"Katar ist die Hölle"
Kennedy kam 2013 als Arbeiter aus Kenia nach Katar und berichtet im Interview von nie gezahlten Löhnen, giftigen Chemikalien und einer Harakiri-Aktion, die schließlich die Rettung brachte.
Am 11.02.21 ging die FIFA Klub-WM zu Ende, bei der Katar seit langem wieder mal im Fokus der Öffentlichkeit stand. Die Menschenrechtslage im Gastgeberland der Weltmeisterschaft 2022 war in den Medien jedoch nur Randnotiz. Die Schlagzeilen von toten Bauarbeitern und unzumutbaren Zuständen auf den Stadion-Baustellen des Wüstenstaates scheinen verblasst zu sein. Grund genug, um mit jemandem zu sprechen, der die Situation vor Ort selbst erlebt hat.
Das folgende Interview ist in der 3+1. Ausgabe des Fanzines TACHELES! von THE UNITY erschienen und wurde uns freundlicherweise für eine Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus möchten wir gerne auf den Spendenaufruf für Kennedys Waisenhaus in Kenia hinweisen, den ihr am Ende des Textes findet.
Jeder kennt die Urlaubsbilder aus Dubai, Abu Dhabi oder Katar, die wie wenig andere Länder für Luxus und Reichtum stehen. Dort wird mit Superlativen wie dem höchsten Gebäude der Welt, der größten Shopping Mall der Welt und dem größten Springbrunnen der Welt geprahlt, um die vermeintliche Konkurrenzlosigkeit zu unterstreichen. Im Dezember 2010 setzte sich Katar bei der Vergabe der Weltmeisterschaft in Zürich gegen die Mitbewerber aus den USA, Südkorea, Japan und Australien durch. Sofort kam Kritik auf, weil öffentlich vermutet wurde, dass die Stimmen gekauft waren. Zudem erschien fraglich, wie bei Temperaturen von 40 bis 50°C Fußball gespielt werden sollte. Am wichtigsten war aber die moralische Frage: Wieso darf ein Land, das immer wieder aufgrund der Missachtung von Menschenrechten in die Schlagzeilen gerät, ein solch großes Turnier austragen?
In den Jahren nach der Vergabe kamen in „schöner“ Regelmäßigkeit Informationen ans Tageslicht, die von nicht bezahlten Arbeitern und moderner Sklaverei auf den Baustellen für die WM 2022 berichteten. Aber solange Fußballfunktionäre wie Josef Blatter und Franz Beckenbauer oder auch Politiker wie Sigmar Gabriel vor Ort solche Umstände nicht gesehen haben und weiter ihre Geschäfte dort machen können, scheint es diese auch nicht zu geben. Also alles wie immer, nur schlimmer.
Ein Mitglied unserer Gruppe war 2013 für ein halbes Jahr in Kenia, um dort in humanitären Projekten mitzuarbeiten, schloss dort Freundschaften und knüpfte viele Kontakte, die bis heute Bestand haben. Eine dieser Freundschaften ist die zu Kennedy, der Ende 2019 für drei Monate in Deutschland bei der Familie seiner Freundin zu Besuch war und in diesem Zeitraum auch eine Woche bei uns in Dortmund verbrachte. Kennedy war 2013 in Katar und hat sich dazu bereit erklärt, von seinen Erfahrungen und Erlebnissen vor Ort zu berichten. In seinen sieben Tagen bei uns hatte Kenny gleich zwei Mal die Möglichkeit, Heimspiele im Kreis unserer Gruppe zu verbringen. So sah er das Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg und als absolutes Highlight den 3:2-Heimsieg gegen Inter Mailand in der Champions League.
Kennedy wuchs in Kenia in einem Waisenhaus nahe Nairobi auf und hatte sein Leben lang mit für unsere mitteleuropäischen Lebensläufe unvorstellbaren Problemen zu kämpfen. Seine Antworten ließen uns oft sprachlos zurück und sie übersteigen noch immer unsere Vorstellungskraft. Nachfolgend könnt ihr Kennys Geschichte lesen. Wir haben bewusst nur wenig gekürzt, um ihm bei der Erzählung seiner Geschichte so viel Freiraum wie möglich zu lassen. Wir möchten uns jetzt schon bei Kenny dafür bedanken, dass er seine Erfahrungen und Erlebnisse mit uns geteilt hat und uns für dieses Interview Rede und Antwort stand. Kenny, Du bist bei uns in Dortmund immer willkommen!
Kindheit auf den Straßen von Nairobi
Hi Kenny, stell Dich doch mal bitte einmal kurz vor. Wo und unter welchen Umständen bist Du aufgewachsen?
Es gibt vieles aus meiner Kindheit, was ich nur aus Erzählungen meiner Mutter weiß. Letztendlich habe ich aber den Großteil meiner Kindheit weit weg von meiner Familie verbracht. Meine Mutter wuchs selbst unter sehr schlechten Lebensbedingungen auf. Ihre Mutter verstarb, als sie noch sehr jung war und ihr Vater heiratete eine andere Frau. Diese behandelte meine Mutter so schlecht, dass sie sich irgendwann dazu entschied, von zu Hause wegzulaufen. Sie kam in der Nähe von Nairobi bei einer etwas wohlhabenderen Familie unter und arbeitete dort als Hausmädchen mit. Im Gegenzug bekam sie Essen und Trinken und einen Schlafplatz. Aufgrund von Heimweh entschied sie sich aber, nach ein oder zwei Jahren wieder zurück zu ihrem Vater in ihr Heimatdorf zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt war sie vielleicht neun oder zehn Jahre alt. Als sie an ihrer Heimat angekommen war, war ihr Vater nicht vor Ort. Ihre Stiefmutter öffnete die Tür und machte ihr deutlich, dass dieses Haus nicht mehr ihr Zuhause sei und sie dorthin zurück gehen sollte, wo sie hergekommen sei. Meine Mutter ist eine Zeit lang bei anderen Familien im Dorf untergekommen, bis sie sich dazu entschied, wieder zurück nach Nairobi zu gehen, um niemanden mehr zur Last zu fallen. Da sie kein Geld hatte, musste sie den beschwerlichen Weg zu Fuß laufen. Eines Nachts schlief sie unter einem Bananenbaum und wurde von einem Mann geweckt, der später mein Scheißvater sein sollte. Bei ihrer ersten Geburt war sie wohl erst zwischen 13 und 15 Jahre alt. Ich denke, dass sie aufgrund des jungen Alters und dem Umstand, dass sie selbst ohne Mutter aufgewachsen ist, mit der Rolle der Mutter und der als Ehefrau völlig überfordert war. Nach der vierten Geburt entschloss sich der Dreckskerl dazu, seine Kinder und seine Frau rauszuschmeißen und sich selbst zu überlassen.
Das heißt, Du hast Deinen Vater nie wirklich kennengelernt? Wie ging Dein Leben ab diesem Zeitpunkt weiter?
Ich hatte seit dieser Zeit nie Kontakt zu ihm, er hat damals die Entscheidung getroffen, uns zu verlassen und wir waren ohne seine Hilfe auf uns allein gestellt – ohne Geld und ohne ein Dach über dem Kopf. Vielleicht könnt Ihr euch vorstellen, wie schwer das für uns war, etwas zu essen zu besorgen.
Dieses Gefühl von ständigem Hunger macht einen krank. Du leidest an Schlaflosigkeit aufgrund von Unterernährung und die Situation verschlimmerte sich immer weiter. Meine kleine Schwester ist damals gestorben, weil meine Mutter nicht mehr in der Lage war, sie zu stillen. Ihr Körper hatte einfach keine Energie dazu.
Da wir niemanden in dem Dorf kannten, in dem wir eine Zeit lang lebten, war auch niemand bereit dazu, uns zu helfen. Um unsere Familie zu retten, schlichen sich mein großer Bruder und ich uns nachts von Haus zu Haus, um alle essbaren Reste der anderen Familien einzusammeln. Irgendwann entschlossen wir beide uns dazu, in die nächstgrößere Stadt zu gehen, wo es ein Einkaufszentrum gab. Auch dort wühlten wir im Müll, um Essensreste zu finden. Wir kehrten jeden Abend zu unserer Familie zurück, doch mit der Zeit führte uns unser Weg in die Stadt Ruiru. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir den Kontakt zu unserer Mutter verloren. Unsere Situation veränderte sich dadurch. Wir lebten nicht mehr in einem Dorf, sondern in einer Großstadt. Damals hatte Ruiru circa 100.000 Einwohner, mittlerweile sind es um die 400.000. Die Straßenkinder dort sind anders aufgewachsen als wir und haben schon früh gelernt, dass man kämpfen muss, um dort zu überleben. Die Älteren unter ihnen schikanierten und verprügelten uns. Ich kann euch nicht sagen, wie alt ich zu diesem Zeitpunkt war, ich weiß nicht, in welchem Jahr ich geboren wurde, geschweige denn in welchem Monat. Ich kann immer nur zeigen, wie groß ich ungefähr war – also würde ich schätzen, dass ich zu diesem Zeitpunkt maximal vier Jahre alt war. Am schwierigsten war es in der Großstadt, einen sicheren Schlafplatz zu finden. Wir haben einige Monate oder Jahre in dieser Stadt verbracht. Man verliert auf der Straße das Zeitgefühl. Die einzigen Zeiten, die man dort kennt, sind Sonntage. Da sind schlichtweg weniger Menschen auf den Straßen. Und den Dezember bemerkt man auch. Dort wurden wir im Großen und Ganzen besser behandelt und es gab nicht so ein hohes Aufkommen an Polizeigewalt. Vermutlich aufgrund von Weihnachten. Nachdem wir nun schon eine lange Zeit in Ruiru verbrachten, stießen immer mehr verstümmelte Straßenkinder zu uns. Ein paar Stämme in Afrika glauben an Rituale, welche Verstümmelungen und Kannibalismus von Kindern vorsehen.
Aus Angst, auch Opfer solcher Rituale zu werden, flohen mein Bruder und ich nach Nairobi. Hier mussten wir wieder komplett neu anfangen. Dort war es noch schwieriger, etwas Essbares zu finden. Wenn du neu in einer Stadt bist, musst du dich erst an die dortigen Umstände gewöhnen. Du weißt nicht, wo du schlafen kannst bzw. wo es gefährlich ist zu schlafen und du weißt nicht, wo die Mülltonnen stehen, in denen es etwas zu essen gibt. In Nairobi herrschte zu der Zeit eine Kakerlakenplage. Dies führte dazu, dass die Restaurants alles versuchten, um die Insekten so gut es ging zu bekämpfen. Sie versprühten eine große Menge an Gift. Die logische Konsequenz war, dass auch das Essen aus den Abfällen von dem Gift kontaminiert wurden. Natürlich waren es genau diese Mülltonnen, aus denen sich die Straßenkinder Nairobis ernährten. Obwohl wir das Gift teilweise und unwissend mitaßen, überlebten wir. Aber nicht jeder vor Ort hatte so großes Glück wie mein Bruder und ich. In dieser Zeit starben viele Kinder. Dadurch, dass Nairobi um einiges größer ist als Ruiru, ist auch der Drogenmarkt größer. So gut wie alle Straßenkinder schnüffeln an Klebstoff oder Autobenzin. Die Drogen und der Rausch vereinfachten es mit dem Stress, der einem den Schlaf raubte, umzugehen.
Eines Tages kam eine Pastorin namens Lucy mit ihrem Mann zu uns und gab uns etwas zu essen. Vor allem Skepsis und Angst trieben uns zu dieser Zeit an und nach vielen Jahren und Erlebnissen auf der Straße fiel es schwer, Hilfe von außen zu akzeptieren. Wir erinnerten uns an den Jungen in Ruiru der keine Zunge, keine Hoden und keinen Penis mehr hatte. Ich glaube das Lucy damals bemerkt hat, wie verängstigt wir waren und probierte vom ersten Tag an, unser Vertrauen zu gewinnen. Sie kam immer häufiger und betete mit uns gemeinsam zu Gott und brachte Nahrungsmittel mit. Nach einiger Zeit wurden wir von ihr zu sich nach Hause eingeladen.
Um den Fortbestand unserer Familie zu sichern – wir wussten nicht, ob meine Mutter und unsere anderen Geschwister überlebt hatten – entschieden mein Bruder und ich uns dazu, dass nur einer von uns mitgehen kann. Mein großer Bruder blieb zurück, doch das Risiko, das ich damals eingegangen bin, hat sich gelohnt. Ich hatte das erste Mal überhaupt ein geregeltes Leben.
Wie war es für Dich ab diesem Zeitpunkt in einer wirklichen Familie behutsam aufzuwachsen und hattest Du durch die Familie die Möglichkeit, in die Schule zu gehen?
Lucy hatte leibliche Kinder in unserem Alter, die in der Anfangszeit eine große Hilfe waren, weil sie mir mentale Unterstützung gaben. Lucy erzählte mir und den anderen Kindern, die mitgekommen waren, dass sie plane, ein Waisenhaus zu eröffnen. Wir waren also damals eine der ersten Generationen, die in ihrem Waisenhaus aufgewachsen sind und dort gelebt haben.
Dadurch, dass wir in Nairobi fast täglich Drogen konsumierten, hatten wir alle starke Entzugserscheinungen. Bevor wir bereit dazu waren in die Schule zu gehen, mussten wir über zwei Jahre lang gepflegt werden. Aber selbst nach diesen zwei Jahren wurde es nicht leichter, denn als Straßenkind hast du in Afrika und vermutlich auf der ganzen Welt den Ruf, kriminell zu sein. Die anderen Schulkinder, deren Eltern und im Allgemeinen die ganze Gemeinde hasste uns und wollte nichts mit uns zu tun haben.
Aber wir wollten unbedingt ein normales Leben führen, mit der Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Also war es für uns keine Option, wieder zurück auf die Straße zu gehen. Die meisten von uns waren sehr gut in der Schule und mit der Zeit änderte sich die Meinung der anderen Kinder uns gegenüber. Ich konnte mich durch gute sportliche Leistungen beweisen und wurde irgendwann einer von ihnen.
Von Kenia nach Katar
Wie ging Dein Weg weiter?
Ich hatte das Privileg, eine schulische Ausbildung von der Grundschule bis zur High School absolvieren zu dürfen. Lucys Ziel war und ist es, jedem der Kinder im Heim solch einen Weg zu ermöglichen. Dies ist vor allem durch Spendengelder möglich. Ich hatte sogar die Chance, ein College besuchen zu dürfen.
Ich habe die Grundschule bis zur High School absolviert und wollte einen College-Abschluss machen. Diesen konnte ich leider nicht abschließen, weil das Geld nicht gereicht hat. Ich fing also an, mich außerhalb der Schule nach einem Job als Bauarbeiter oder ähnlichem umzuschauen, wo man täglich seinen Lohn bekommt. Ich stieß bei meiner Suche auf eine Stelle in Katar, für die ich mich im Central Business District in Nairobi vorstellen musste. Es waren viele Kenianer vor Ort und als ich Lucy von dieser Möglichkeit erzählte, bemühte sie sich sofort, dass ich mich vorstellen kann. Sie lieh sich Geld, welches ich zahlen musste, nachdem ich den Job bekommen hatte. Ich qualifizierte mich durch einen medizinischen Test zu einem wirklichen Vorstellungsgespräch, wo die letzten formalen Dinge geklärt wurden. Anwesend waren zwei Katarer und ein kenianischer Geschäftsmann. Der mehrseitige Vertrag, der mir dort vorgelegt wurde, war auf Englisch und es wurden mir ein Gehalt von 700 Dollar und eine Versicherung zugesichert. Zudem wurde mir noch mündlich mitgeteilt, dass ich hauptsächlich im Hausdienst eingesetzt werden sollte. Wenige Tage nach der Unterzeichnung brachte mich Moses, der Sohn von Lucy, zum Flughafen. Der erste Flug in meinem Leben sollte mich also nach Katar bringen. Ich war noch nie zuvor in meinem Leben so nervös. Ich hatte noch einen fünfstündigen Aufenthalt in Schardscha (VAE), von wo aus es am nächsten Tag nach Doha ging. Ich stieg dort aus dem Flugzeug und kann mich noch genau an die heftige Hitze und Luftfeuchtigkeit erinnern, es war unerträglich.
Was passierte dann, als Ihr nach dieser langen Reise in Katar angekommen seid?
Ich musste, um einreisen zu können, meinen Pass abgeben und stempeln lassen. Diesen erhielt ich aber nicht zurück, sondern das Sicherheitspersonal nahm ihn an sich und wir bekamen die Anweisungen, ihnen zu folgen, um auf unsere Abholung zu warten. Der Mitarbeiter der Firma traf nach 40 Minuten am Flughafen ein, er bekam meinen Reisepass vom Sicherheitspersonal. Ich wurde mit anderen Kenianern aus meinem Flugzeug zu einem Van gebracht, welcher uns zum Office fuhr. Der Van fuhr aber nicht auf direktem Weg zum Office, sondern kreuz und quer durch Doha, um uns zu verwirren, damit wir uns den Weg nicht merken konnten. Dort wurden unsere Pässe eingescannt und wir bekamen lediglich die Kopie. Die Pässe wurden im Office eingeschlossen. Zudem wurde uns ein Vertrag auf Arabisch vorgelegt, der nur aus einer Seite bestand und uns nicht übersetzt wurde. Da wir keine andere Wahl hatten, unterschrieben wir diesen. Nachdem alles erledigt war, wurden wir zu dem Van zurückgebracht. Nach dieser langen Reise war ich müde, und hatte vor allem Hunger und Durst, weil es die ganze Zeit nichts zu essen oder trinken gab. Unser Fahrer brachte uns auf weiteren Umwegen zu unserem Camp. Dieses befand sich drei Stunden außerhalb von Doha mitten in der Wüste.
Wie viele Menschen haben in dem Camp ungefähr gelebt und wie waren die Lebensbedingungen dort?
Ich kann es Euch nicht genau sagen, aber es war wie eine kleine Stadt mit ungefähr 40- bis 50.000 Einwohnern. Dort lebten Leute aus Ost-, West- bis Zentralafrika, Vietnamesen, Philippinos, Inder und Pakistanis. Die Verhältnisse dort waren schlimm. Wir lebten mit mehreren Menschen in einem viel zu kleinen Zimmer, welche verschmutzt, verschimmelt, undicht und voll mit Kakerlaken und Ratten war. Das Bad mussten wir uns gemeinsam mit einem anderen Zimmer teilen. Wir bekamen von den Firmen keine Verpflegung gestellt, sondern mussten uns selbst darum kümmern. Dafür hatten wir ungefähr 45 Dollar pro Monat zur Verfügung. Da aber die Preise für Wasser sehr hoch waren, war das nicht annähernd ausreichend.
Wie sah nach dem Ankommen Dein erster Arbeitstag aus und wie waren die Arbeitszeiten vor Ort?
Direkt am nächsten Morgen ging es los. Ich konnte mich kaum von der komplizierten Anreise erholen. An meinem ersten Arbeitstag wurde ich ohne Sicherheitseinweisung damit beauftragt, Chemikalien für die Baustellen zu transportieren. Mir wurde lediglich eine Atemmaske gegeben, um den aufgewirbelten Staub der Mischchemikalien nicht einzuatmen. Bei 50 Grad schwitzte man unter der Maske wie sonst was, was zur Folge hatte, dass die Maske immer feuchter wurde. Ich habe diese einmal angehoben, um mir den Schweiß trocken zu wischen. Dabei muss ich etwas von den Chemikalien eingeatmet haben. Meine Zunge ist innerhalb kürzester Zeit angeschwollen und ich bekam kaum noch Luft. Ich wurde in ein Krankenhaus gefahren, da es immer schlimmer wurde. Ein Arzt teilte mir mit, dass die Firma, für die ich arbeitete, nicht für die Kosten aufkommen würde und dass die Krankenversicherung in meinem Vertrag nicht für Verletzungen im Gesicht oder am Kopf einspringen würde. Da sich mein Zustand von Minute zu Minute verschlechterte und ich Angst hatte, zu ersticken, stimmte ich einer Operation dennoch zu. Während der Operation wurde mir ein Zahn gezogen und ich bekam mehrere Spritzen in meine Zunge. Die Company übernahm keine Kosten und der Betrag von ungefähr 185 Dollar sollte mir von meinem Gehalt abgezogen werden. Nach meiner Entlassung hatte ich keine drei Tage zur Genesung, sondern musste stattdessen direkt wieder arbeiten. Die tägliche Arbeitszeit belief sich auf zehn Stunden, oft waren es aber auch drei, vier Stunden länger pro Tag. Zusätzlich kamen aber jeden Tag noch circa sechs Stunden Fahrtzeit hinzu. Nach meinem Unfall wurde mir langsam, aber sicher bewusst, dass die Versprechungen, die uns in Kenia gemacht wurden, nicht der Realität entsprachen.
Das war erst Deine erste Woche. Wie sah es bei den anderen Arbeitern aus? Und was ging in Deinem Kopf vor?
Die anderen Arbeiter erzählten mir, dass sie bereits fünf unbezahlte Monate hinter sich hätten. Das machte mich verrückt, ich musste meinem Dorf einen Haufen Geld zurückzahlen.
Nachdem die ersten drei Monate ohne Gehalt verstrichen waren, überlegte ich, wie es weiter gehen sollte. Die Firma konnte ich nicht wechseln, da meine Papiere in dem Büro in Doha eingeschlossen waren. Also versuchte ich, unter den afrikanischen Arbeitern einen Streik anzusprechen, da ich das Gefühl hatte, wir würden in diesem verrückten Land alle sterben. Viele fürchteten sich aber vor den Konsequenzen und irgendwer informierte den Camp-Boss.
Drohungen und heimliche Fotos
Gab es dadurch irgendwelche Konsequenzen für euch?
Der Camp-Boss und unsere Vorgesetzten fingen an, uns nach dem Verrat zu bedrohen. Sie sagten, dass in unseren Heimatländern doch noch schlimmere Bedingungen herrschen würden und wir ja nicht umsonst nach Katar gekommen seien. Die Drohungen wurden mit der Zeit immer schlimmer, auch Morddrohungen wurden ausgesprochen.
Wie hast du dich nach diesen Drohungen verhalten?
Dadurch, dass in dem Waisenhaus in Kenia immer wieder Freiwillige aus Europa, Amerika und Australien arbeiteten, war ich einer der Einzigen im Camp, der Kontakte zu Personen aus diesen Ländern hatte.
Ich schrieb mit einem Laptop mehrere der Leute an und erzählte ihnen von den Zuständen. Astrid aus Norwegen schickte mir Geld, damit ich in Doha eine Digitalkamera kaufen konnte, um die Gegebenheit vor Ort zu dokumentieren. Sie hatte gute Kontakte zu Amnesty International und leitete meine Fotos und Erzählungen weiter. Im Laufe der Zeit habe ich erfahren, dass meine Bilder auf CNN, Al Jazeera und auf Amnesty International gezeigt wurden und über die Zustände berichtet wurde. Nachdem das alles passiert ist, wurde im Camp das Internet ausgestellt und alle Räume durchsucht. Hierbei wurde auch der Laptop gefunden, mit dem wir Kontakt zu unseren Familien hielten. Aufgrund der Entwicklungen entschlossen sich 70 Leute, in einen dreitägigen Streik zu treten. Im Anschluss kam der Camp-Boss mit der Camp-Security, welche uns ihre Schusswaffen gezeigt haben, um uns einzuschüchtern. Er sagte, wir sollen sofort wieder an die Arbeit gehen. Uns blieb also nichts anderes übrig als wieder weiterzumachen. Die Digitalkamera mit der ich die Fotos gemacht habe, wurde nicht gefunden. Ich trug sie dauerhaft bei mir und versteckte sie in meiner Hose.
Ab diesem Zeitpunkt hatte also niemand mehr die Möglichkeit Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen?
Meine Freundin aus Norwegen sagte mir vor der Durchsuchung, dass ich die Umstände vor Ort noch weiter dokumentierten sollte. Mit meiner Kamera habe ich auch Fotos von der Baustelle gemacht. Vor Ort arbeiteten nicht nur Leute, die aus der Armut kommen, sondern auch beispielsweise gebildete Inder als Bauingenieure oder Architekten. Sie hatten höhere Positionen und deshalb auch Laptops. Ich fragte sie nach einem Laptop, weil ich lange Zeit keinen Kontakt zu meiner Familie hatte. Ich nutzte die Gelegenheit, um Astrid weitere Fotos über Facebook zu senden. Eine andere Freundin war mit einem Soldaten der US Army verheiratet, welcher in Katar stationiert war. Er gab mir den Tipp, zum Ministerium für Arbeitsrecht in Doha zu gehen und dort um Hilfe zu bitten. Wir schlichen uns also aus dem Camp, mit der weiteren Gefahr, erwischt zu werden, und begaben uns auf einen langen Weg in die Stadt. Wir fuhren bei LKW-Fahrern von den Baustellen mit und liefen einen Teil zu Fuß. Vor dem Ministerium war eine riesige Schlange, ein Großteil hiervon waren ebenfalls Arbeiter. Als wir endlich vorsprechen konnten, hat man uns gesagt, wir müssten mit einer geschriebenen Kündigung erneut dort hinkommen. Natürlich konnten wir weder etwas drucken noch etwas auf einem Blatt Papier schreiben. Die einzige Möglichkeit war also, die Botschaft aufzusuchen. Der Anblick dort war krank. Hunderte Kenianer schliefen seit Tagen auf dem Boden und die Botschaft war nicht bereit, zu helfen. Wir hatten ein Gespräch mit einem Diplomaten, der nur die Antwort für uns bereit hatte, dass die Firma nicht einmal in Katar gemeldet sei und wieso wir für so eine Firma überhaupt arbeiten würden. Nach dem Anblick von unseren hilflosen Landsleuten hatten wir keine Hoffnung, hier Hilfe zu bekommen und kehrten ins Camp zurück.
Hattest Du den Eindruck, dass die kenianische Regierung oder Botschaft mit den ansässigen Firmen in Katar zusammenarbeiten, um den Handel von Arbeitskräften zu ermöglichen und deshalb bei den Arbeitsbedingungen wegsahen?
Ja ich denke schon. In unserem Land gibt es eine hohe Arbeitslosenquote, die vor allem Jugendliche in die Verzweiflung treibt. Diese bringt sie dazu kriminell oder extremistisch zu werden. Ich kann Euch Leute zeigen, die ähnliche Erfahrungen wie ich in Katar gemacht haben – nur, dass deren Stationen Dubai, Afghanistan, Ägypten, Indien und Oman hießen. Organisationen, die Menschenhandel in Kenia betreiben, werden von der Regierung gedeckt. Viele von ihnen haben offizielle Büros im Central Business District in Nairobi. Ich vermute, dass die kenianische Botschaft in Katar Gelder von den Firmen erhält, um wegzusehen.
Raus aus der Hölle
Habt Ihr Eure Erfahrungen beim Ministerium und vor der Botschaft im Camp geteilt oder hattet Ihr aufgrund des ersten Verrates zu große Angst?
Unsere Hoffnungen waren gestorben, die letzte Möglichkeit war in diesem Moment qualvoll dort zu sterben. Unsere Erfahrungen aus Doha haben sich im Camp rumgesprochen und wir versuchten, die anderen Arbeiter, vor allem aus Indien und Nepal mit auf unsere Seite zu ziehen und einen weiteren Streik aufzuziehen. Die Gruppe wurde immer größer und umfasste nun circa 200 bis 300 Personen. Es lief ab wie beim letzten Mal, nur dass die Drohungen schlimmer wurden. Uns wurden teilweise Bilder von enthaupteten und verstümmelten Menschen geschickt, da die Company unsere Telefonnummern hatte. Nach drei Tagen gingen wir wieder unserer Arbeit nach. Uns war nun klar, dass wir alles versuchen mussten, um aus dieser Hölle zu fliehen, kostete es, was es wolle.
Zum Glück waren Eure Versuche erfolgreich und Du und viele andere Arbeiter konnten heimkehren. Wie ist es dazu gekommen?
Die Gruppe um die indischen Arbeiter teilte uns mit, dass einer von ihnen den ungefähren Ort des Büros kannte, in dem der Großteil unserer Ausweise verschlossen gelagert wurde.
Sie verließen in einer größeren Gruppe nachts das Camp, um in die Stadt nach Doha zu gelangen. Dort wurde in das Büro eingebrochen und ein Sicherheitsmitarbeiter überwältigt. Im Office selbst wurden alle Pässe und das Bargeld mitgenommen. Die Pässe wurden nachts im Camp verteilt. Die Aufteilung war nicht so schwer, weil alle Pässe nach Nationalitäten sortiert wurden und wir uns untereinander kannten. Am Morgen wollten wir gemeinsam aufbrechen, doch die Polizei und der Camp Boss kamen zum Camp. Sie waren schwer bewaffnet und zielten diesmal sogar auf uns. Ein indischer Arbeiter trat vor unsere Gruppe und sagte, dass sie uns entweder töten müssten oder das Tor öffnen sollen. Einzelne Personen gingen in Richtung Tor und hunderte folgten ihnen. Sie ließen uns gehen. Meine Erklärung hierfür ist, dass sie sich einfach keine weiteren Skandale mehr erlauben konnten aufgrund der lauter werdenden Berichterstattung in den internationalen Medien.
Wie kamt Ihr vom Camp zum Flughafen und wie lief die Heimreise ab?
Weil wir mehrere Leute waren, konnten wir bei diesem Mal nicht auf die LKWs aufspringen, sondern mussten den Weg komplett zu Fuß in einem Tagesmarsch durch die Wüste zurücklegen. Niemand wusste, wie es am Flughafen weitergehen sollte, da wir kein Geld hatten, um Flüge zu bezahlen. Untereinander herrschte die einheitliche Meinung, dass wir uns das Geld am Flughafen zusammenklauen würden, oder dass uns die katarische Regierung die Flüge zahlen müsse. Letzteres geschah, weil die Regierung uns schnell aus dem Land haben wollte, ohne dass über uns berichtet wurde. Letztendlich stellten wir mit 400 Personen keinen großen Schaden für sie dar, weil ja noch circa 40.000 vor Ort waren. Während wir also in unsere Heimat flogen, ging und geht die Hölle Katar für verdammt viele Menschen weiter. Wir hatten Glück und haben alles probiert, um es da raus zu schaffen.
Wie war für Dich die erste Zeit nach Deiner Ankunft in Kenia? Du hast eingangs erzählt, dass unter anderem Lucy Schulden für Dich aufgenommen hat, um Dir diese Möglichkeit zu eröffnen.
In meiner Heimat und in meinem Dorf wurde ich gut aufgenommen, was mir die Zeit definitiv erleichtert hat. Vor allem, weil ich in Katar selbst große Angst davor hatte, dass die Leute mich hassen würden, wenn ich ohne Geld nach Hause komme. Es gab auch einige Zweifel daran, wieso ich ohne Gehalt zurückgekehrt bin. Die Menschen gehen davon aus, dass wenn du ins Ausland gehst und dort einen Job annimmst, erst wieder zurückkommst, wenn dein Vertrag ausgelaufen ist – am besten mit einem Haufen Geld. Es gab Menschen in meinem Umfeld, die von mir erwartet hatten, dass ich, um mal ein simples Beispiel zu nennen, Getränke ausgebe.
Was sind deine Gedanken, wenn eine deutsche Fußballlegende und der Präsident des FC Bayern München, Franz Beckenbauer, nachdem er die Baustellen in Katar besichtigt hat, Aussagen trifft, dass er dort keine Sklaverei gesehen hat?
Moderne Sklaverei ist real. Ich war Teil davon und wenn das, was ich und viele andere dort durchgemacht haben, keine Sklaverei ist, dann sag mir bitte, was Sklaverei sein soll? Ich habe so viele Menschen gesehen, die, nachdem einige Firmen von heute auf morgen verschwunden sind, ohne ihre Papiere und ohne Geld auf sich allein gestellt waren. Dieser Typ hätte das Ministerium für Arbeit mit den Schlangen von hilflosen Arbeitern oder die Camps mitten in der Wüste besuchen sollen! Nicht irgendwelche „künstlichen“ Baustellen in Doha, welche vor seinem Besuch präpariert und mit gefakten Arbeitern ausgestattet wurden. Es macht mich wütend, dass solche Menschen immun gegen diese Unmenschlichkeit sind. Jeden Tag sind Krankenwagen zu den Baustellen gekommen, um leblose Menschen einzusammeln, welche durch die Hitze oder die Chemikalien nicht überlebt haben. Indien war eines der einzigen Länder, welches bemängelt hat, dass so viele ihrer Landsleute vor Ort sterben. Am Ende kann ich nur sagen, dass sich Franz Beckenbauer mit seiner Oldschool-Mentalität ficken soll und selbst einen Tag in so einem Camp verbringen soll.
Nachdem Du während Deines Besuches in Deutschland die Möglichkeit hattest professionellen Fußball live zu erleben, wie sind deine Eindrücke, für genau diese Personen gearbeitet zu haben?
Dieses Land verdient es nicht, ein internationales Turnier veranstalten und austragen zu dürfen. Die Atmosphäre ist die Hölle, das Klima ist die Hölle und es werden hunderttausende Arbeiter aus fernen Ländern eingeflogen, nur, um unter den schlimmsten Bedingungen Stadien zu bauen. Diese WM darf nicht in Katar stattfinden!
Als letzte Frage, wie war es für Dich auf der größten Stehplatztribüne der Welt bei uns in Dortmund zwischen 25.000 Leuten zu stehen?
Ich kann das Gefühl bis heute nur schwer in Worte fassen. Der Besuch bei Euch und in Dortmund generell hat alles andere, was ich in Deutschland gesehen und erlebt habe übertroffen. Ich konnte auf dieser Tribüne zwischen all den Leuten meine Sorgen vergessen und frei sein. Ich möchte mich auch noch einmal auf diesem Weg bei Euch und jedem aus Eurer Gruppe für die gemeinsame Zeit bedanken, das bedeutet mir immer noch viel! Diese Energie, Alter, und das Comeback gegen Inter Mailand werden immer in meinem Herzen bleiben. Peace und für immer #3Points!
Wer Interesse daran hat, das Waisenhaus, in dem Kenny aufgewachsen ist, zu unterstützen, findet nachfolgend noch einige Hintergrundinformationen. Um auch Kennedy zu unterstützen, wird nach Rücksprache mit Children’s Hope Home, ein geringer prozentualer Anteil ihn persönlich erreichen. Der restliche Anteil wird direkt an das Waisenhaus gespendet.
Paypal: spende@suedtribuene-dortmund.de
Kontoverbindung:
THE UNITY Supporters Dortmund e. V.
DE32 4405 0199 0911 0114 25
Bitte gebt einen aussagekräftigen Verwendungszweck an, damit eure Geldeingänge auch als Spende identifiziert werden können.
Children's Hope Home e. V
Children's Hope Home e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, dessen oberstes Ziel es ist, Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen in Kenia zu unterstützen. Im Fokus der Bemühungen stehen das Children’s Hope Home in Gathiga und die Keys Academy in Gilgil. Dort leben derzeit 105 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 25 Jahren. Viele der Kinder und Jugendlichen kommen aus ärmsten Verhältnissen oder direkt von der Straße. Hunger, HIV und ein Mangel an Zuwendung begleiten die Kinder und Jugendlichen seit ihrer Geburt. Darüber hinaus bestärken fehlende Bildungschancen ihre Hoffnungslosigkeit.
Die Stiftung betreibt die beiden genannten Kinderheime. Sitz der Stiftung ist Wangige (nahe Nairobi), Kenia. Geleitet wird die Stiftung von den Gründern, Lucy Njoki Muiruri und Duncan Ndegwa, die von einem dreiköpfigen Aufsichtsrat kontrolliert werden. Ziel der Stiftung ist die Gewährung von Nothilfe (Unterkunft, Nahrung, Gesundheit) für und die Rehabilitation von Straßenkindern sowie deren Förderung im Bildungsbereich.
Aktuelle Situation
Das Coronavirus hat in Kenia und weiteren afrikanischen Ländern bislang noch nicht die Ausmaße erreicht wie in Europa, Asien und den Amerikas. Das mag damit zu tun haben, dass Kenia eine im Durchschnitt eher junge Bevölkerung aufweist. kder auch damit, dass Kenia in den globalen Produktionsketten und Reiseverflechtungen kein zentrales Glied ist, seiner Bedeutung für den ostafrikanischen Binnenraum zum Trotz.
Die öffentlichen Einschränkungen allerdings sind in den Grundzügen dieselben wie hier, wobei sie viele Menschen in Kenia ungleich härter treffen als die meisten Menschen in Deutschland. Was Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen für Menschen bedeuten, die leider nicht nur sprichwörtlich von der Hand in den Mund leben, kann man sich ausmalen. Wo Menschen in äußerst beengten Verhältnissen leben und arbeiten, lässt sich ein "Zuhausebleiben" und "Abstand halten" nicht durchsetzen.
Auch unsere Projekte sind Leidtragende der widersprüchlichen Entwicklungen in Zeiten von Corona. Heime, wie das unsere, mussten schon gleich zu Anfang der Pandemie schließen, Kinder und Jugendliche zu entfernten Verwandten gegeben werden. Nur Vollwaisen durften bleiben. Anfänglich sind in Gathiga nur 12, in Gilgil gar nur 2 Kinder und Jugendliche verblieben. Mit der Zeit kehrte das Leben aber Stück für Stück wieder zurück nach Gathiga und Gilgil. Immer mehr Kinder und Jugendliche kamen von ihren entfernten Verwandten in die Heime zurück, nicht selten auch direkt von der Straße, da sie bei ihren Verwandten nicht ausreichend versorgt werden konnten. Inzwischen sind die meisten wieder zurück. In Gathiga sind es derzeit 84 und in Gilgil 21 Kinder und Jugendliche.
Und auch die Schulen öffnen nach und nach wieder ihre Türen. Seit Januar sind 47 Kinder und Jugendliche aus Gathiga und 11 aus Gilgil wieder zurück an ihren Boardingschools, alle anderen besuchen wieder die Dayschools. Für die Kids war 2020 in Sachen Bildung ein verlorenes Jahr. 2021 darf sich das nicht wiederholen. Das ist unsere erste Priorität und wir hoffen, ihr unterstützt uns dabei.