Der aktuelle Trainer und seine Verantwortlichkeit
Seit Jürgen Klopp geben sich die Trainer bei Borussia Dortmund die Klinke in die Hand. Die Gründe für die immer seltener überzeugenden Auftritte auf dem Platz liegen also nicht nur auf der Trainerbank. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Arbeit von Marco Rose wirklich zufriedenstellend ist.
Trainer kommen, Trainer geh‘n – doch die Kritik an unserer Spielweise, bleibt besteh‘n. So, oder so ähnlich könnte man kurz die Bestandsaufnahme von Redaktionskollege Seb zusammenfassen. Und wenn die Kritik kontinuierlich ist, der Name des Übungsleiters auf der Ersatzbank allerdings permanent wechselt, liegt mit Sicherheit noch viel mehr im Argen als eine einzige Personalie. Die Bandbreite der Erklärungen reicht von einem nicht stimmig zusammengestellten Kader, über die nicht ausreichende Qualität einzelner Spieler bis hin zu einer zweifelhaften Mentalität. Alles Punkte, die eine Berechtigung haben. Aber heißt das automatisch, dass der Trainer nicht auch ein bedeutendes Puzzlestück des Gesamtproblems sein kann?
Wenn man über den Trainer Marco Rose spricht, wird immer – und das auch berechtigterweise – auf den souveränen zweiten Tabellenplatz und seinen guten Punkteschnitt in der Liga verwiesen. Über die restlichen Wettbewerbe darf man aber getrost das Mäntelchen des Schweigens legen. Das Aus im DFB-Pokal gegen Zweitligist St. Pauli war nicht nur dem Spielverlauf entsprechend, es hatte sich schon vorher angekündigt. Bereits der mühevolle 2:0 Sieg zuhause gegen Zweitligakellerkind Ingolstadt war eher eine Qual, statt eines ansehnlichen Fußballspiels. In der Champions League schied man in einer absolut machbaren Gruppe mit Besiktas Istanbul, Ajax Amsterdam und Sporting Lissabon aus, in der Europa-League war dann bereits gegen die Rangers aus Glasgow Endstation. Für das Aus in der Königsklasse spielten sicherlich zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen wie die rote Karte gegen Mats Hummels im Heimspiel gegen Amsterdam eine Rolle, das sollte aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass man im Hinspiel in personeller Bestbesetzung hoffnungslos unterlegen war und von Ajax eine kostenlose Lehrstunde erteilt bekam. Wirklich überzeugen konnte man in der Gruppenphase nur beim 1:0 Sieg gegen Lissabon. In der Play-Off-Runde der Europa League folgte mit dem 2:4-Debakel gegen die Rangers ein weiterer Abend, der viele BVB-Fans mit Nackenschmerzen wegen intensiven Kopfschüttelns zurückließ.
Der Schein der Bundesliga trügt
Bleibt also die Bundesliga, in der man mit 60 Punkten nach 29 Spieltagen die erneute Qualifikation für die Champions League so gut wie in der Tasche hat. Acht Punkte Vorsprung auf den Tabellendritten, auf Freiburg auf Rang fünf sind es sogar zwölf. Das klingt alles sehr souverän und nach einem stabilen Fundament. Trotzdem schüttelt man im schwatzgelben Lager verwundert den Kopf, wie man mit den über weite Strecken der Saison gezeigten Leistung einen derartigen Punktestand erreichen konnte.
Zu einem großen Teil ist es schlicht und ergreifend das berühmte Spielglück, das „Momentum“ gewesen, das uns viele Punkte beschert hat. Ganze acht Spiele wurden mit einem Tor Vorsprung gewonnen. Beispielsweise seien hier mal die Partien in Mainz, in der Axel Witsel kurz vor Schluss eine Standardsituation zum nicht mehr erwarteten Siegtreffer nutzte, oder Reus‘ Tor in der 85. Minute zuhause gegen Stuttgart erwähnt. Es gab viele Spiele, die auch ganz leicht mit einem Unentschieden oder gar einer Niederlage hätten enden können. Gut, man kann es der Mannschaft jetzt kaum vorwerfen, dass sie knappe Spiele gewinnt und es sogar als Qualitätsmerkmal anerkennen, dass man bis zum Schluss den Dreier will. Zumindest dann, wenn er noch ohne größere Anstrengungen in Reichweite ist. Ohne diese gezeigte Qualität würde man wohl auch schon gar nicht mehr über Marco Rose als Trainer von Borussia Dortmund reden.
Den restlichen Clubs der Spitze deutlich unterlegen
Aber auch der vor allem in der Rückrunde gezeigte Fußball ist häufig besorgniserregend. Gegen Leverkusen gab es ein 2:5, gegen Leipzig ein 1:4. Addiert man die obligatorische Klatsche in München hinzu, wird man die drei Partien gegen die übrigen CL-Platzinhaber mit einer negativen Tordifferenz im zweistelligen Bereich beenden. In beiden abgeleisteten Partien zeigte man sich dem Gegner dabei ebenso massiv unterlegen wie beim Hinrundenauftritt in Amsterdam. Besonders die Heimniederlage gegen die Dosen glich einem taktischen Armutszeugnis. Dabei war die grundlegende Herangehensweise, mit langen Bällen in die Schnittstellen zu operieren, nicht verkehrt und führte zu einer Großchance von Marco Reus. Nur hatte sich der Gegner einerseits schnell daran gewöhnt und darauf eingestellt und führte andererseits im Anschluss nach dem einen dummen Fehler pro Saison von Emre Can relativ früh mit 1:0. Mit der Führung im Rücken konnte Leipzig es sich dann leisten, bei Ballbesitz Dortmund etwas tiefer zu stehen und uns die Räume zu nehmen. Borussia ließ es sich jedoch nicht nehmen, bis zum Ende der 90 Minute vornehmlich und immer verzweifelter mit langen Bällen zu arbeiten, die offenkundig nicht mehr zu einem Erfolg führten. Warum das so war, konnte man in den wenigen Situationen sehen, in denen man Ballbesitz am gegnerischen Strafraum hatte. Die Lauf- und Passwege wirkten komplett zufällig und unkoordiniert. In der Regel lief der ballführende Spieler erst einmal die Strafraumkante entlang, um sich einen Überblick zu verschaffen, wo sich mögliche Anspielstationen aufhalten könnten.
Irritierenderweise folgte kein Impuls von der Trainerbank. Bereits wenige Minuten nach Anpfiff der zweiten Halbzeit wurde klar, dass sich der Spielverlauf mit hilflosen Borussen und gnadenlos auf Konter lauernden Leipzigern nicht ändern würde – Marco Rose griff aber weder taktisch noch personell korrigierend ein. Erst nach dem 0:3 gab es eine zarte Änderung durch die Einwechselungen von Dahoud für Witsel und Malen für Wolf. Das sollte wohl etwas mehr Offensivkraft suggerieren, änderte aber nichts daran, dass sich die Fünferkette immer ratloser den Ball so lange quer passte, bis einer dann einen verzweifelten langen Ball wagte. Spielerische Ödnis, die von der Trainerbank bis zum Abpfiff in Kauf genommen wurde.
Nun spielen diverse Verletzungen und permanente Wechsel in der Startaufstellung sicherlich auch eine Rolle – andererseits hatte das Trainerteam nach dem Aus in den Pokalwettbewerben auch Zeit, sich ausschließlich auf den Ligabetrieb zu konzentrieren und deutlich mehr Trainingszeit durch den Wegfall von zusätzlichen Spielen unter der Woche. Ein Effekt, der besonders deutlich vor dem 2:5 gegen Leverkusen sichtbar wurde. Aufgrund einer Länderspielpause, die in Europa nicht belegt wurde, hatte man mit allen Spielern zwei Wochen Zeit, sich auf die Partie und den Gegner vorzubereiten. Das Ergebnis war so, als hätte man drei Stunden Zeit, seiner Liebsten ein romantisches Essen zu kochen und am Ende präsentiert man ihr versalzene und völlig labberige Spaghetti mit Ketchup. Was man in Brackel mit der massiven Vorbereitungszeit bis zum Spiel gegen die Pillen angestellt hat, ließ sich auf dem Spielfeld nicht erkennen.
Das alles ist sehr wohl das originäre Aufgabengebiet des Trainers und hier konnte Rose oft auf eklatante Art mit seiner Arbeit nicht überzeugen. Nein, die gefühlt schleichende Rückentwicklung des BVB in den letzten Jahren liegt sicherlich nicht nur an den verschiedenen Trainern – das heißt aber nicht, dass man Marco Rose von seiner Verantwortung freisprechen kann.