...Steffen Tigges: "Hier in Dortmund ist es eine komplette Begeisterung für den Verein"
Seit dieser Saison verstärkt Steffen Tigges die U23 des BVB. In kurzer Zeit entwickelte er sich zum Torjäger. Mit uns sprach er jetzt im Interview über seinen Wechsel, Vergleiche mit Erling Haaland und die bisherige Saison.
schwatzgelb.de: Du kamst im Sommer vom VfL Osnabrück, hast dort über 2.500 Minuten in der dritten Liga gesammelt. Was hat dich dazu bewegt, im Sommer den “Rückschritt” zur Dortmunder U23 in der Regionalliga zu gehen?
Steffen Tigges: Mein Vertrag in Osnabrück ist ausgelaufen. Ich habe vielleicht nicht so viel gespielt wie ich mir das vor der Saison vorgestellt habe, was bestimmt auch daran lag, dass wir eine richtig gute Mannschaft hatten und eine richtig gute Saison gespielt haben. Es war einfach auch ein bisschen so, dass ich etwas Neues machen wollte. Dann habe ich mich mit meinem Berater zusammengesetzt und wir haben geschaut was ich für Möglichkeiten habe. Die dritte Liga war auch ein Thema, es gab da ein, zwei Anfragen, aber keine war so konkret wie das Gespräch mit Ingo Preuß. So viel Interesse war von nicht vielen Vereinen da und Ingo hat sich sehr um mich bemüht. Es war für mich die erste Prämisse, dass ich spielen möchte. Dass ich viel spielen und einer Mannschaft helfen möchte. Das war in Osnabrück nicht immer der Fall. Dann kam noch dazu, dass ich in Osnabrück nicht immer auf meiner Stammposition spielen durfte. Ich habe da auch mal links hinten oder links in der Fünferkette gespielt und das sollte sich alles ein bisschen ändern. Dann habe ich mir das Trainingsgelände und die Möglichkeiten hier angeschaut. Die Rückmeldungen von den Leuten, die hier gespielt haben, waren durchweg positiv und das Vertrauen von Ingo und von Mike Tullberg war dann so groß, dass ich das Gefühl hatte, dass dies der richtige Schritt in meiner Karriere ist.
schwatzgelb.de: In Osnabrück war die Konkurrenz auf der Stürmerposition dann ja auch recht groß…
Steffen Tigges: Wie schon gesagt, in Osnabrück war ich gar nicht als Stürmer eingeplant. Also selbst, wenn ich in Osnabrück verlängert hätte, wäre es als Linksverteidiger gewesen. Oder besser gesagt als Allrounder. In der Offensive und Defensive habe ich alles gespielt. Es war eine schöne Zeit in Osnabrück, aber es war auch nicht so, dass der VFL unbedingt verlängern wollte und ich wollte es auch nicht unbedingt. Es war also keine einseitige Entscheidung, dass ich im Sommer nicht geblieben bin. Vielleicht war es auch die zweite Liga, der Aufstieg, so dass da die Perspektive gefehlt hat. Deswegen habe ich mich entschieden, mir eine neue Herausforderung zu suchen
schwatzgelb.de: Wo du gerade von der schönen Zeit gesprochen hast: Du bist mit Osnabrück sogar Meister in der dritten Liga geworden, wie hat sich das angefühlt? Wie schaust du auf die Zeit zurück?
Steffen Tigges: Wir sind damals gegen Aalen aufgestiegen. Etwa in der 87. Spielminute haben wir das 2-0 geschossen und es war eigentlich allen klar, dass wir an diesem Tag aufsteigen. Aalen war nach dem 1-0 schon platt und es ging gar nicht anders. Ich weiß noch, dass Benni Girth das Tor geschossen hat und wirklich der ganze Platz voll mit Leuten war, obwohl noch drei Minuten zu spielen waren. Wir mussten erstmal wieder alle runterschicken, danach hat der Schiedsrichter gefühlt aber auch nur noch eine Minute spielen lassen. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie in dem Moment, als der Schiedsrichter abgepfiffen hat, die Leute wieder auf den Platz gelaufen kamen. Es war ein unglaublich schönes Gefühl. Ich weiß ehrlich gesagt auch gar nicht mehr, wie ich aus dem Stadion rausgekommen bin. Das muss man auch dazu sagen, es war schon wild danach. Aber es war einfach unglaublich. Der Arbeit der ganzen Saison haben wir die Krone aufgesetzt. Die Region und der Verein haben sehr lange daraufhin gearbeitet. Während ich dort war, hatten wir vorher auch schon gute Hinrunden, aber dann hat die Rückrunde nie so ganz gepasst. Wir haben immer unsere Ziele, wie den Aufstieg oder den DFB-Pokal verpasst. Es war schon etwas ganz Besonderes, mit meinem Herzensverein – ich bin von klein auf VFL-Fan durch und durch – aufzusteigen.
schwatzgelb.de: War es schwer für dich diesen Verein zu verlassen?
Steffen Tigges: Grundsätzlich ja. Immerhin habe ich meine Heimat verlassen. In Osnabrück habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und da war es natürlich ein großer Schritt für mich das erste Mal weg von Zuhause zu sein. Ich weiß auch gar nicht wie lange ich genau für diesen Verein gespielt habe. Gefühlt waren es 12 oder 13 Jahre. Ich kannte alle Leute dort und da war es natürlich schwierig, zu wechseln. Aber ich glaube, es war der richtige Schritt. Und mit dem Aufstieg in die zweite Liga war es dann auch das perfekte Ende für mich in Osnabrück. Besser hätte ich mir das Ende nicht aussuchen können.
schwatzgelb.de Hast du noch Kontakt zu den alten Kollegen?
Steffen Tigges: Auf jeden Fall. Ich habe mit denen seit der U-14 zusammengespielt und später dann zusammen bei den Profis. Die sind auch noch da. Mit denen schreibe ich ab und zu und treffe mich auch mal mit ihnen, wenn ich Zuhause bin. Aber auch mit Spielern, mit denen ich nur ein Jahr zusammengespielt habe, habe ich noch Kontakt. Man schreibt zwischendurch mal, zum Beispiel wenn jetzt jemand Geburtstag hat oder so. Vielleicht ist nicht mehr der rege Kontakt da, aber grundsätzlich existiert er noch. Mit dem Trainer Daniel und Merlin, dem Co-Trainer, die schon seit der U-17 meine Trainer waren, stehe ich auch noch eng in Kontakt.
schwatzgelb.de: Wie lief dann die Anfangszeit in Dortmund? Wer hat dich besonders unterstützt?
Steffen Tigges: Grundsätzlich war es relativ einfach in die Mannschaft reinzukommen. Es sind mit mir ja viele neu zum Team gestoßen. Ich glaube, das waren so ungefähr zehn. Von daher haben wir uns schnell zu einer großen Gruppe zusammengefunden. Die Jungs haben es mir da sehr einfach gemacht, mich in die Mannschaft einzufügen. Ein großer Vorteil ist natürlich auch, dass wir alle ungefähr im selben Alter sind. Wir haben die gleichen Gesprächsthemen, die gleichen Themen generell in der Kabine. Wir sind schnell in Kontakt gekommen.
schwatzgelb.de: Was war für dich der größte Unterschied zwischen dem VFL Osnabrück und Borussia Dortmund?
Steffen Tigges: Die Größe des Vereins ist natürlich ein Unterschied. Obwohl das Gefühl zwischen dem VFL und der Region Osnabrück dem Gefühl von Borussia Dortmund und der Stadt Dortmund relativ ähnlich ist. Hier in Dortmund ist es ja eine komplette Begeisterung für den Verein, das ist in Osnabrück auch zu spüren. In Osnabrück leben auch alle den VFL, wenn der Verein am Wochenende gewonnen hat sind alle gut drauf, wenn er verloren hat sind alle am Montag erstmal schlecht drauf. Ich denke, das ist hier auch so. Nur eben alles noch viel größer und der sportliche Erfolg ist natürlich auch ein anderer.
schwatzgelb.de: Themenwechsel: Wie viele Stunden verbringst du in der Woche im Kraftraum?
Steffen Tigges: Ich versuche schon viel für mich zu tun. Ich glaube das hilft mir auch stabil zu werden, das ist aufgrund meiner Größe wichtig. In Stunden würde ich sagen so fünf, sechs, vielleicht auch sieben. Nach dem Training bin ich eigentlich immer oben im Kraftraum und mache etwas für mich. Das ist wichtig, um die Leistung auch auf den Platz zu bringen.
schwatzgelb.de: Welche Übungen sind dir besonders wichtig, auch im Hinblick auf Verletzungsprävention?
Steffen Tigges: *lacht* Am wichtigsten ist mir eigentlich fast Flachbankdrücken. Aber grundsätzlich ist es vor allem wichtig, richtig zu regenerieren. Sich ausrollen, Fahrrad zu fahren um einfach Muskelverletzungen, die dann ja am Ehesten kommen, vorzubeugen. Vor dem Training vorbereiten, nach dem Training nachbereiten. Andere Verletzungen kann man ja nur schwer vorbeugen. Wenn einem der Gegner auf den Knöchel steigt oder man im Rasen hängen bleibt, da kann man wenig dagegen machen. Aber um Muskelverletzungen vorzubeugen, kann man sich gut dehnen, mit der Blackroll ausrollen und so etwas. Das ist schon wichtig.
schwatzgelb.de: Wurdest du schon mit Erling Haaland verglichen?
Steffen Tigges: Ja schon, von vielen Freunden auf jeden Fall. Ich finde zwar nicht, dass wir uns so ähnlich sehen, wenn man uns ins Gesicht guckt, aber vielleicht, wenn man nur auf die Größe und die blonden Haare achtet. Ich hätte schon gerne den Spielstil von Erling, das muss ich sagen. Ich fände es gut, wenn jemand sagen würde, dass wir uns da sehr ähneln, aber ich habe einen anderen Spielstil. Da fehlt mir noch viel. Erling hat schon richtig Qualität.
schwatzgelb.de: Eigentlich kamst du ja als klassischer Mittelstürmer, mittlerweile sieht man dich jedoch auch immer wieder auf den Außenbahnen. Wo fühlst du dich am wohlsten?
Steffen Tigges: Wie gesagt, ich fühle mich in der Sturmspitze am Wohlsten. Da sehe ich auch das größte Entwicklungspotential für meine Karriere. Mir macht es am meisten Spaß Tore zu schießen und da hast du natürlich vorne durch den direkten Weg zum Tor deutlich einfacher. Deswegen spiele ich am liebsten vorne.
schwatzgelb.de: Bislang stehst du bei neun Toren und zehn Assists in 24 Spielen. Zufrieden?
Steffen Tigges: Grundsätzlich, wenn mir das jemand vor der Saison gesagt hätte, hätte ich gesagt ja. Wie es in der Saison verlaufen ist, hätten es dann auch ein paar mehr sein dürfen. Von den Vorlagen nicht unbedingt, aber bei den Toren wäre ich jetzt schon gerne über zehn. Ich habe in der Saison super angefangen. In neun Spielen hatte ich glaube ich sechs Tore, dann hat es bis zum Winter ein bisschen gestockt bis zum Spiel gegen Lotte. Aus der Winterpause bin ich eigentlich ganz gut rausgekommen. Aber in so ein paar Spielen hätten es ein oder zwei Tore mehr sein können.
schwatzgelb.de: Wie sehen diesbezüglich deine Ziele für den Rest der Saison und auch langfristig aus?
Steffen Tigges: Noch mehr Tore sind immer gut. Ich habe mir eigentlich vor der Saison gesagt zehn Tore plus. Ich hätte nur irgendwie gehofft, dass ich das Ziel schon etwas früher nach oben korrigieren kann. Ja, das muss ich als erstes schaffen. Zehn Tore plus. Aber wenn ich so am Ende auf 25 bis 30 Scorerpunkte komme, wäre ich schon absolut zufrieden. Und langfristige Ziele, ich habe immer gesagt, dass ich Bundesliga spielen möchte. Das ist aber noch ein ganz schön langer Weg bis dahin. Ich war jetzt im Winter bei den Profis mit im Trainingslager und da merkt man schon, dass noch ein bisschen etwas fehlt – aber natürlich ist das auch die höchste Stufe der Bundesligaqualität. So zweite Bundesliga wäre aber schon ein Ziel von mir, das ich auch erreichen kann, wenn ich mich weiterentwickle. Dieses Ziel setze ich mir auf jeden Fall.
schwatzgelb.de: Jetzt hast du es uns ein bisschen vorweggenommen. Du warst, wie du gesagt hast, im Winter mit den Profis in Marbella. Gegen Lüttich durftest du auch spielen. Was hast du dort an Eindrücken mitgenommen? Wie war es, mal bei den „Großen“ zu spielen?
Steffen Tigges: Erstmal ist es eine Mannschaft mit riesig viel Qualität. Das sieht man schon auf dem Platz, wenn man es sich nur von außen anguckt. Wenn man dann dabei ist kommt es einem gefühlt noch schneller vor. Man muss sich ganz anders anpassen, man muss sich viel mehr vororientieren und viel schneller sein. Das sind Sachen, die ich auf jeden Fall noch verbessern muss, das habe ich dort im Training bemerkt. Man hat nicht so viel Zeit den Ball anzunehmen, zu schauen und dann zu spielen, sondern man muss in einer Bewegung gucken und spielen, um den Ball nicht zu verlieren. Da muss man sich dran gewöhnen. Ich muss aber noch viel an mir arbeiten, um dieses Niveau vielleicht irgendwann mal erreichen zu können.
schwatzgelb.de: Trainierst du auch im normalen Betrieb ab und an “oben” mit?
Steffen Tigges: Im Moment nicht mehr. Im Winter war ich dabei, weil Erling Haaland und Paco noch verletzt oder angeschlagen waren. Im Moment ergibt sich das auch gar nicht, da es so viele englische Wochen gibt. Dementsprechend ist der Trainingsbetrieb nicht so regelmäßig, wie er in der Vorbereitung oder ohne englische Wochen ist, von daher bin ich da im Moment nicht integriert.
schwatzgelb.de: Mal wieder weg von den Profis zur U23: Wo stehst du eigentlich im Mannschaftsgefüge? Siehst du dich mit deiner Erfahrung im Herrenfußball und den U-Nationalmannschaften als einen Führungsspieler?
Steffen Tigges: Grundsätzlich haben wir eine sehr breite Hierarchie. Wir haben nicht so die Führungsspieler, weil wir eine junge Mannschaft sind. Im Team sind glaube ich nur vier Leute über 24 Jahre alt. Steven, Hobi, Jo und Arif. Da muss jeder Verantwortung übernehmen, weil einfach nicht so viele Leute wahnsinnig erfahren sind. Ich versuche schon meine im Herrenbereich gesammelte Erfahrung einzubringen. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich nur sage das und das muss jetzt gemacht werden. Mir können auch gerne andere Leute auf Fehler hinweisen. Die mache ich auch einfach, als junger Spieler. Von daher: Ich versuche schon, der Mannschaft zu helfen und Verantwortung auf und neben dem Platz zu übernehmen. Aber auch nicht mehr als alle anderen.
schwatzgelb.de: Wie sieht momentan eigentlich euer Mannschaftsrat aus?
Steffen Tigges: Jo [Joseph Boyamba] ist erster Kapitän. Dann kommt Marco Rente. Außerdem Marco Hober, Lars Bünning und Jan Reckert. Das sind die Fünf, die vor der Saison vom Trainer bestimmt wurden.
schwatzgelb.de: Kommen wir mal zum aktuellen Saisonverlauf: Beantragt ihr, künftig mit einem Tor Rückstand ins Spiel zu starten, um von Anfang an hellwach zu sein?
Steffen Tigges: Ich weiß es nicht. Wenn wir danach immer gewinnen, können wir gern bis zum Ende der Saison immer erst in Rückstand geraten. Woran das aber liegt, dass wir immer zurückliegen und dann in der zweiten Halbzeit im Prinzip wie ausgewechselt spielen, das kann ich nicht sagen. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir Spiele wie gegen Homberg oder Düsseldorf II irgendwie auf die leichte Schulter nehmen und deshalb nicht mit Spannung im Spiel sind. Aber irgendwie schaffen wir es dann auf dem Platz nicht, diese Spannung in gute Leistung umzumünzen. Gefühlt brauchen wir im Moment einfach so einen kleinen Schlag ins Gesicht, um unsere Leistung abrufen. Im Moment hat es auf jeden Fall immer zu Punktgewinnen gereicht. Obwohl wir jetzt in den letzten beiden Spielen mit drei Punkten gerechnet haben, die wir dann natürlich nicht holen konnten. In Homberg hätten wir auch vom Spielverlauf her gewinnen müssen. Aber wenn du immer in der ersten Halbzeit nicht die Leistung bringst, die eigentlich in der Mannschaft steckt, dann muss man sich auch manchmal mit einem Punkt zufriedengeben.
schwatzgelb.de: Kann das auch mit eurem im Schnitt sehr jungem Alter zusammenhängen?
Steffen Tigges: Es hat bestimmt auch etwas damit zu tun. Aber grundsätzlich kann ich wirklich nicht sagen woran es liegt, weil wir Spiele hatten, in denen wir von Anfang an klar da waren und auch über die ganze Distanz dominiert haben. Aber wir hatten Phasen in dieser Saison, in denen wir es dann zu oft haben locker angehen lassen und dachten, dass es wahrscheinlich schon von alleine gehen würde. Wenn ich das Spiel gegen Lippstadt nehme, wo wir nach 10 Minuten 1-0 führen und man dann davon ausgehen müsste, dass wir die dann gegen die Wand spielen. Dann aber haben wir das Spiel ja komplett aus der Hand gegeben. Das liegt bestimmt auch daran, dass wir wenig Erfahrung haben und noch sehr jung sind, aber das darf natürlich auch keine Ausrede sein.
schwatzgelb.de: Es bleibt gleich bei möglichen Ausreden: Der Platz in der Roten Erde ist ja zum Teil wirklich eine Katastrophe, vergangenes Wochenende kam es auch wieder einmal zur Spielabsage. Wie geht ihr als Spieler damit um, dass immer wieder Spiele ausfallen oder auf einem Kartoffelacker mit erhöhtem Verletzungsrisiko gespielt werden muss?
Steffen Tigges: Es wäre natürlich angenehmer, wenn es nicht so wäre. Man hat natürlich den großen Unterschied, dass wir am Trainingsgelände super Bedingungen und super Plätze haben und dann am Wochenende halt in der Erde sind. Es ermöglicht vielleicht nicht den Spielfluss, den wir von uns erwarten und auch als Potenzial haben. Aber ich würde jetzt auch gerne eine Phrase raushauen: Die anderen Mannschaften müssen auch auf dem Rasen spielen. Von daher darf es für uns ja auch keine Ausrede sein. Wir haben ja jetzt auch alle Spiele nach dem Winter Zuhause gewonnen, von daher zeigt es ja auch dass die Mannschaft es nicht als Ausrede nimmt, sondern dann erst recht zeigen möchte, dass man auch auf so einem Platz gut Fußball spielen kann
schwatzgelb.de: Konkret jetzt noch einmal die Spielabsagen, auch bei anderen Mannschaften: Ist das ein bisschen Wettbewerbsverzerrung?
Steffen Tigges: Ich glaube, dass wir bis zur letzte Woche die einzige Mannschaft in der Regionalliga West waren, die alle Spieltage hatte, die bis dahin auch gespielt werden sollten. Das Spiel gegen Köln II ist unser erstes Spiel in dieser Saison, was abgesagt werden musste. Grundsätzlich macht es für mich keinen Unterschied, ob wir jetzt unter der Woche gegen Köln spielen oder jetzt ein Spiel weniger haben. Ich kann schon verstehen, dass, wenn es um den Auf- oder Abstieg geht, es dann schon nervig sein kann, wenn man nicht die Möglichkeit hat, mit allen anderen Mannschaften aus der Tabellenregion zu punkten. Das hat man jetzt ja in der Bundesliga auch bei Bremen gesehen. Dementsprechend kann ich es schon verstehen, wenn sich darüber aufgeregt wird. Wir haben natürlich nicht mehr den Kontakt nach oben. Von daher ist es für uns meiner Meinung nach weder Vor- noch Nachteil.
schwatzgelb.de: Wie sieht so ein Tag nach einer Absage aus? Habt ihr frei? Ersatztraining? Wie versucht ihr, den Rhythmus zu halten?
Steffen Tigges: Wir haben es am Freitag vor dem Köln II Spiel erfahren und dann war einfach ganz normales Training. Dienstag hatten wir einen Tag frei. Es war der ganz normale Rhythmus, den wir auch gehabt hätten, wenn wir gespielt hätten. Wir haben dann am Sonntag statt des Spiels ein intensiveres Training gemacht, sozusagen als Ersatz dafür. Man merkt natürlich, dass die Spannung etwas weg ist, die sich dann zum Ende der Woche hin aufgebaut hat. Es war ein bisschen entspannter. Aber im Prinzip hält man auch die Spannung im Training hoch. Durch kleine Spielformen, durch Spiele um Punkte. Wir haben zum Beispiel eine Meisterwertung, in der es darum geht, wer keinen Küchendienst haben muss. Wer oben steht muss keinen Dienst machen und da sind die Jungs natürlich heiß darauf. Da ist die Spannung in solchen Trainingsspielen gefühlt noch höher, als sie sowieso schon sein sollte. Von daher kriegen unsere Trainer das auch immer gut hin, dann Spannung auf dem Kessel zu haben.
schwatzgelb.de: Wo stehst du denn in der Tabelle?
Steffen Tigges: Ziemlich weit unten. *lacht* Ich habe mich jetzt in den letzten Tagen und Wochen hochgekämpft, aber ich bin auf jeden Fall im Moment noch auf einem Küchendienstplatz. Das heißt, ich bin nicht unter den ersten drei.
schwatzgelb.de: Also nur die ersten drei müssen keinen Küchendienst machen?
Steffen Tigges: Ja genau. Jede Woche sind drei, vier Leute nominiert, die den Küchendienst machen müssen. Das heißt für die anderen Frühstück vorbereiten, abspülen und sowas. Die ersten drei sind da echt privilegiert. Um die Plätze wird also immer ziemlich gekämpft.
schwatzgelb.de: Mike Tullberg kam zusammen mit dir zum Verein. Beschreib ihn doch mal als Trainer.
Steffen Tigges: Er ist ein sehr empathischer Mensch der viel von Fußball versteht. Er ist noch jung, also kann er sich sehr gut auf uns junge Spieler einstellen. Er hat jetzt in der Winterpause versucht ein bisschen was zu verändern, er hat umgestellt auf eine Dreierkette, weil es am Ende der Hinrunde nicht so gut funktioniert. Wir hatten ja um Oktober rum eine ziemlich schlechte Phase mit Aachen und Schalke II. Wir haben versucht, im Training eine andere Spannung zu fordern. Grundsätzlich ist er einer, der immer versucht einen Spieler besser zu machen, versucht Tipps zu geben. Er gibt alles für die Mannschaft, was für einen Trainer natürlich sehr wichtig ist.
schwatzgelb.de: Kann er auch mal richtig ausrasten?
Steffen Tigges: Auf jeden Fall. Wir haben ihm auch öfter mal genug Grund dafür gegeben in dieser Saison. Vor allem jetzt in den letzten Wochen in den Halbzeitpausen. Er kann aber gut einschätzen, wann wir mal einen Arschtritt brauchen und wann wir eher taktisch sehen müssen was wir besser machen können. Das kann er ganz gut. Er kann dann auch umschalten, dass er erstmal versucht die Mannschaft wachzurütteln und zu packen, dann aber auch analysiert was wir falsch gemacht haben und verbessern müssen.
schwatzgelb.de: Schauen wir zum Fußball im Allgemeinen: Zurzeit herrscht da eine ziemliche Aufregung in Deutschland. Beschäftigst du dich mit so etwas?
Steffen Tigges: Auf jeden Fall. Man kommt ja sowieso nicht dran vorbei. Mit den Themen Hopp, Rassismus und Diskriminierung – obwohl man das natürlich nicht in eine Schublade packen sollte. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man versuchen müsste, jetzt irgendwo einen Konsens zu finden. Klar hat eine Beleidigung gegen eine einzelne Person meiner Meinung nach keinen Platz im Stadion, man sollte jetzt aber nicht sagen, dass die Fans sich gar nicht mehr äußern dürfen. Denn die sind es auch, die durch Kommerzialisierung und Co die Leidtragenden sind. Für uns als Spieler ist es egal ob wir jetzt dienstags oder montags um halb neun spielen. Für die Fans ist das etwas ganz anderes. Dementsprechend finde ich es gut, wenn sie dazu ihre Meinung sagen. Aber wie schon gesagt: Beleidigungen etc. sollten im Stadion keinen Platz haben. Ich kann es aber auch nachvollziehen, da ich weiß, dass das ein gewisser Trigger ist und die Belange der Fans so eher gehört werden. Da müsste man anders reagieren und auch die Fans mehr ins Boot holen. Wenn diese sich besser gehört fühlen, müsste es gar nicht so weit kommen.
schwatzgelb.de:
Du
bist ja auch selbst Fußballfan, Fan von Osnabrück, wie sehr lebst
du das aus?
Steffen
Tigges:
Schon sehr. Meine Freundin würde sagen zu viel. Wenn ich dann
Saarbrücken gegen Düsseldorf schaue, müsste das für sie nicht
sein. Ich versuche, viel Fußball zu gucken und beschäftige mich
auch viel mit damit. Es ist meine Leidenschaft. Ich gucke
wahrscheinlich auch weniger interessante Spiele. Von daher besteht
mein Tag schon gefühlt zu 50% aus Fußball.
schwatzgelb.de:
Es
ist ja inzwischen etwas untergegangen, aber in jüngster
Vergangenheit kam es wiederholt zu rassistischen Vorfällen in den
Stadien, auch in Deutschland. Beschäftigt ihr euch auch als
Mannschaft damit? Habt ihr euch schon mal überlegt, wie ihr damit
umgehen würdet, sollte es bei einem eurer Spiele zu derartigen
Vorfällen kommen?
Steffen
Tigges:
Gefühlt ist es ja auch immer sehr weit weg von einem, bis es dann
passiert. Also erst mal: Rassistische Beleidigungen gehen sowieso
nicht und dann ist aber auch die Reaktion, die darauf folgt, wichtig.
Oft sind es dann ja nur so symbolische Akte. Wenn man zum Beispiel
nach Berlin schaut, wo sich die weißen Spieler einen schwarzen
Strich auf die Wange gemalt haben und die dunkelhäutigen Spieler
einen weißen Strich. Es muss aber auch etwas anderes getan werden.
Man muss aktiv etwas dagegen tun und sich nicht in symbolischen
Handlungen verlieren. Wir haben jetzt in der Mannschaft noch nicht
darüber geredet. Es ist bei uns auch kein Thema, wir sind eine
multikulti Mannschaft und wir sind bunt. Von daher beschäftigt sich
keiner damit, weil es bei uns in der Mannschaft gefühlt sehr weit
weg ist. Ich wüsste jetzt aber auch nicht wie ich auf dem Platz
reagieren würde, wenn es dann passieren würde.
schwatzgelb.de:
Akanji hatte dieses Thema zuletzt auch angesprochen und gemeint, sie
würden geschlossen vom Platz gehen. Wäre das für euch auch eine
Option?
Steffen
Tigges: Definitiv.
Es wäre natürlich ein Zeichen, dass man das nicht duldet und dass
so etwas im Fußball keinen Platz hat. Es ist auch ein Spiegelbild
unserer Gesellschaft, dass es im Fußball immer mehr Rassismus gibt.
Diskriminierung, Rassismus gibt es auch in der normalen Gesellschaft
und im Alltag. Was genau man neben symbolischen Aktionen tun kann,
kann ich nicht sagen, aber man sollte etwas verändern. Da fand ich
zum Beispiel das, was in Münster passiert ist gut, dass alle auf
den, der die Beleidigungen ausgesprochen hat, gezeigt haben, er aus
dem Stadion geschmissen wurde und Stadionverbot bekommen hat. Das hat
für mich dann auch nichts mit Verpetzen zu tun, sondern mit
Zivilcourage. So etwas darf es im Fußball und generell einfach nicht
geben.
schwatzgelb.de: Kleiner Cut: Einige deiner Kollegen studieren ja nebenbei. Wie sieht das bei dir aus? Machst du dir jetzt schon Gedanken über die Zeit nach deiner Karriere?
Steffen Tigges: Ich absolviere auch ein Fernstudium. Ich studiere jetzt im dritten Semester Sportbusiness Management an der IST in Düsseldorf.
schwatzgelb.de: Möchtest du dann nach deiner Karriere konkret in diese Schiene gehen?
Steffen Tigges: Ja. Ich finde es sehr interessant sich mit den spezifischen Sachen, die in der Sportbranche anders sind, als in der normalen Wirtschaft auseinanderzusetzen. Die normalen Themen in der BWL sind dann eher weniger spannend. Wie es immer im Studium ist. Es gibt Lieblingsbereiche und die, die man nicht so gerne mag. Es ist für mich aber auf jeden Fall eine Option für nach der Karriere. Was genau ich da machen möchte, soweit bin ich noch gar nicht, das ergibt sich dann, wenn es soweit ist. Viele Vereine wollen sich professioneller aufstellen, dementsprechend wird in dieser Sparte immer mehr gesucht.
schwatzgelb.de: Zum Schluss werden wir noch einmal gemein: Bald steht das Derby an. Macht die Erste das besser als ihr?
Steffen Tigges: Schlechter kann man es ja nicht machen. Wenn man so die Leistungskurve von Dortmund und Schalke und die generelle Mannschaftsqualität ganz nüchtern sehen würde, wäre Dortmund natürlich stärker. Ich habe es noch nicht live erlebt, aber ein Derby ist ja nochmal etwas Besonderes, gefühlt wie ein Pokalspiel, wenn ich das richtig einschätzen kann. In Osnabrück war es gegen Münster ein kleinerer Rahmen. Dortmund wäre von der Mannschaftsqualität her eher der Favorit, aber gefühlt gibt es das im Derby nicht.
schwatzgelb.de: Vielen Dank für das Interview!