Ein Spieltag im Jahr 2037
Binnen Kürze wird es Gewissheit werden. Die Champions-League wird refomiert und immer mehr zu einem Ligensystem ausgebaut. Man muss schon sehr naiv sein, wenn man das nicht nur als weiteren Zwischenschritt zu einer glamourösen Superliga und verödeten Nationalligen wahrnimmt. Ein Blick in die Zukunft.
Wir schreiben den 31. Spieltag der Pro A Liga national Deutschland. In dem zu einem für 15.000 Zuschauer umgebauten Multifunktionsschmuckkästchen Stadion Rote Erde wird an diesem Samstag um 15.30 Uhr das Spitzenspiel zwischen den zweiten Mannschaften des BVB und des FC Bayern München stattfinden.
Seinen besonderen Reiz bekommt dieses Spiel dadurch, dass auf Seiten der Bayern der 17-jährige Nachwuchsstar Colin McDonald nach seinem 4-monatigen Ausfall wegen eines Anrisses der Achillessehne sein Comeback wagt, während bei Borussia Dortmund die beiden Altstars Daniel Lauchweg und Brian van de Loop nach ihren Rücktritten aus der ersten Mannschaft die Korsettstangen bilden. Beide Spieler sind zwar schon 37 Jahre alt, bringen aber immer noch eine für das Niveau der Pro A Liga selten zu sehende Qualität auf den Rasen.
Für viele Fans eine seltene Gelegenheit, echten Stars so nah zu kommen, wie an diesem warmen Samstag im Mai. Sogar der Gästeblock ist gut gefüllt und der bayrische Anhang genießt es sichtlich, dem alten Ritual einer gepflegten Auswärtstour zu fröhnen. Das Ganze sogar zu erschwinglichen Eintrittspreisen, nachdem der BVB und der FCB beschlossen haben, ihren Anhängern eine preisgünstige Alternative zum Hochglanzprodukt der ersten Mannschaften anzubieten. Natürlich wehen im Block bei weitem nicht mehr so viele bunte Schwenkfahnen wie früher, bevor die intakten und lebendigen Auswärtsfahrerszenen zusammengebrochen sind.
Früher. Das war spätestens 2033 der Fall, nachdem sich die beiden Vereine nach dem kurzen Zwischenspiel einer Champions-League mit dem „Schweizer Modell“ endgültig in die eigene Super-Liga verabschiedet haben und die hochgezüchteten A-Kader Samstags nur noch in Madrid und London aufliefen, statt in Mainz und Gladbach. Den finanziellen Aufwand, jedes zweite Wochenende durch Europa zu fliegen, und dann sündhaft teure Tickets kaufen zu müssen, konnte sich ganz schnell niemand mehr leisten. Für die Vereine eine willkommene Gelegenheit, die Auswärtsbereiche schnell komplett in die deutlich teureren Heimkontingente einzugliedern. Von den aberwitzigen, für den amerikanischen und asiatischen Markt optimierten, Anstoßzeiten, die jede Tour zu einer logistischen Meisterleistung machen, noch ganz abgesehen.
So stehen die versprengten Reste jetzt eben bei den Fahrten ihrer B-Teams in der unterklassigen Bundesliga zusammen und ärgern sich immer noch darüber, wie sie nur so dumm sein konnten, den Beteuerungen der Klubbosse zu glauben, dass diese modifizierte Champions-League tatsächlich die Superliga verhindern würde. Letztendlich war es nur die altbekannte Salamitaktik, mit der der Fußball den immer weiter steigenden Geldbedarf decken wollte. Es hat dann auch niemanden mehr überrascht, dass bereits drei Jahre nach der Einführung in eine europäische Superliga Stimmen in den Vereinen laut wurden, dass man diesem „wundervollen Sport“ eine viel größere, weltweite Bühne bieten müsse und Investoren bereits Interesse bekunden würden, eine echte Weltliga zu finanzieren.
Aber diese Gedanken sind gerade irgendwie fern, während der Schiedsrichter auf dem Rasen die Partie zwischen den beiden „Zwoten“ anpfeift. Es ist einfach schön, bei diesem tollen Wetter ein Spiel ohne sportlichen Druck zu verfolgen. Natürlich, es geht um den Titel, aber letztendlich könnte es jeder verschmerzen, weil es eben nur die nationale Meisterschaft ist und die hat schon lange nicht mehr den Stellenwert wie früher. Auf den anderen Plätzen in Leverkusen, Leipzig und Gladbach schaut man da schon genauer hin. Ein Unentscheiden in diesem Kick lässt für diese Teams noch eigene Hoffnungen auf die Schale und somit wichtige Punkte für die Fünfjahreswertung. Die Mannschaft mit dem höchsten Koeffizienten qualifiziert sich schließlich für den Champions-Qualifiers-Cup, bei dem die vier großen Ligen einen Teilnehmer für einen Platz in einem Qualifikationsspiel gegen den Letzten der Fünfjahreswertung der Super-League ausspielen. Der Sieger bleibt in der Super-League, beziehungsweise steigt auf. Natürlich sind die Chancen des nationalen Vertreters äußerst gering, weil der Etat des Super-League-Vertreters fast fünf Mal so hoch wie der seines Kontrahenten, aber es ist die einzige Hoffnung der nationalen Ligabetrieb verbliebenen Vereine auf einen Aufstieg und Spiele gegen Real Madrid, Juventus Turin und Manchester United.
Auf dem Platz lässt Colin McDonald gerade elegant Daniel Lauchweg aussteigen und hebt den Ball gekonnt über den Keeper hinweg ins lange Eck. Schade, dass man diese Spieler heutzutage nur noch am TV bestaunen kann.
Ist dieser Text eine Dystopie? Nein, eher ein relativ realistischer Blick in die Zukunft, gewonnen aus den Erkenntnissen der Vergangenheit. Die Androhung einer „Superliga“ ist seit vielen Jahren ein Instrument der europäischen Topclubs, den Wettbewerb und die Einnahmenverteilung zu ihren Gunsten zu manipulieren. Mit der bald höchstwahrscheinlich für 2024 beschlossenen Reform hat man dann vorerst fast das mit dieser Drohkulisse maximal Abpressbare erreicht. Natürlich wird der Profifußball mit dem dann erreichten Status Quo nicht zufrieden sein und es bleibt nur der Schritt in einen echten, eigenen Spielbetrieb, der von den nationalen Ligen abgekoppelt ist. Die nationalen Ligen werden qualitativ und finanziell verkümmern.
Wer da noch irgendeinem Entscheider glaubt, wenn er über das Aufhalten von Entwicklungen und der Bedeutung des nationalen Fußballs redet, ist eben selber schuld und darf später nicht überrascht sein. Viel Spaß bei der Zwoten.