„Wir stehen wieder in der Roten Erde“
Heute ist ein schöner Tag. Ein sehr schöner. Der schönste seit langem.
Aber von vorne:
Es ist 13:30 Uhr, als die Haltestelle Westfalenstadion an mir vorbeizieht und ich wehmütig nach oben auf die gelben Pylonen blicke. So wie jede Woche. Und Woche für Woche frage ich mich, wann wir uns wohl wieder sehen, zusammen singen, feiern, weinen, toben.
Aber heute ist es anders , denn in fünf Stunden passiert etwas Aufregendes, ein kleiner großer Lichtblick in dieser grauen Welt. Beim Gedanken daran läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken, ein Kloß nistet sich in meinem Hals ein. Dass ich mich mal so auf ein Regionalligaspiel freue, dass ich vor Freude und Hoffnung auf eine Karte nun doch einfach mal losheule, ist schon verrückt.
Wie war das? Man merkt erst, wie sehr man etwas liebt, wenn es nicht mehr da ist?
Wie oft habe ich in letzter Zeit Videos der Salzburger Austria angeschaut, wie gerne hätte ich mich in ihre Mitte gebeamt und wie neidisch habe ich erst heute nach Dresden mit ihren 10.000 Zuschauern geblickt.
Aber das ist eine andere Geschichte. Wir sind nicht Salzburg, nicht Dresden, wir sind Borussia Dortmund und wir dürfen am Samstag gegen den Effzeh 300 Mann sein. Das ist nicht viel, aber immer noch mehr als 0.
Es ist mittlerweile 18:02 Uhr, wir sind auf dem Heimweg und es wird verdammt sportlich, bis 18:30 Uhr pünktlich zuhause auf der Couch zu sitzen, um den TicketShop zu überfallen. Die Bäume rauschen an mir vorbei, mein Puls schließt sich an. Wie sehr ich diese Herzrhythmusstörungen im Bezug auf Tickets, Flugbuchungen und schwarzgelbe Abenteuer vermisst habe! Um 28:26 Uhr blicke ich zum ersten Mal auf die Sekundenzeiger meines Smartphones, logge mich im Minutentakt ein und wieder aus, um DEN Moment unter keinen Umständen zu verpassen. Ich werfe kurz einen Blick auf die Straße und sehe rote Lichter, viele. Gelbe und rote Lichter verschwimmen im Takt vor meinen Augen - Stau. Nein! Mein Freund starrt mich an:“ Und jetzt?“ Keine Ahnung! „Standstreifen, Warnblinker, scheißegal, Amateure international?“ Geht auch schlecht. Wir krabbeln über die Autobahn, um 18:28 Uhr fahren wir ab, schlittern in die nächstmögliche Parkbucht und loggen uns ein. Also doch „Standstreifen, Warnblinker, Amateure!“ Ich zittere beim Tippen, suche mir im Ticketshop einen Platz in der Nähe meines eigentlich angestammten Platzes in der Roten Erde, vier Plätze neben meinem Freund. Dann winke ich ihm halt zwischendurch mal rüber. Ich wähle eine Zahlart und ... online Banking hab ich nicht, fuck fuck fuck. Ich reiße das Handschuhfach auf, suche im Portemonnaie nach anderen Bankkarten. Ich schreie meinen Freund an, während auch seine Reservierungszeit abläuft und er aus dem System geschmissen wird. Kurz vor einem Heulanfall (wegen einer Eintrittskarte für die Regionalliga wohlgemerkt) steigere ich mich weiter und weiter in meine mit Abstand beste Samstagnachmittagbeschäftigung seit März hinein. Es MUSS klappen, ich will Fußball, ich will Borussia, jetzt sofort und jeden Tag - es gibt viel aufzuholen! Ein neues Fenster ploppt auf. Ja!! Ja, man!
Dieser ganze Scheiß hat uns allen so viel Lebensqualität genommen, aber endlich endlich endlich heißt es wieder „wir stehen wieder in der Roten Erde um unsre Amateure spielen zu sehn!“ Geil, ich freu mich! Bis Samstag, Freunde!