Von Kalle Rummenigge und anderen Hornochsen
Fußballer bevorzugt impfen und Nachtflugverbot als unmenschliche Behandlung. Man fragt sich, auf welchem Planeten Karl-Heinz Rummenigge mittlerweile lebt.
Ok, die Erwartungen an eine wirkliche Änderung, ein Umdenken im Selbstverständnis des Profifußballs, die mit blumigen Worten zu Beginn der Pandemie in Deutschland beschworen wurden, waren ja von Anfang an eher überschaubar. Um zu glauben, dass sich eine Branche, deren Spitze es mittlerweile gewohnt ist, an den Tafeln der Reichen und Mächtigen zu sitzen, auf einmal in Demut und Bescheidenheit üben würde, hätte es einer gehörigen Extraportion Naivität bedurft. Mit welcher Hybris jetzt Karl-Heinz Rummenigge von Branchenprimus Bayern München aber wieder munter Sonderbehandlungen verlangt, erstaunt dann doch.
Satte sieben Stunden mussten die Spieler der Bayern im Anschluss an das Auswärtsspiel in Berlin warten, bis sie zur Sinnlos-Club-WM starten durften. Grund war eine um drei Minuten zu spät beantragte Starterlaubnis, so dass das ab 0:00 Uhr gültige Nachtflugverbot griff. Nervig, ja klar. Aber letztendlich auch nicht viel mehr als ein Hauch von der Normalität vieler Ferienflieger, die auf dem Heimweg auch gerne mal auf Ladebahnen in der Pampa umgeleitet werden, weil sie auf dem Zielflughafen nicht mehr einfliegen dürfen. So ist eben die gültige Gesetzgebung. Die allerdings nach dem Selbstverständnis von Rummenigge und Hoeneß für den Fußball nicht gilt. Mit der Erklärung, man würde ja Deutschland vertreten, schoben sie ihre Teilnahme an diesem belanglosen Turnier in den Rang einer diplomatischen Mission, die ja wohl Sonderrechte genieße.
Der Schwachsinn gipfelte dann in der Aussage, dass der Verantwortliche ja gar nicht wisse, was er der Mannschaft damit „antue“ (!). Hallo, Kalle... ist da noch irgendwo Leben zwischen den Ohren? Man muss nicht einmal die aktuelle Pandemiesituation und das massiv eingeschränkte Leben von Millionen Menschen anführen, es reicht schon ein Hinweis darauf, wohin man gerade fliegen wollte. Nach Katar. Noch immer sterben dort ausgebeutete Wanderarbeiter, noch immer wird dort Homosexualität mit Gefängnis bestraft, noch immer werden dort Frauen diskriminiert und noch immer unterliegt der Zugang zum Internet der Zensur. Das alles geschieht im Land des Werbepartners der Bayern. Vermutlich gibt es viele Menschen in diesem Land, die sich so ein, zwei schlimmere Dinge vorstellen können, als sieben Stunden in der ersten Klasse auf den Abflug zu warten.
Und wo er gerade so munter beim Schwachsinnieren ist, fordert... nein, er fordert überhaupt nichts. Aber es wäre doch wirklich sinnvoll, wenn Profifußballer vor allen Ottonormalbürgern geimpft werden würden. Als leuchtendes Beispiel, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. Der Umstand, dass mit Martinez und Goretzka aktuell zwei Bayernspieler wegen eines positiven Covid-19-Befundes nicht einsatzbereit sind und eine „dritte Welle“ mit ihren Mutationen den Spielbetrieb wieder gefährden würde, hat damit natürlich nichts zu tun. Man will Vorbild sein im Kampf gegen Corona. Diese alberne Darstellung ist zum Brüllen komisch. Das vorbildliche Verhalten des Profifußballs äußert sich wie folgt:
Die Spieler sehen auf dem Kopf weiterhin wie frisch dem Herrenmagazin entsprungen aus. Eigentlich eine ziemliche Lappalie, dass man sich offenkundig weiterhin seinen Lieblingsfriseur nach Hause bestellt – aber da draußen gibt es tausende Friseurbetriebe, die ganz hart an der Pleite stehen, weil sie sich eben an die Bestimmungen halten.
Erinnert sich eigentlich noch jemand über die Empörung nach Kalous Video aus der Kabine der Hertha, weil er Mitspielern die Hand geschüttelt hat? Mittlerweile purzelt man bei Toren wieder munter übereinander, knutscht sich und pflegt intensiven Körperkontakt. Außerhalb der Fußballblase hat man das letzte Mal vor knapp einem Jahr einem Menschen, der nicht zur Familie gehört, auch nur die Hand gegeben.
In der Champions-League planen die deutschen Vertreter gerade wahnwitzige Touren durch Europa auf der Suche nach dem Land mit den bequemsten Einreisebestimmungen, um dort die mächtig wichtigen Champions-League-Spiele doch noch austragen zu können. Vermutlich, um für uns alle eine Licht der Hoffnung in dieser schweren Zeit zu sein. Geld spielt dabei natürlich überhaupt keine Rolle. Und so trifft man in Ländern, die eine deutlich höhere Inzidenzzahl als Deutschland aufweisen, auf britische Teams, denen aufgrund einer gefährlichen Mutation die Einreise nach Deutschland untersagt ist.
Und nicht zuletzt sind da Hirnakrobaten wie der Gladbacher Breel Embolo, der mal so ganz gepflegt auf alle Kontaktbeschränkungen einen Haufen setzt und sich dann mit einer haarsträubenden Geschichte rausreden will. Vermutlich ist er nicht der einzige Profi, sondern nur der, der dumm genug war, sich erwischen zu lassen. Sein Verein hat dann auch hart durchgegriffen und ihn direkt wieder auf den Platz geschickt.
So vorbildlich präsentiert sich „der Profifußball“ im Zusammenhang mit Covid-19. Er wird mit Sonderrechten ausgestattet und darf sich ein Verhalten erlauben, für das der Normalbürger mit Bußgeldbescheiden überhäuft würde, die er bis Lebensende abbezahlen müsste. Und das ist noch nicht genug? Ja, in diesem Fall ist es nur Karl-Heinz Rummenigge, der sich mal wieder lautstark aus dem Land des Irrsinns gemeldet hat, aber die Branche lässt ihn auch permanent als Lautsprecher gewähren. Hier kann man den Ball des immer wieder bei den Fans geforderten „Distanzierens“ mal zurückspielen. Ansonsten müssen sie sich nicht wundern, wenn er als oberster Repräsentant der Profivereine wahrgenommen wird.
Das ist also aus der neuen Bescheidenheit im Fußball geworden. Es werden immer wieder neue Sonderbehandlungen eingefordert und man bekommt den Hals nicht voll von Privilegien. Kein Wunder, wenn die Vorstellung immer verlockender wird, dass er daran ersticken möge.