Die Super League ist tot – es sterbe die Champions League
Die Ankündung der 12 Vereine, eine Super League zu gründen, war ebenso spektakulär wie das krachende Scheitern dieser Pläne. Also alles gut und der Fußball ist gerettet? Kein Stück.
Eine ereignisreiche Woche liegt hinter uns, in der 12 Topvereine im Handstreich die Gründung einer Superliga verkündeten, was umgehend in einen so nicht für möglich gehaltenen Kleinkrieg mit der UEFA ausartete, an dessen Ende die Fußballclubs rund um die Rädelsführer Agnelli und Perez ihre hochtrabenden Pläne begraben mussten. Als Fan erlebte man das, neben allem Entsetzen rund um die Vorstellung einer Super League, mit einer Mischung aus Faszination und Belustigung. Nachdem man jahrelang in einem Rückzugsgefecht gegen die geldgierigen Vertreter des Profifußballs Stück für Stück liebgewonnene Traditionen und Rechte aufgeben musste, kassierten diesmal die „Big Player“ gepflegt aufs Maul. Das Mitleid dafür bewegt sich noch unterhalb des Punktestandes unserer blauen, zweitklassigen Nachbarn.
Aber wie immer, wenn die Schlacht vorbei ist, werden die Toten gezählt und in Sieger und Besiegte aufgeteilt. Diese Frage ist aber nur auf den ersten Blick leicht beantwortet. Natürlich ist das „dreckige Dutzend“ mit ihrem Versuch krachend gescheitert, die UEFA hat sich erstmal durchgesetzt. Möglich war das nur, weil sich nahezu alle Fans so deutlich und ablehnend gegenüber der Super League positionierten, dass selbst die Hochpolitik bis hinauf zu den Staatschefs Boris Johnson und Emmanuel Macron einschalteten. Die englischen Fans standen vor den Stadien und machten ihrem Unmut in deutlichen Protestbannern Luft. Also klarer Sieg für die Fans?
Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer?
Nein, als wirkliche Gewinner darf sich nur die UEFA fühlen, wir Fans waren eher das nützliche Werkzeug, der Hebel, den es brauchte, um das neue System schnell aus den Angeln zu heben. Es war geradezu „zynisch“, um die gleichen Worte wie UEFA-Chef Čeferin zu wählen, wie sich der Verband zum Bewahrer des Fußballs und Streiter für das Gute stilisierte und so tat, als würden die Topclubs etwas völlig Ungehöriges inszenieren. Dabei hat man seit vielen Jahren gemeinsam mit den Vereinen daran gearbeitet, dass kleine Ligen ganz abgehängt werden, die großen Ligen Stück für Stück veröden und sportlicher Wettbewerb zugunsten von finanzieller Sicherheit aufgeweicht wird. Und um das Bild komplett zu machen: auch die beiden deutschen Vertreter, der FC Bayern München und unsere Borussia, haben daran tatkräftig mitgewirkt. Der BVB hat im Nachgang des Gewinns der Champions League 1997 als Teil der sogenannten „G14“ massiv mit daraufhin gewirkt, dass die Königsklasse so langweilig auf der einen und so einträglich auf der anderen Seite gestaltet wird, wie sie heute ist. Zudem zeugt die demonstrierte Einigkeit zwischen Bayerns Rummenigge und Hans-Joachim Watzke sehr deutlich, wie konzertiert man wohl vorgeht, wenn es um die Verteilung der Gelder innerhalb der DFL geht.
Wie wichtig ein „traditioneller Wettbewerb“ der UEFA tatsächlich ist, kann man aus der direkten Reaktion des Verbandes ablesen. Zuerst einmal wurde die bereits bekannte „Reform“ der Champions League ratifiziert, die mehr Teilnehmer und mehr garantierte Ligaspiele bedeutet und zwei Vereinen, die die Qualifikation eigentlich verpasst haben, die Teilnahme über eine Jahreswertung ermöglicht. Parallel verhandelt die UEFA, ebenso wie die Superligisten, mit Investoren über ein milliardenschweres Paket, das – da muss man nun wirklich kein Hellseher sein – in der Folge auf ein ähnliches System wie die Super League hinausläuft. Der UEFA hatte nie ein Problem mit dem System eines elitären Ligabetriebs mit fest qualifizierten Bling-Bling-Clubs. Nur damit, dass sie nicht de Empfänger des Geldes gewesen wäre. Ebenso werden auch die Herren Rummenigge und Watzke nicht grundsätzlich abgeneigt über einen Spielbetrieb sein, der die bisherigen Einnahmen verdoppelt oder verdreifacht, so lange er unter dem Dach der UEFA stattfindet und somit negative Folgen für die Teilnahme an der Bundesliga ausgeschlossen sind. Ihnen wird bewusst gewesen sein, dass das massivste Fanproteste zur Folge gehabt hätte.
Wir Fans haben eine Macht und ein Bewusstsein für den Sport gezeigt, die die Großkopferten in den Elfenbeintürmen der Vorstandsbüros wirklich überrascht hat. Die Reaktion dürfte deutlich anders ausgefallen sein, als es Marktforschungsumfragen und Erfahrungen aus amerikanischen Profiligen es hätten vermuten lassen. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir uns nicht kleinreden sollen. Gleichzeitig verlieren wir, weil unsere Vorstellung eines fairen, spannenden und lebendigen Fußballs auf jeden Fall weiter zerstört wird. Ob Real Madrid, Juventus Turin und Co. jetzt die letzten Nägel in den Sarg schlagen, oder ob das in der UEFA-Zentrale in Nyon passiert, ist unterm Strich vollkommen egal.
Das nächste Ziel muss die UEFA sein
Die UEFA ist nicht unser Freund. Ihre Vertreter sind nicht die Guten, die auf Seiten des Fußballs stehen. Wir Fans sollten den Schwung der letzten Tage weitertragen und unseren Protest nun gegen die Verbände richten. Real Madrids Florentino Pérez hat in den letzten zwei Tagen zwar einen Haufen hanebüchenen Unsinn erzählt, in einigen Punkten hatte er jedoch auch Recht. Viele Spiele der Gruppenphase der Champions League sind uninteressant. Entweder, weil sportliche Entscheidungen schon längst gefallen sind, oder weil das Kräfteverhältnis der beiden Mannschaften so wahnwitzig ungleich ist, als ob ein Fünfjähriger mit einem Profiboxer in den Ring steigt. Und natürlich ist der Profifußball auf dem besten Wege dahin, nicht mehr finanzierbar zu sein, bzw. ist es schon längst nicht mehr. Es steht alles auf den wackeligen Beinen eines Schneeballsystems, bei dem irrsinnige Ablösesummen per Ratenzahlung in die Zukunft geschoben werden, in der Hoffnung, dass andere Vereine ihrerseits Raten pünktlich zahlen.
Genauso wahnwitzig wie gewohnt ist nur Pérez‘ Folgerung daraus: dann braucht der Fußball eben mehr Geld. Nein, braucht er nicht. Er braucht weniger Geld und kann damit auch ohne Qualitätsverlust sehr gut leben. Stadien, Infrastruktur etc. könnte der Fußball auch mit z.B. 10 % oder 20 % geringeren Einnahmen locker stemmen, wenn die Spirale bei den Transfersummen und den Gehältern nur ein bisschen zurückgeschraubt wird. Dann befindet sich das immer noch auf einem Niveau, auf dem alle Beteiligten mehr als außerordentlich gut verdienen. Mehr Geld erhöht die Qualität kein Stück, sie erhöht nur die Summen, die hin und her geschoben werden und am Ende auf diversen Privatkonten versickern.
Das gesparte Geld könnte man dann so umverteilen, dass die finanzielle Schere wieder etwas zusammengeht und der Wettbewerb gestärkt wird. Er wird spannender, je größer die Ungewissheit ist, wie das Spiel ausgeht und das nicht nur, wenn die Elite untereinander antritt. An dieser Stelle haben wir Fans auch einfach Solidarität zu zeigen. Ein Spiel eines großen Clubs gegen einen kleinen bringt Fans auf beiden Seiten nichts, wenn es von Anfang an nur um die Höhe des Sieges geht.
Die Super League zu bekämpfen war gut und richtig, aber das reicht nicht. Das nächste Ziel heißt, eine wirkliche und sinnvolle Reformierung der Champions League einzufordern und der UEFA zu bedeuten, dass man die Macht der Tribüne auch ganz schnell gegen sie richten kann. Erst dann dürfen wir uns wirklich als Gewinner fühlen.