Freischaltung der Sitzplatzdauerkarten - Ja, is denn heut scho Vollauslastung?
Viele Inhaber einer Stehplatz-Dauerkarte haben in den letzten beiden Tagen Post vom BVB erhalten, in dem sie informiert wurden, dass die Sitzplatzdauerkarten zum 04.12. wieder aktiviert werden können. Dass man diese Information zuerst an die Besitzer der Stehplatzkarten verschickt und erst später an die, die es wirklich betrifft, ist nur eine der Merkwürdigkeiten an dieser Aktion.
In diesem Schreiben musste es einem nämlich Angst und Bange werden, was die finanzielle Situation von Borussia Dortmund angeht. Anscheinend wurde dort bereits vor mehreren Tagen der Strom abgestellt, so dass man am Rheinlanddamm von allen Informationswegen abgeschnitten ist. Wie sonst lassen sich Sätze wie diese erklären?
„Im Vordergrund steht die positive Annahme, dass die aktuellen behördlichen Regelungen von einer gewissen Dauer zu sein scheinen […]“
„In diesem Bereich sind wir also schon zu einer Normalität zurückgekehrt […“
„Unser gemeinsames Ziel muss es doch sein, so viele BVB-Fans wie möglich im Stadion zu haben.“
Die Normalität besteht aktuell in rapide steigenden Inzidenzzahlen, einem drohenden Kollaps der Intensivkapazitäten, in Überlegungen der Ministerpräsidenten, den Maßnahmenkatalog wieder deutlich zu verschärfen und dem Aufruf vieler Wissenschaftler, Kontakte wieder zu reduzieren.
Würde es sich nicht um ein im wahrsten Sinne des Wortes todernstes Thema handeln, man könnte über dieses unfreiwillig komische Schreibe herzhaft lachen.
Mittlerweile hat der BVB auch auf seiner Homepage die Inhaber der Sitzplatzdauerkarten informiert, dass die Möglichkeit besteht, die Dauerkarte wieder zum 04.12. zu aktivieren. Für diejenigen, die das nicht möchten, wird die Karte zur neuen Saison reserviert, bis dahin gehen die Plätze in den Verkauf der Tageskarten.
Ganz davon abgesehen, dass das zum jetzigen Zeitpunkt ein mehr als zweifelhaftes Signal darstellt, bricht der BVB damit mit seiner noch in den Versandpapieren der Dauerkarten gemachten Zusage, dass sie erst aktiviert wird, wenn die volle Kapazität von 81.365 Fans erlaubt ist. Das war ebenfalls die Darstellung zu der Zeit, als viele dem BVB ein zinsloses Darlehen in der Form gewährt haben, dass man auf sofortige Rückzahlung des Guthabens aus der Saison 2019/2020 verzichtet hat.
Begründet wird das unter anderem mit dem vielfach gewünschten Komfort, auf die vielzähligen Einzelkaufvorgänge zu verzichten. Durchaus ein verständlicher Punkt, der aber auch so einfach zu befriedigen gewesen wäre, wenn man diesen Leuten anbietet, die Dauerkarte generell zu aktivieren und bei allen übrigen wie bislang verfährt. So hat man nur die Wahl, die Dauerkarte jetzt abzunehmen, oder erst wieder zur neuen Saison. Für diejenigen, die ihre Dauerkarte schon jetzt aktivieren, besteht die Möglichkeit, ihre Karte bei Nichtbenutzung im Zweitmarkt einzustellen. Gleichzeitig gilt in dieser Saison die No-Show-Regelung nicht.
Auf den ersten Blick eine faire Lösung. Aber so leicht wird es nicht sein, seine nicht benötigte Karte auf dem Zweitmarkt zu veräußern. Die letzten Spiele haben gezeigt, dass der BVB selber seine liebe Müh’ und Not hat, die regulären Tageskarten an den Kunden zu bringen. Wer in den nächsten Wochen coronabedingt entweder auf den Stadionbesuch verzichten möchte (oder es gar auf behördliche Anweisung hin nicht darf), wird oft auf seinem Eintrittsgeld sitzen bleiben.
Die bisherige Darstellung des BVB musste man so verstehen, dass die Dauerkarte wieder aktiviert wird, sobald die pandemische Lage wieder rapellvolle Stadien erlaubt, mithin keine signifikante Gefährdung mehr bei Großveranstaltungen besteht.
Der Fan muss sich jetzt jedoch entscheiden, ob er bis zum Ende der Saison sicher dabei sein möchte, oder erst wieder in der neuen Spielzeit einen garantierten Platz haben will. Das ist ein gravierender Unterschied zur ursprünglich kommunizierten Version, da viele Fans bis jetzt wieder ins Stadion gegangen sind und das mit Sicherheit wieder tun wollen, wenn die Situation wieder entspannter ist. Um das sicher zu können, bleibt ihnen nur übrig, die DK zu aktivieren und sehr wahrscheinlich Eintrittsgeld umsonst zu zahlen. Ansonsten muss er sich in Zukunft im Mitgliedervorverkauf Tagestickets zum höheren Preis in anderen Tribünenbereichen bemühen. Durch den Verzicht auf eine sofortige Aktivierung wird derjenige also signifikant schlechter gestellt als beim jetzigen Verfahren.
Warum der BVB so verfährt, dürfte ziemlich offensichtlich sein. Es ist eben nicht mehr so, dass die Fans schon ins Stadion strömen, nur weil der Platzwart das Licht anstellt. Viele Leute kommen, weil sie den Eintritt eh schon bezahlt haben, bzw. sie tun es jetzt nicht mehr, weil sie ihn noch nicht bezahlt haben. Gegen die Bayern wird das selbstredend kein Problem, aber schon das Heimspiel unter der Woche gegen Fürth hat Potenzial, die dürftige Anzahl von Besuchern im Pokalspiel gegen Ingolstadt noch zu unterbieten. Verkaufte Dauerkarten können da schon Linderung bringen.
Das ist verständlich – aber es macht es immer noch nicht legitim, dass der BVB die selbst aufgestellten Regelungen zu seinen Gunsten ändert. Zu einem ordentlichen Geschäftsgebaren gehört auch, dass man zu seinem Wort steht.