlich nur ein Naturgesetz. Die Liebe zum Detail, die Mühe und die Zeit, die in diese Schönheit geflossen sein müssen, berühren schon außergewöhnlich. Auch die Botschaft – selbst wenn man sie als Gesang schon eine Weile kennt – fühlt sich als geschriebenes Wort noch einmal schöner an:

Und jedes Mal war es wert, an Deiner Seite zu steh’n… Die Reise wird für immer weitergeh’n!

Jede:r von uns, der mal einen Liebesbrief bekommen hat, wird das nachvollziehen können. Für mich war diese Choreo eben eine Liebeserklärung über hunderte Quadratmeter!

Meinen ausgesprochenen Dank dafür an alle Beteiligten. Am Sonntag ist erstmal wieder eine Spende fällig!

Flyer der Südtribüne Dortmund für die Choreo Spenden Sammlung am kommenden Sonntag vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC

Das Spiel

Die erste Halbzeit

In der Erinnerung fühlte sich die erste Spielhälfte an, wie zwei Typen, die sich gegenüberstehen und sich abwechselnd Ohrfeigen verpassen. Wie in so alten Schwarzweiß-Filmen… Allerdings war das, wie auch diese Filme, teilweise schon etwas anstrengend anzuschauen. Es hatte was von dem Pokalabend gegen Bochum: Vfl Chelsea. Für 670 Millionen.

Aber ein bisschen der Reihe nach:

Diese Blau-Weißen klauten uns die Seitenwahl. Verkehrte Richtungen in den Halbzeiten und wie mein Vater gesagt hätte, „Das wird bestraft, dafür kriegen die einen.“.

Nun, so viel sei vorweggenommen für die erste Hälfte: Viel mehr bekamen sie keinen… Weder von uns, noch selbst einen rein!

Obwohl wir in der zweiten Minute direkt zu einer Doppelchance von Julian Brandt und Emre Can kamen, wurden beide Schüsse geblockt. Der Gegenzug, nämlich ebenfalls aus der zweiten Minute, über Mudryk verdeutlichte den Schlagabtausch, der uns erwarten würde. Die Rettungsgrätsche von Nico Schlotterbeck war auch gleich die erste Gelegenheit für alle BVB-Tribünen steil zu gehen, die Betriebstemperatur war erreicht.

Aber der Dauerdruck zermürbte leider ein wenig, die Halbzeit dauerte gefühlt alleine 90 Minuten und so wechselten sich großartige Support-Phasen und atemlose Panik ab. Zum Glück blieben unsere Jungs weitestgehend unbeeindruckt und leisteten sich zwar Unkonzentriertheiten, aber keine folgenschweren Ausfälle.

So war auch der vermeintliche Führungstreffer von Chelsea in der 17. Spielminute nur eine Randnotiz: Handball spielen wir halt erst am Sonntag in Dortmund, daher wurde das Tor von Silva aberkannt und er bekam die gelbe Karte. Zwei Minuten später hatte Marius Wolf die Chance zur Führung, blieb jedoch hängen und verzog so seinen Abschluss rechts am Tor vorbei.

Es ging weiter hin und her

Nico rutscht über den Rasen und klärt in der Sekunde der Aufnahme, im Hintergrund  Niklas Süle und Kai Havertz - aus der zweiten Spielminute
DIE Grätsche von Nico Schlotterbeck gegen Mykhailo Mudryk

Nach 28 Minuten landete eine aussichtsreiche Chance für unseren BVB, vorbereitet von Julian Brandt für Sébastien Haller, nur am Außennetz. In der 32. Spielminute flog dann die bis dahin beste Gelegenheit für Chelsea – nach dem Handball-Tor – durch Joao Felix rechts am Kasten von Gregor Kobel vorbei. Nochmal zwei Minuten später bereitete wieder Julian Brandt vor, diesmal für Karim Adeyemi, dessen Schuss nur 50 Zentimeter über die Torlatte ging. In der 38. Minute rettete uns das Aluminium bei einem Schussversuch von Joao Felix und in der 43. zog Marius Wolfs Abschluss – wieder nach Vorarbeit von Julian Brandt (Ja, das ist nicht nur der Eindruck, der Junge war einfach überall!) – leider anderthalb Meter am Tor vorbei.

Das war echt gar nix für schwache Nerven! Dafür ging es ausgesprochen pünktlich in die Pause. Bitternötig, die Jacken hatten wir längst ausgezogen.

In der Pause

Vlnr: Fernandez kämpft um den Ball mit Haller, sieht besser aus für Sebastién
Sébastien Haller gegen Enzo Fernández

Wir waren uns einig, dass es für dieses Fuddel-Spiel mega gewesen wäre, wenn wir bei dem Klein-Klein vor dem Tor Youssoufa Moukoko hätten einwechseln können… Nun ja. Und wir planten kurz nach der Halbzeit endlich mal in Führung zu gehen, ein zweites Tor dann so um die 60. Minute, um die „Diskussionen“ auf dem Platz zu beenden. Ohne Joker-Tor wäre es ja auch kein richtiges BVB-Spiel.

Die zweite Halbzeit

…und während man plant, passiert das Leben. Die zweite Hälfte des Spiels erinnerte mich an „Rocky“: Ohne Deckung auf die Fresse, aber trotzdem stehen bleiben und den einen, spektakulären Punch landen, der zwar (noch) nicht für den Gesamtsieg reicht, jedoch einfach allen in Erinnerung bleiben wird.

Anstatt des geplanten Führungstreffers fing unser Kapitän Jude Bellingham (Hach, ich sag das so gerne…) sich in der 49. Minute eine gelbe Karte. Wofür habe ich bis jetzt nicht herausfinden können, einer schrieb von „gefährlichem Spiel“. Okay… Dann stellt sich die Frage, wie manche Mannschaften es überhaupt je schaffen, ein Spiel zu elft zu beenden?

Danach folgten…

Die Gregor-Kobel-Festspiele!

55. Klärt einen James-Freistoß zur Seite

58. Hält einen Distanzschuss von Fernandez

62. Lenkt einen Abschluss von Mudryk über die Querlatte

77. Faustet einen Freistoß von Ziyech weg

78. Kommt bei einem Abschluss von Koulibaly an den Ball*

80. Hält den nächsten Torschuss von Ziyech

84. Sichert den Joao-Abschluss

90+5. Entschärft den Torschuss von Fernandez

Gregor hat uns an diesem Europapokal-Abend mehr als die Null gesichert. Er war wieder eine absolute Bank und das eine Mal, wo er hätte geschlagen werden können*, vollendet Emre Can und rettet auf der Linie! Wäre es in diesem Moment still im Stadion gewesen, ich glaube, wir hätten Gandalfs Stimme aus dem Himmel über Dortmund gehört „You shall not pass!“. Emre, Du Held! Auch dieser Zusammenhalt ist einfach Bombe und allein dafür lohnt es sich, das Spiel zu sehen. Aber in diesem Moment wurde ja sogar eine Führung verteidigt…

Der Lauf

Die Sekunde vor dem Führungstreffer: Der Torwart (l.) streckt sich noch, Karim (r.) macht einen großen Schritt
Karim Adeyemi umkurvt Kepa Arrizabalaga und schiebt zur Führung ein

Nach einem Chelsea-Eckball in der 63. Spielminute klärte Raphael Guerreiro, irgendwie kurios, weit über den eigenen Kopf hinweg in seinen Rücken. Doch dort startete Karim Adeyemi. Und wie! Hatte Fernandez zunächst noch ein gutes Stück Vorsprung vor ihm, hatte sich das schnell erledigt als Karim ernst machte. Auf den Tribünen zog er soetwas wie eine LaOla mit sich auf dem Weg zum Tor: Alle, die er passierte, standen auf. Als wäre er nicht zuvor schon irrsinnig schnell mit dem Ball am Fuß unterwegs gewesen, legte er sich den Ball kurz vor dem Strafraum „zu weit“ vor und packte tatsächlich noch eine Schippe drauf. Als wäre das vorher Jogging gewesen, ey!

Ich griff in die Hosentasche mit den Glückscents und umklammerte sie. Stoßgebet!

Lass das jetzt nicht noch schiefgehen, Fußballgott!

Vlnr: Marius Wolf in der Viertel-Rückansicht schaut Karim Adeyemi an, der lächelt, während er von Julian Brandt, frontal, geherzt wird
Jubel um den Torschützen

Fernandez war geschlagen und Karim umkurvte den Keeper… Und schepperte den Ball tatsächlich aus spitzem Winkel ins leere Tor!

Ex-plo-sion!!!

Der Druck entlud sich wie bei einem defekten Dampfkessel. Getränke, Hände, Arme, Beine, Köpfe… Wir haben uns alle komplett verloren in diesem Moment. (Sei einfach still, Michael.) Den dreifachen Torjubel hatte Karim sich nicht nur so sehr verdient, er war auch erforderlich, um uns zurück in die Realität zu holen. Den letzten Rest rausbrüllen, dann die Konzentration wiederfinden und neu aufbauen!

Die Schlacht

Es war noch eine halbe Stunde Abwehrschlacht zu gehen und wir begannen, ausgerechnet, mit dem Verlust des überragenden Marius Wolf. Sah es noch kurz so aus, als könne er weitermachen, kam wenig später Julian Ryerson für ihn zu seinem Champions League-Debüt.

Die Tribünen schwankten zwischen Anspannung und der zwölfte Mann sein. Zwischen atemlos und aus voller Kehle. „Und jedes Mal war es wert an Deiner Seite zu steh’n…“ war nicht nur eine Zeile, wir waren Eins.

Deswegen rasteten auch wortwörtlich alle aus, nachdem erst in der 89. Minute Cucurella ohne Sinn und Verstand – und ungestraft – Julian Ryerson vor unserer Nase umfegte, sich unser Julian kurz danach seine dritte gelbe Karte für ein Foul fing und in der Folge durch eben diesen Cucurella eine ordentliche Rudelbildung ausgelöst wurde: Beide Bänke waren involviert und jeder Fan am Anschlag. Ich glaub, wir haben nicht mal mehr in verständlichen Sätzen geschimpft. Dafür hatte Jude offenbar eine Menge zu erzählen… Naja, als Muttersprachler dürften ihm die treffendsten Worte eingefallen sein. Und auch wenn man es als leichtsinnig bezeichnen könnte, mit einer gelben Karte aus der 49. Spielminute, so nach vorne zu gehen: Jude, ich lieb Dich dafür!

(Wie angekündigt, ich habe heute keinen Bock zu meckern.)

Damit war dann auch die erforderliche Temperatur für die fünf Minuten Nachspielzeit erreicht. Und natürlich haben wir auch die nicht souverän oder entspannt runter gespielt, aber als leidenschaftliche Einheit.

Der Schlusspfiff

Gregor vor der Südtribüne, die Arme vor dem Körper angewinkelt angespannt, die Fäuste geballt, den Mund offen zum Siegesschrei - im Hintergrund applaudieren (vlnr) Nico Schlotterbeck, Thomas Meunier und Karim Adeyemi lächelnd
Hielt am Ende den wichtigen Sieg fest: Gregor Kobel

…war die Erlösung, aber noch nicht das Ende. So wenig Leute (zwei!) haben sich nur selten direkt verabschiedet, Auskosten bis zur letzten Sekunde. Man weiß ja nicht, ob es noch so einen Abend geben wird?

Es wurde ausgiebig gefeiert: Nach den „Sieg“-Rufen und „Keiner soll es wagen“, ging es weiter mit „Hinsetzen“, dann folgte eine längere Ansage von der ich absolut kein Wort verstanden habe und schließlich wurde traditionell gefeiert, mit „Europapokal – Borussia Dortmund international“! Gregor Kobel bekam noch eine eigene Würdigung seiner Leistung und feierte die mit uns, passend zu seinem grünen Outfit, eventuell leicht unbeholfen und doch ziemlich treffend, mit einer Hulk-Pose. Zum Abschluss die gemeinsame Sieger-Welle und unsere Jungs begaben sich, begleitet von dem Lied, das die Choreo inspiriert hatte, auf die wohlverdiente Ehrenrunde.

Wir verließen seelig und erschöpft das wunderbare Westfalenstadion und ich könnte schwören, der Himmel über Dortmund war hinter der Dunkelheit immer noch rosarot.

Eine letzte Anmerkung: So sehr ich es bedauere, nicht jeden einzelnen Spieler, der es verdient gehabt hätte, für seine Leistung hervorzuheben, den Gästeblock übergehe ich for a reason: Dieser Gästeblock war einfach nur traurig. Wenn man bedenkt, wer dort drüben hätte stehen können… Lassen wir das.

Im Spiel und auch danach waren wir zum Glück ausreichend mit uns selbst beschäftigt, um darauf nicht weiter zu achten. Und im Rückspiel müssen wir halt mal zeigen, wie das eigentlich geht!

Es ist erst Halbzeit! Weiter kämpfen, nochmal siegen.

Die komplette BVB-Mannschaft bei der Sieger-Welle vor der Südtribüne, alle haben ihre Arme hoch in der Luft
Die Welle nach Abpfiff vor der Südtribüne

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel