Am Ende haben alle Fans den gleichen Nenner: ein farbenfrohes Fußballfest.
Nach einer Pause geht es endlich mit unserer Serie zum Thema "Inklusion" weiter. Diesmal sprachen wir mit Florian Hansing vom Fanprojekt Dortmund.
Nachdem wir mit vielen Fans zum Thema "Inklusion" gesprochen haben und auch noch sprechen werden, wollen wir uns natürlich auch mit denen unterhalten, die mit den Fans arbeiten. Dabei beginnen wir heute mit dem Fanprojekt Dortmund. Der seit 2015 in Dortmund arbeitende Florian Hansing ist unser Gesprächspartner.
schwatzgelb.de: Das Thema der Serie lautet ja "Inklusion - Watt sachste da?". Wat sacht denn datt Fanprojekt zum Thema "Inklusion"?
Florian Hansing: Unter Inklusion verstehen wir die grundlegende Akzeptanz von Heterogenität und Vielfalt. Wir wollen Inklusion, soweit es die Rahmenbedingungen erlauben, in allen unseren Angeboten der Jugendarbeit umsetzen. Bei der Umsetzung stellt sich die Frage nach den jeweils vorhandenen örtlichen Ressourcen, Möglichkeiten sowie Grenzen bzw. Barrieren.
schwatzgelb.de: In eurer täglichen Arbeit habt Ihr es ja mit verschiedensten Gruppen zu tun. Gibt es da Unterschiede, wie Inklusion gelebt werden kann?
Florian: Fußballfans finden sich in allen sozialen Milieus, unter Menschen unterschiedlichstem Alter, unterschiedlichster Geschlechter, sexueller Orientierungen, Religionen und Herkünften. Dementsprechend versuchen wir, möglichst vielfältige Angebote für die unterschiedlichsten Gruppen anzubieten.
Florian: Grundsätzlich versuchen wir im Fanprojekt eine Willkommenskultur herzustellen, indem wir Mitarbeiter, ohne Vorurteile, alle Fans willkommen heißen und durch das Kennenlernen eine Art von Verständnis entwickeln können, um anschließend besser auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen eingehen zu können. Erst vor Ort oder aus den Gesprächen werden die Bedarfe sichtbar. Daraus entsteht dann im Team eine Selbstreflexion, um sich mit diesem Thema gemeinsam auseinanderzusetzen.
schwatzgelb.de: Wie geht Ihr damit um? Wo seht Ihr die größten Probleme?
Florian: Bei der Umsetzung stellt sich die Frage nach den jeweils vorhandenen örtlichen Ressourcen, Möglichkeiten sowie Grenzen bzw. Barrieren. Zu den Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Inklusionsprozess zählen wir barrierefreie Zugänge, passgenaue Angebote und Projekte, Verfügbarkeit entsprechender interner und externer Ressourcen, adäquate Kooperationsnetzwerke sowie die Sensibilisierung und Qualifikation der jeweiligen Mitarbeiter*innen
schwatzgelb.de: Wie macht Ihr es möglich, dass Eure Veranstaltungen alle Menschen inkludieren?
Florian: Durch die Einstellung von zwei neuen Mitarbeiterinnen hat sich das Fanprojekt im Sommer 2020 im Bereich der Genderarbeit neu aufgestellt. Mit Stella Schrey und Laura Brand wurden zwei weibliche Fachkräfte angestellt und verstärken seitdem das zuvor fast ausschließlich aus Männern bestehende Team des Fanprojekts. Dies schafft einen neuen und wichtigen Zugang zu der in großen Teilen männlichen Zielgruppe des Fanprojekts. Auch zielgerichtete Angebote für Frauen – beispielsweise ein Frauenstammtisch oder freizeitpädagogische und kulturelle Angebote wie Stand-Up-Paddling fahren oder Filmabende – konnten so nun durchgeführt werden.
Ebenfalls wurde im letzten Jahr in Kooperation mit dem DEAF BVB Fanclub e.V. und Borussia Dortmund ein erster Online-Gebärdensprachschnupperkursen für BVB-Fans durchgeführt. Die Kurse sollten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit geben, ein Verständnis für Personen mit einer Hörbehinderung zu entwickeln und erste Einblicke in die Gebärdensprache erhalten. Für die kommende Zeit sind weitere interne Kurse für Mitarbeiter des BVB und Fanprojekts in Planung.
Ein weiteres schönes Praxisbeispiel ist unter anderem auch die Bildungsreise nach Lublin und Oswiecim, die von Borussia Dortmund in Kooperation mit der BVB Fan- und Förderabteilung und uns regelmäßig Angeboten wird. 2019 wurde die Fahrt nach Oswiecim von „KickIn!“, der Beratungsstelle für Inklusion im Fußball, mit begleitet. Das Besondere an diesen Fahrten war zum einen die Altersstruktur der Mitfahrenden (zwischen 18 und 65 Jahren). Zum anderen die Tatsache, dass neben Ultras und aktiven Fans sehgeschädigte Fans (nach Lublin) sowie gehörlose Unterstützer des BVB (nach Oswiecim) teilgenommen haben.
Die Diversität der Teilnehmer*innen-Gruppe sowie die Schaffung von Begegnungen zwischen sehenden, hörenden, blinden und gehörlosen Fußballanhänger*innen trug darüber hinaus insbesondere bei nicht beeinträchtigten Teilnehmer*innen dazu bei, eigene Berührungsängste und Vorurteile zu reflektieren und abzubauen. Somit wurde in den beiden einwöchigen erinnerungspolitischen Bildungsreisen ein Verständnis für das jeweilige Gegenüber und die ganz praktische Realität von Vielfalt im eigenen Verein und Stadion gefördert.
Informationen zu Florian Hänsing:
Florian Hansing, 31 Jahre alt, Sozialarbeiter B.A. und zertifizierter Inklusions-Projektmanager seit 2015 beim Fanprojekt Dortmund e.V.. Hauptaufgabe ist die aufsuchende Sozialarbeit, Spieltagsbegleitung, Einzelfallhilfe, Praktikumsleiter sowie die Entwicklung von verschiedenen Projekten zu den Themen Teilhabe, Vielfallt, Gedenk- und Erinnerungsarbeiten.
schwatzgelb.de: Wenn Ihr Eure U-Fahrten veranstaltet, wie sorgt Ihr dort für Inklusion?
Florian: Bisher gab es in diesem Bereich wenig Berührungspunkte. In Zukunft wollen wir uns aber auch bei der U18-Arbeit besser aufstellen und arbeiten an neuen Konzepten, um uns auch hier möglichst breit aufzustellen, gerade mit Blick auf Genderarbeit, Behinderung und weitere heterogene Personen.
schwatzgelb.de: In welchem Teilbereich von Inklusion gibt es aus eurer Sicht unter den BVB-Fans den größten Nachholbedarf? Wie könnte man dem begegnen?
Florian: Wir finden, dass gerade der BVB sehr engagiert ist, den Inklusionsprozess im Stadion und außerhalb des Stadions voranzutreiben. Dies spiegelt sich in der Vielfalt der Angebote und im Eingehen auf die Bedürfnisse durch die Fanbeauftragten aber auch der CSR-Abteilung wieder. Sicherlich gibt es noch an einigen Stellen Verbesserungsbedarf. Solange sich aber alle unabhängigen Expert*innen, Institutionen und Fangruppen gesprächsbereit zeigen und die Leitidee der Inklusion hier einen wertvollen Ansatz für einen ganzheitlichen und notwendigen Prozess für mehr Vielfalt und Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen im Fußball liefert, können wir alle einen wichtigen Beitrag zur Wirkungsmessung selbiger leisten.