Unsa Senf

Drei V - Vertrauen, Verantwortung, Veränderung

23.05.2022, 11:39 Uhr von:  Nina T.
Marco Rose sitzt auf einer Pressekonferenz und spricht in ein kleines, schwarzes Mikrofon auf dem Tisch. Hinter ihm steht die gelbe Sponsorenwand.

Marco Rose ist nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund. Der Versuch einer Einordnung: Es gibt mehr zu tun, als einfach nur flott einen neuen Übungsleiter zu finden.

Die entspannte Sommerpause ist erstmal dahin, der emotionale letzte Spieltag und ersten begeisternden Transfers… vergessen. Knapp sechs Tage nach unserem Saisonende brennt das Internet. Ohne Not, könnte man meinen.

Nun, die größten Baustellen fangen mit V an.

Vertrauen, Verantwortung, Veränderung.

Vertrauen

Da kann man niemanden ausnehmen: Die Quote von sieben Trainern in acht Jahren trägt jeder mit. Die Hypothek, mit der ein neuer Übungsleiter seinen Job begann, wurde mit jedem Mal höher, für beide Seiten. Das hat nicht alleine die Vereinsführung zu verantworten. Da zähle ich uns alle mit rein. Die Klick-Zahlen reißerischer, negativer Artikel gehen auf unsere Kappe.

Aber hätte das denn auch so sein müssen? Ein Pokalsieg und eine Champions League Qualifikation auf den letzten Drücker waren eine gerettete Saison, dieser Trainer hätte trotzdem den Club wechseln müssen, damit der Nachfolger eine Chance bekommt, hieß es. Hat er nicht, die Zusammenarbeit hat funktioniert.

Eine stabile Vizemeisterschaft und ein frühes Aus in den Pokalwettbewerben waren – „ohne Chance“ – in Summe anscheinend auch zu wenig für eine erste Saison noch mitten in der Pandemie. Warum war das kein guter Start in die gemeinsame Zeit? Es wäre doch eine solide Basis gewesen, auf der man hätte aufbauen können. Die Ausdrücke heißen „Vertrauen schenken“ oder „Vertrauensvorschuss“! Das gibt’s erstmal, ohne große Bedingungen. Fragt Euch doch bitte: Wer hat das zuletzt bekommen? Wenn das fehlt, kann man sich nicht mal mehr „Vertrauen zurück verdienen“, nachdem etwas schief gelaufen ist. Man hatte es ja nie.

Wer auch immer als nächstes auf der Trainerbank Platz nimmt, braucht endlich wieder aufrichtiges, dauerhaftes Vertrauen. Und keine Tinder-vielleicht-geht-ja-doch-noch-mehr-Einstellung! Wir sind haarscharf dran, ein untrainierbarer Verein zu werden. Ab einem Punkt werden Trainer sich sehr gut überlegen, bei uns zu unterschreiben. Eine Gefahr, die man nicht unterschätzen darf.

Verantwortung

Verantwortung hat Marco Rose immer übernommen: Nicht einmal hat er seine Mannschaft oder andere Teile des Teams vor den Bus geworfen, sondern immer klar kommuniziert, dass die Trainer Teil des Ganzen sind. An dieser Stelle daher von Herzen „Danke!“ dafür. Aber deswegen sind nun wir in der Verantwortung, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auch an den öffentlichen Reaktionen der Fans und einiger Spieler – da kann mir keiner erzählen, es fehlten andere Kontaktmöglickeiten – wird klar, dass trotz der Enttäuschungen auch eine Menge gestimmt hat. Es reicht nicht, dass man sich einvernehmlich trennt. Man muss auch die Frage stellen, warum schon wieder? Und was will man überhaupt? Beziehungsweise: Was hat den letzten Trainerteams denn, nachdem man sich für sie entschieden hat, am Ende gefehlt? Es braucht keine Schuldfrage geklärt zu werden, aber jeder muss die Verantwortung übernehmen, dass ein Teil eben auch ihm gehört. Unsere Vertrauensprobleme sind unsere Verantwortung.

Terzic und Kehl sitzen versetzt auf den Bänken der Tribüne im Stadion Rote Erde, beide tragen Maske.
Vorgänger und bald auch Nachfolger? Terzic zusammen mit dem neuen Sportdirektor Kehl

Veränderung

Veränderungen sind normal Veränderungen sind notwendig, aber Veränderungen um der Veränderung willen, sind gerne mal Bullshit. Hier kommen wir zurück auf die oben gestellte Frage: Was will man überhaupt? Begeistern möchte man, das würde ich mal als fix ansehen. Je mehr Menschen sich für Borussia Dortmund begeistern, desto besser ist die finanzielle Lage und die daraus resultierenden Möglichkeiten.

Nun ja, fester Bestandteil der Begeisterung ist auch die Überraschung. Mit einer extrem hohen Erwartungshaltung bleibt jedoch wenig Raum für Überraschungen. Die Frage ist also, wo will man wirklich hin? Eine ähnlich langweilige und dauerhafte Nummer zwei oder auch mal eins zu werden, wie die derzeitige Nummer eins, kann kaum erstrebenswert sein. Zumal es den Verein eine breite, verlässliche Basis kosten könnte. Begeisterung kommt nämlich auch nur mit Leidensfähigkeit. Auch dabei kann man niemanden ausnehmen: Führung, Team und Fans werden Durchhalten (wieder) lernen müssen.

Es könnte durchaus mehr Sinn machen, sich für eine abwechslungsreichere Zukunft aufzustellen und diese Zukunft auch aktiv mit zu fördern, anstatt einen Status Quo zu verteidigen, der keine Veränderung mehr zulässt und am Ende eine Sackgasse ist.

Die Not war also möglicherweise vorhanden, nur vielleicht eben anders als man im ersten Augenblick denken könnte. Ich wünsche mir jedenfalls eine gründliche und ruhige Analyse und nicht, wie angekündigt, die Verkündung eines Nachfolgers noch am folgenden Wochenende. Es gibt nämlich viel mehr zu besprechen.

Edit: Stand Montagmorgen gab es noch keine Ankündigung. Ob das nun für eine tiefer gehende Analyse spricht oder die Verpflichtungen sich bereits problematischer gestalten, bleibt abzuwarten.

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