Wer den Fußball tötet
Bei der Reform zur UEFA Champions-League sind nur noch Detailfragen zu klären, da machen sich die europäischen Vereine bereits daran, auch Financial Fairplay im Handstreich zu kippen. Die Pandemie wird genutzt, um den Profifußball endgültig zu transformieren.
In fast allen europäischen Ländern sind die Tribünen leer, oder zumindest nur spärlich besetzt und die alten Strukturen außer Kraft gesetzt. Wirklich traurig, diese leeren Sitzschalen. Zumindest erklären das Funktionäre durch die Bank in salbungsvollen Worten. Komplett vor den Kopf stoßen, will man der Kundschaft schließlich nicht. Wenn die Botschaft, dass die Fans doch die Seele des Spiels seien und ach so fehlen, dann noch im Rahmen eines schmuddeligen Werbefilmchens von Sponsoren quasi kostenlos verteilt wird, umso besser. Was aber tatsächlich beim Kontinental- und den Landesverbänden passiert, das ist nichts anderes als – verzeiht die Wortwahl – eine verlogene Scheiße und das Vergießen von Krokodilstränen.
Tatsächlich wird diese Pause, in der man keinerlei Unmutsäußerungen und Proteste auf den Rängen fürchten muss und Menschenansammlung generell kaum genehmigt werden, genutzt, um den Fußball endgültig in eine Entertainmentrummelbude zu transformieren. Alles natürlich im Sinne der Fans, die das große Spektakel wollen. Dass es von Fanseite, zumindest in Deutschland, nahezu überhaupt keine Zustimmung zu all den Änderungen, die in den nächsten Tagen verabschiedet werden, gibt, wird schlichtweg nicht beachtet.
Zu der bereits mehrfach erwähnten Reform der Champions-League, bei der nur noch Detailfragen zu klären sind und die nur noch einen kleinen Zwischenschritt zur sportlich entwerteten Super-League darstellt, veröffentlichte der Kicker jetzt aktuelle Pläne zur „Deregulierung von Financial Fairplay“. Im Kern ist diese Deregulierung nichts weiter als die endgültige Abschaffung einer Regelung, die eh schon in den Fällen Paris St. Germain und Manchester City in den letzten Jahren sturmreif geschossen wurde, aber zumindest teilweise verhindert hat, dass Investoren und externe Geldgeber all zu exzessiv ihre Gelder in die Klubs geblasen haben und somit für ein Mindestmaß an finanzieller Stabilität garantiert hat.
Der Zugang dieser Investorengelder soll nach Willen von ECA-Cheftotengräber Andrea Agnelli jetzt vollständig „liberalisiert“ werden. Ganz davon abgesehen, dass es gute Gründe für eine derartige Regulierung gibt, nämlich die Verhinderung eines noch stärkeren Finanzgefälles zwischen Reich und nicht so ganz reich und dem Schutz der Vereine vor einer zu großen Abhängigkeit durch externe Sugardaddies, zeigt es auch sehr eindrucksvoll wie verlogen diese aktuelle Scheindebatte um die Menschenrechtssituation im WM-Gastgeberland Katar ist. Während man auf der einen Seite den positiven Einfluss des Fußballs beschwört, macht man sich parallel noch attraktiver dafür, von Unrechtsstaaten und Handlangergesellschaften diktatorischer Schurken als Marketinginstrument in die Kiste gezogen zu werden. Wo das Geld herkommt und unter welchen Bedingungen es erwirtschaftet wird, ist den ebenso autokratischen Gesinnungsgenossen in den Vorstandsetagen der Clubs und Verbänden schon lange egal.
Die Reaktion der deutschen Vereine in dieser Causa ist ziemlich berechenbar. Natürlich wird man sich öffentlich dagegen positionieren und sich, wie vor kurzem erst im Task Förcechen vereinbart, zu 50+1 bekennen. Hinter verschlossenen Türen werden viele Vereine aber froh sein, ein weiteres und sehr starkes Argument dafür zu bekommen, diese deutsche Regelung endgültig abzuschaffen. Ziemlich schnell wird man darauf verweisen, dass die Bundesliga unter diesen Rahmenbedingungen endgültig nicht mehr wettbewerbsfähig sein wird und man – leider, leider – dieser Entwicklung wird Rechnung tragen müssen.
Der Tag, an dem die Stadiontore für alle wieder vollständig geöffnet sein werden, sollte eigentlich ein Festtag für alle Fans sein. Stattdessen verlangt er eher nach gesenkten Fahnen und andächtiger Stille. Die Pandemie wurde von den Entscheidern genutzt, dem Profifußball, der eh schon lange auf der Intensivstation liegt, endgültig dem Stecker zu ziehen. Was man übrig gelassen hat, ist ein seelenloser Zombie im Paillettenkostüm. Eine Simulation eines sportlichen Wettkampfes zum Zwecke der Geldbeschaffung. Und es ist unendlich bitter, dass man als Fan diesem an sich fantastischen Sport genau dort nur noch mit Abscheu begegnen kann, wo er eigentlich am meisten strahlen sollte.