Warmlaufen

Totgesagte leben länger

03.05.2019, 20:26 Uhr von:  Vanni
Totgesagte leben länger

Schon klar: Nach dem, was am letzten Wochenende passiert ist, ist es nicht ganz einfach, wieder Bock auf den Bundesliga-Endspurt zu bekommen. Niemand wird verschweigen wollen, dass die Niederlage im Derby nicht weh getan hat, auch wenn die viel bemühten Vergleiche zu 2007 aus mehreren Gründen nicht standhalten konnten. Aber eine Derbyniederlage ist nun mal eine Derbyniederlage. Immerhin wurde der Schmerz zumindest für den Verfasser dieser Zeilen dann am letzten Sonntag ein bisschen (sofern möglich) gelindert, weil die Bayern in Nürnberg Punkte liegen ließen. Totgesagte leben eben doch länger und das Meisterschaftsrennen ist noch nicht entschieden. Das merkte unter der Woche dann auch Lucien Favre, der seine voreilige Kapitulation wieder zurücknahm und den Blick wieder nach vorne richtete. Und so schwer es auch ist, das sollten wir nun alle tun. Es gibt immer noch etwas zu holen, nicht weniger als die deutsche Meisterschaft. Drei Spiele sind noch zu spielen, nullneun Punkte sind noch einzufahren und der BVB täte gut daran, alles daran zu setzen, möglichst viele davon auch zu holen. Außerdem geht es am morgigen Samstag bei Werder Bremen auch darum, ein wenig Revanche zu nehmen. Denn das letzte Aufeinandertreffen war vielleicht ein Schlüsselpunkt in der laufenden Saison.

Derbyblues

Wir erinnern uns zurück: im DFB-Pokalachtelfinale empfängt am 5. Februar der Tabellenführer der Bundesliga Werder Bremen. Im Tor sind die Gastgeber arg gebeutelt, fallen sowohl Roman Bürki als auch Marwin Hitz mit grippalem Infekt aus, sodass Eric Oelschlägel, seines Zeichens selbst ehemaliger Bremer, zwischen den Pfosten stehen muss. Am Ende eines furiosen Spiels setzt sich Werder mit 4:2 im Elfmeterschießen durch. Soweit eigentlich gar nicht so schlimm, wenn auch ärgerlich, doch diese Niederlage schien etwas mit den Köpfen der bis dahin fast ohne Makel durch die Bundesliga marschierenden Borussen zu machen. Es war der Auftakt zur wohl größten schwarzgelben Schwächephase der Spielzeit: am Samstag nach dem Pokalaus verspielt Borussia eine 3:0-Führung im Westfalenstadion gegen die TSG Hoffenheim und spielt am Ende nur 3:3, es folgt der Anfang vom Ende in der Champions League mit einer 0:3-Niederlage bei Tottenham Hotspur, außerdem kommt der BVB beim Schlusslicht aus Nürnberg nicht über ein 0:0 hinaus. Und somit verabschiedet sich die Borussia in wenigen Wochen aus dem DFB-Pokal und der Champions League, der Vorsprung auf den FC Bayern München verringert sich von sieben Punkten (vor dem Pokalaus gegen Werder) auf drei Punkte.

Der Oehler ist geschlagen, Bremen feiert

Geht die Saison nicht doch noch entgegen der Wahrscheinlichkeiten mit einem Titel für den BVB aus, so stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass man vor allem diese skizzierten Wochen als Wendepunkt einer starken Spielzeit ausmachen wird. Und somit kämpft Borussia am Samstag im Weserstadion vielleicht nicht nur für die eigene Zukunft, sondern auch gegen die eigene Vergangenheit. Revanche für das Pokalaus und der Erhalt der Restchancen im Kampf um die deutsche Meisterschaft, nicht weniger steht auf dem Spiel. Dabei schleppt man nur leider noch zwei Altlasten aus dem Derby mit, stehen weder Marco Reus noch Marius Wolf nach ihren roten Karten zur Verfügung, was Lucien Favre wieder mal zu kleineren oder größeren personellen Veränderungen zwingt. Für Marco Reus könnte Mario Götze nach hinten rücken, während Paco Alcacer im Sturm versuchen dürfte, seine Torquote oben zu halten. Auf den Außen könnte dann schließlich Christian Pulisic oder Jacob Bruun Larsen eine Option sein. Für den Wolf-Ersatz stellt sich die Frage, ob Lukasz Piszczek nach seiner Verletzung wieder zur Verfügung steht. Falls nicht, muss Favre kreativ werden. Dann könnte Manuel Akanji auf die Rechtsverteidigerposition rücken und Ömer Toprak als Innenverteidiger aufgeboten werden.

Der Kapitän fehlt nach der roten Karte im Derby

Auf Werderaner Seite fehlen unterdessen Moisander mit einer Gelbsperre sowie Bargfrede und Bartels verletzungsbedingt, Offensivmann Rashica ist noch fraglich. Derweil spielen die Bremer auch keinesfalls nur um die goldene Ananas, sondern dürften auch alles daransetzen, die Punkte zu Hause zu behalten und die Träume von Europa am Leben zu erhalten, auch wenn die vier Zähler Rückstand auf Hoffenheim noch eine ordentliche Hypothek sind. Ein weiteres Wiedersehen gibt es schließlich auch mit Nuri Sahin, der in Bremen mittlerweile zum Stammspieler geworden ist und unter Dortmundern vollkommen verständlich zum Teil noch geliebt, zum Teil mehr als respektiert wird.

Dortmunder Jungs...

Was macht man also aus diesem Aufeinandertreffen? In erster Linie darauf hoffen, dass die BVB-Elf weiß, dass sie immer noch eine Chance auf die Meisterschaft hat – auch wenn diese nicht mehr in der eigenen Hand liegt. Darüber hinaus, dass sie alles daransetzen wird, diese Chance am Leben zu erhalten. Ein Sieg in Bremen würde die Geschehnisse im Derby nicht unvergessen machen und auch nicht direkt ausmerzen – aber er würde sie vielleicht zunächst ein wenig in den Hintergrund drängen. Deswegen gilt es sowohl für die elf bis vierzehn Borussen, die im Weserstadion auf den Platz stehen werden, aber auch für die rund 4.000 Borussen, die den BVB auf seiner Reise begleiten werden (und auch wenn es drei Euro ins Phrasenschwein kostet): haut alles raus, gebt alles, seid gierig, seid offensiv, habt Bock und verdammt noch mal, nehmt die drei Punkte mit nach Hause! Totgesagte leben länger! Und es ist erst vorbei, wenn die fette Dame gesungen hat! (So, und nun gehe ich meinen Notgroschen zusammen kratzen, denn da werden mehr als drei Euro fällig…)

HEJA BVB!

Voraussichtliche Aufstellungen

Werder Bremen: Pavlenka – Gebre Selassie, Veljkovic, Friedl, Augustinsson – Sahin – M. Eggestein, Klaassen – Kruse – Osako, Rashica

Borussia Dortmund: Bürki – Piszczek, Weigl, Akanji, Diallo – Witsel – Sancho, Götze, Guerreiro, Pulisic – Alcácer

Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)

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