Eua Senf

Mein Problem mit dem „Haalandkult“

23.03.2022, 09:25 Uhr von:  Gastautor
Frontalbild Erling Haaland mit gehobener Hand

„Personenkult“ oder besser „Spielerkult“ gehört zum Fußball. Jeder Verein hat Legenden, die bis heute verehrt werden, die Großes geleistet oder sogar Großes gewonnen haben. Daneben gibt es Fanlieblinge, die in ihrer aktiven Zeit bereits besonders hofiert, bejubelt und verehrt werden. Seit einigen Monaten gehört Erling Haaland zu diesen Fanlieblingen. Zu unrecht.

Ich gebe zu: als Erling Haaland in Dortmund anfing Fußball zu spielen war ich, wie sicherlich alle Leser*innen, fasziniert und begeistert. Er spielt bereits auf Weltklasse-Niveau, schießt wichtige Tore, hat Ehrgeiz und wirkte auch neben dem Platz bodenständig und oft nicht so aalglatt wie viele seiner Kollegen.

Als die ersten Wechselgesänge mit „Erling! Haaland!“ anfingen war auch ich begeisterter Teilnehmer. Oft kamen diese auf, wenn er mal wieder doppelt oder dreifach traf und uns zum Sieg führte. Auch das „Ööörling! Haaland!“ von Nobby brüllte ich freudig mit.

Haaland beim Spiel gegen die SpVgg Fürth

Dann ist aber etwas passiert, was nicht passieren darf. Er wurde Mittelpunkt des Vereins. Borussia Dortmund war nicht mehr als der aktuelle Arbeitgeber von Erling Haaland, dem zukünftig besten Stürmer der Welt. Auch wir Fans fielen in Teilen diesem Kult zum Opfer und sahen Spiele ohne Haaland bereits als so gut wie verloren an. Kinder mit „Haaland, can I have your Jersey?“ plakatieren die Seiten fast mehr als die Blockfahnen (generell ein Trend, der missfällt, aber ein Thema für einen eigenen Artikel).

Die Wechselgerüchte um Haaland kamen praktisch mit dem Wechsel über uns. Wir sind es gewohnt, dass wir Durchlauferhitzer für Supertalente sind, die den Höhepunkt ihrer Karriere woanders suchen, aber diese Nummer war größer. Lange wurden die Gerüchte gewohnt solide weggelächelt von Aki und Susi. Bis zu diesem einen Interview, in dem Haaland zeigt, dass er es nicht verdient hat Wechselgesänge zu bekommen (inzwischen ja schon beim Warmmachen!). Er unterstellte dem BVB ihm Druck zu machen bezüglich Klarheit zu einem möglichen Wechsel, er wolle doch nur Fußball spielen.

Mit diesem Interview wandelte sich mein Blick und ich erkannte alle Faktoren, die ich oben beschrieben habe: Haaland war zu einer One-Man-Show unseres Vereins geworden. Und ab dann wurde es nervig. Gerüchte hier, Gerüchte da. Haalands Vater reist ziemlich offensichtlich durch die Weltgeschichte, um den perfekten Nachfolgeverein zu finden. Und der BVB? Aki soll Haaland ein prächtiges Angebot gemacht haben, trotz der Coronamiese. Natürlich war er für den BVB nicht zu halten, aber man wollte es sicher probiert haben.

Haaland nach dem Spiel gegen den SC Freiburg

Ich finde den Fokus des Vereins auf Haaland befremdlich und er zeugt von Fehlentwicklungen, die unseren Verein betreffen. Für einen Spieler werden Grundsätze über Bord geworfen, in diesem Fall der Verzicht auf Gehälter auf Niveau englischer Vereine.

Und wir Fans? Wir haben auch unsere Schuld daran. Wir haben praktisch Haalands Sänfte getragen, statt Spielern wie Marco Reus, der völlig zu Unrecht, viel zu oft scharf von den eigenen Fans kritisiert wird, diese Würdigung zu geben. Reus wäre ein Kandidat für einen Wechselgesang oder ein „Fußballgott“ bei Ausrufung seines Namens. Jude Bellingham arbeitet auch durch seine sympathische Art an seinem Fanlieblingdasein, steht aber medial nicht so im Fokus.

Ich bin genervt von der Haaland-Sache und tatsächlich froh, wenn Haaland den Verein verlässt. Sportlich ein Verlust, der nie und nimmer von einem neuen Spieler zu kompensieren ist. Aber von einem guten Team vielleicht?

23.03.2022, Jannik

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