Das falsche Zeichen?
Das gestrige Youth-League-Spiel beim Sevilla FC war minutenlang unterbrochen. Die BVB-Verantwortlichen werfen den Gastgebern Rassismus vor. Weitergespielt wurde trotzdem.
Laut einem Bericht der Ruhr Nachrichten soll Abdoulaye Kamara von Sevilla-Spielern kurz vor Ende der ersten Halbzeit mehrfach rassistisch beleidigt worden sein, unter anderem mit Affenlauten und verächtlichen Gesten. Es kam zu einer Rudelbildung, die Partie wurde mehrere Minuten unterbrochen. Geahndet wurden die rassistischen Äußerungen nicht, nach Angaben des BVB habe der Schiedsrichter sie nicht mitbekommen. Den Ruhr Nachrichten sagte BVB-U19-Trainer Mike Tullberg: "In der Halbzeit haben wir gemeinsam mit den Jungs entschieden, weiterzuspielen." Die Begegnung endete 1:1.
Regelmäßig werden Spieler*innen im Junioren-, Amateur- und Profifußball Opfer rassistischer Diskriminierungen. Nicht immer erfahren sie Solidarität, zu oft kommen Täter*innen mit "War nicht so gemeint" oder "Das wurde falsch verstanden" davon. Auch auf die Rückendeckung von Nichtbetroffenen kommt es in diesen Fällen an. Es ist deshalb gut, dass der BVB den Vorfall klar benennt und verurteilt. "Das Ergebnis rückt heute in den Hintergrund, weil wir wieder hier stehen und über rassistische Äußerungen vom Gegner sprechen müssen", erklärte zum Beispiel Tullberg. Der Coach nahm auch Bezug auf das Pokalspiel bei Energie Cottbus im September, in dessen Verlauf BVB-Spieler ebenfalls rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen seien.
Aber reichen Worte in einem solchen Fall aus? Wäre es nicht das viel stärkere Zeichen gewesen, geschlossen den Platz zu verlassen? Wie die Ruhr Nachrichten berichten, habe es seitens des BVB durchaus entsprechende Überlegungen gegeben. Offenbar hat man sie verworfen.
Es gibt keine sportliche Antwort auf Rassismus
Wir wissen nicht, was in der Kabine gelaufen ist. Vielleicht war es der ausdrückliche Wunsch Kamaras, das Spiel fortzuführen. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn es ist diskutabel, Jugendliche, die in einem System aus Druck und ständiger Selektion groß geworden sind, solche Entscheidungen treffen zu lassen. Niemand von ihnen wird dabei ausblenden können, dass dies ihren Traum vom Profifußball beeinflussen kann. Immerhin reden wir bei der Youth League von einer großen Bühne.
Sollte nicht vielmehr der Verein die Entscheidung treffen, eine Partie abzubrechen, ungeachtet möglicher sportlicher Konsequenzen? Einerseits, um die Spieler zu schützen, andererseits, um zu vermitteln, dass ein Spiel, so wichtig es auch sei, niemals über bestimmten Werten stehen kann? Denn auch wenn die Vorstellung noch so verlockend ist: Es gibt keine sportliche Antwort auf Rassismus.
Diesmal beließ es der BVB dabei, im Nachhinein eine Beschwerde bei der UEFA einzulegen. Nachwuchsdirektor Lars Ricken fürchtet jedoch geringe Erfolgsaussichten und kündigte an: "Beim nächsten Vorfall verlassen wir den Platz, und zwar nicht beim dritten, sondern beim ersten Mal." Es wäre tatsächlich die richtige Antwort.