Das Kreuz mit dem Fadenkreuz
Das Fadenkreuz Banner gegen Dietmar Hopp mag geschmacklos sein. Das Motiv mit den rassistischen Morden in Hanau in einen Kontext zu stellen, ist mehr als nur ein Fauxpas.
Das Verhältnis zwischen den aktiven Fanszenen von Borussia Dortmund und der anderen Borussia aus Gladbach als „angespannt“ zu beschreiben, ist noch ziemlich freundlich. Dafür sorgt schon die enge Freundschaft zwischen Teilen der Dortmunder Ultraszene zu der der Kölner. Umso bemerkenswerter, wenn von dieser Seite eine Solidaritätsbekundung kommt. Auch wenn sie im Heimspiel der Gladbacher gegen Hoffenheim mit der Aufschrift „Hurensöhne beleidigen einen Hurensohn und werden von Hurensöhnen bestraft“ formuliert wird. Flankiert von einem Plakat, das in Dortmund wohlbekannt ist: das Gesicht von Hoffenheim-Mäzen in einem Fadenkreuz. Die ganze Aktion bezieht sich auf die aktuell verhängte 2-Jahres-Sperre für den BVB in Sinsheim, nachdem man gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat.
Nun wird man zumindest auf Dortmunder Seite auf das „Hurensöhne“ deutlich gelassener reagieren als Herr Hopp und die Vertreter von DFL und DFB, aber die ganze Aktion wäre nur eine Randnotiz ohne das beschriebene Banner. Nur für sich betrachtet, sind schnell getroffene Klassifizierungen als „Todesdrohung“ durchaus nachvollziehbar, aber zur richtigen Einordnung sollte man schon die ganze Geschichte betrachten. Zuerst wurde es 2008 als Doppelhalter von Dortmunder Seite aus präsentiert und war seinerzeit der erste Fall, in dem Dietmar Hopp direkt gegen einen Beteiligten vorging und mit einer Anzeige reagierte. Genau zehn Jahre später wurde das Motiv, diesmal als Blockfahne, erneut gezeigt. Damals direkt in der Sinsheimer Gästekurve und als Antwort auf eingeleitete Strafverfahren wegen beleidigender Gesänge. Über den bemerkenswerten Ablauf der Verfahren haben wir bereits im Text "Der Prozess am Amtsgericht Sinsheim aus Sicht eines Angeklagten" und im Text "Dieser Winkelzug ist in der Rechtsprechung bisher unbekannt." berichtet. Und nun tauchte es in der Heimkurve von Borussia Mönchengladbach auf. Schon der zeitliche Ablauf nimmt der Darstellung als Morddrohung den Sinn. Sie ist bereits 12 Jahre alt, wurde wiederholt und bislang gibt es keinerlei bekannte Angriffe auf Dietmar Hopp, die über die bekannten Beleidigungen im Stadion hinausgingen. Zudem wurden sowohl 2018 als auch am Samstag die Aktionen von Bannern gegen Kollektivstrafen und Repressionen begleitet.
Dabei muss man natürlich feststellen, dass das Fadenkreuzmotiv absolut geschmacklos ist und auch deutlich über das übliche Maß an Stadionpöbelei hinaus geht. Darüber brauchen wir nicht drüber reden. Aber die Wiederholung macht auch seine Bedeutung klar: man zitiert sich selbst, um auszudrücken, dass man sich auch durch Bewährungen und Strafen nicht einhegen lässt. Es ist für die aktive Fanszene ein Symbol geworden. Ein Symbol des Widerstandes und der „Unbeugsamkeit“ gegen Dietmar Hopp. Durchaus verständlich, hat man doch mehrmals die Erfahrung gemacht, dass der oft gefordert „kreative Protest“ eigentlich nur eine verklausulierte Forderung ist, bitte nicht weiter zu stören. Hatte das frühere „Hopp, Hopp – zurück ins Reagenzglas“-Banner zumindest noch zu einem Schmunzeln gereicht, folgten beispielweise auf die Tennisballaktion zum Pokalspiel in Stuttgart in den Dortmunder Lokalmedien der panische Verweis auf ein erhöhtes Verletzungsrisiko der Spieler. Es ist also nicht überraschend, dass man zur größtmöglichen Provokation gegriffen hat. Damit ist es aber auch gleichzeitig das denkbar schlechtmöglichste Symbol, das man sich aussuchen konnte. Mögen regelmäßige Stadiongänger der Darstellung, dass Pöbeleien durchaus zum Stadionbesuch dazu gehören, der Ton hier rauer ist und die Versuche seitens der Verbände, das durch Strafmaßnahmen zu unterbinden, falsch sind, noch zustimmen, ist ausgerechnet dieses Motiv eins, hinter dem sich viele Fans nicht sammeln können. Eine genau definierte Person sprichwörtlich im Visier eines Scharfschützen. Damit sammelt man definitiv keine Sympathiepunkte.
Die Reaktionen des übrigen Gladbacher Publikums waren dann auch deutlich. Mit Pfiffen lehnten sie lautstark die Aktion ab, was Sportdirektor Max Eberl dann auch prompt im TV-Interview hervorhob. Und er akzeptierte gleich schon einmal präventiv jede vom DFB verhängte Strafe für den Vorfall. Nun überzeugen Interviews im direkten Rahmen eines Spiels selten mit schlauen Inhalten, aber an dieser Stelle muss man auch bei ihm kritisch nachhaken. Im gleichen Atemzug fiel nämlich auch der Satz:
Vor dem Spiel gab es eine Schweigeminute gegen Rassismus und Ausgrenzung. Und dann passiert sowas.
Andere Medien wie WDR2 und das ZDF schlugen in ihren Berichterstattungen ebenfalls die Brücke zur Schweigeminute aufgrund der Ermordung von Mitbürgern in Hanau durch einen Rechtsterroristen. Geht's noch? Erst einmal war die Schweigeminute kein bloßes Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung, sondern fand zum Gedenken an die Ermordeten statt. Jede andere Darstellung wertet die Toten zu bloßen Mitteln im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus ab. Darüber hinaus verharmlost sie die feigen Morde von Hanau, in dem sie auf eine Stufe mit einem Transparent und einem Doppelhalter stellen. Während, wie bereits dargestellt, das Fadenkreuzmotiv schon mehrmals gezeigt wurde, ohne dass es zu weitergehenden Handlungen führte, ist Hanau Fortführung einer Serie von Morden, die durch Rassisten und Neonazis begangen wurden. Das alles mit den Vorgängen in einem Fußballstadion in einen Kontext zu stellen, ist mehr als nur ein Fauxpas.
Für die Zukunft kann es nur so gehen, dass alle Beteiligten wieder runterkochen. Die Proteste gegen die TSG haben sich auf Dortmunder Seite schon längst verselbstständigt und gehen mittlerweile weit über die übliche Kritik an einem hochgepimpten „Projekt“ hinaus. Es geht letztendlich um die Frage, was an Kritik und Pöbelei im Stadion möglich sein muss und wie weit man sich durch Strafen eingrenzen lässt. Das wird auch durch ein dreijähriges Gästeblockverbot nicht gelöst. Und auf aktiver Seite wäre man gut beraten, wenn man das Hopp-Fadenkreuz aus seinem Repertoire streicht. Es dient der Sache keinen Millimeter und schafft Fronten, wo man sie abbauen müsste. Ist einfach scheiße.