Wo Veränderungen anfangen müssen
Die Fußballbundesliga ist langweiliger und berechenbarer geworden. Dieser Aussage wird wohl jeder Fußballfan zustimmen. Die Bayern haben auf die Schale ebenso ihr Abo, wie der BVB (und leider auch die Red-Bull Niederlassung Leipzig) auf die Champions-League. Auch der Kreis derer, die sich um die Plätze vier bis sieben balgen, ist ziemlich konstant. Vorschläge und Überlegungen von Seiten der Fans, aber auch von Seiten der Medien gibt es viele, um die Liga wieder mit mehr Wettbewerb zu beleben. Gehaltsobergrenzen, andere Verteilungsschlüssel für TV-Gelder und weitere Begrenzungen von Investorengeldern sind Vorschläge, die zuletzt erst vom neuen Fanbündnis „Unser Fußball“ artikuliert wurden.
Vielleicht wird es aber auch einmal Zeit, das Schlaglicht auf einen Personenkreis zu werfen, dem zwar eine Schlüsselrolle bei möglichen Veränderungen zukommt, der aber als Nutznießer des Systems Profifußball immer unter dem Radar läuft: die Geschäftsführer und Sportdirektoren der Vereine. Veränderungen auf nationaler Ebene können nur über die DFL erfolgen, die wiederum nichts anderes ist, als eine Vereinigung der Proficlubs zur Wahrung und Durchsetzung der eigenen Interessen. Und wer bestimmt dann den Kurs in den Gremien, wenn nicht die Entscheider der Einzelvereine?
Die andere Wahrheit ist nämlich, dass das System Fußball finanziell vorzüglich funktioniert. Wo ein Umsatz von 100 Millionen Euro vor nicht all zu vielen Jahren noch eine echte Schallmauer darstellte, zahlt mittlerweile ein Viertel der Liga Beträge dieser Größenordnung und noch mehr allein als Gehalt für den Spielerkader. Selbst der Minderbetrag von 150 Millionen Euro pro Saison für die nächste Periode der TV-Rechte ab der Spielzeit 21/22, fällt noch ziemlich human aus angesichts der Tatsache, dass man die Spannungskurve in der Bundesliga derart abgeflacht hat, dass jedem Pandemieforscher Tränen in den Augen stehen, sich Weltkonzerne wie Amazon entgegen der Hoffnung doch nicht in ein Wettbieten eingeschaltet haben und man schlichtweg nicht absehen kann, wann man wieder die gewohnt bunten Bilder voller Stadien präsentieren kann.
Die Bundesliga ist aus Geldsicht eine absolute Erfolgsgeschichte und alle verdienen prächtig an dem Haufen Geld, den es umzuverteilen gibt. Und das schließt die Entscheider mit ein. Im Jahr 2016 veröffentlichte die FAZ einen Artikel, nachdem das Durchschnittsgehalt eines Vorstands oder Geschäftsführers im Profifußball rund 888.000 € pro Jahr beträgt. Über die höchsten drei Führungsebenen gemittelt 452.00 €. Fairerweise mit dem Zusatz, dass ein nicht unerheblicher Teil der Gelder mit leistungsbezogenen Komponenten ausgestaltet wurden. Dabei verdient selbst die „dritte Ebene“ der ersten Bundesliga, auf der sich Sportdirektoren befinden dürften, noch deutlich mehr als ein Geschäftsführer der dritten Liga. Wohlgemerkt, es war eine Erhebung aus dem Jahr 2016. Seitdem dürften auch hier die Geldbeträge in ihrer Entwicklung nur eine Richtung kennen.
Am Beispiel von Borussia Dortmund liegen die Gehaltszahlen aus der Geschäftsführungsebene sogar offen vor. Mit über 2 Millionen Euro kommt Hans-Joachim Watzke in die Nähe des Durchschnittsverdienstes eines Vorstandsvorsitzenden im MDax, dem Konzerne wie Evonik, Hochtief und Rheinmetall angehören. Auch hier mit dem Zusatz, dass Herr Watzke seine Arbeit in den letzten 15 Jahren verdammt gut erledigt hat und die Höhe seiner Einnahmen im Kontext gesehen mit Sicherheit im Rahmen ist. Selbst die Spieler, die bei uns auf der Ersatzbank ihren Stammplatz haben, dürften so eine Zahl eher mitleidig belächeln.
Es zeigt aber eben auch, dass die Entscheider sehr gut mit daran verdienen. Vorbei die Zeiten, in denen Fußballer nach ihrem Karriereende Lottoläden, oder Tankstellen eröffnen mussten. Heute winkt der Job des Sportdirektors als Jackpot. Auch wenn die Zahlen nicht öffentlich sind, aber zweifelt wirklich jemand daran, dass Ehemalige wie Fredi Bobic, Frank Baumann oder Stefan Reuter jetzt nicht weniger verdienen als das, was sie vor fünfzehn Jahren als Aktive erhalten haben? Und das idealerweise bis ins Rentenalter. Man mag auch kaum hochrechnen wollen, wie viele Autos Herr Heidel hätte verkaufen müssen, um auf die Einnahmen zu kommen, die er in Mainz oder Gelsenkirchen hatte. Ohne die Leistungen der Verantwortlichen zu schmälern zu wollen, auch auf diesem Posten fließen Gehaltszahlungen, die außerhalb des Kosmos Profifußball als ungelernte Kraft eher weit, weit außerhalb des Möglichen liegen.
Unterm Strich muss man dann die Frage stellen, wo unter den aktuellen Verhältnissen die Motivation liegen soll, den Fußball von Innen heraus zu erneuern? Natürlich, sportliche Ambitionen gehören dazu. Aber letztendlich wird auch ein Fredi Bobic wissen, dass die Meisterschaft für Eintracht Frankfurt genauso utopisch bleiben wird, wie sich Stefan Reuter sicher sein muss, in Augsburg niemals die Hymne der Champions-League zu hören. Um diesen Zustand herzustellen, bedürfte es einer so gewaltigen Umverteilung, dass es keine Systemveränderung, sondern ein kompletter Umsturz wäre – mit ungewissen Folgen für die finanzielle Zukunft. Die Gleichung mehr Wettbewerb bedeutet auch mehr Geld, ist so zwangsläufig nicht. Die Liga lebt insgesamt auch sehr gut davon, dass sie Zugpferde hat und von ihnen im Europapokal vertreten wird. Sollte sich die Einnahmensituation verschlechtern, wird sich das auch auf den Lohnstreifen der Führungsebene niederschlagen.
Auch wenn die Vereine uns Fans das gerade mit huldvollen Worten einreden wollen, aber wir sitzen nicht komplett im gleichen Boot. Dort profitiert man von den Zuständen, wir zahlen sie mit Langeweile, unsäglichen Anstoßzeiten und wachsendem Unverständnis über die Summen, die da über die Ladentheken gehen. Das sollte man bei allen Gesprächen, die man in der näheren Zukunft vielleicht führen mag, im Hinterkopf behalten. Es sind nicht unsere Partner, sondern auch der Ausgangspunkt aller Veränderungen.