Von Fans - Für Fans

Gute Seele, historischer Ort und Meistermacher – Geschichte und Geschichten des Fan-Projekt Dortmund

31.01.2019, 15:05 Uhr von:  Gastautor
Football was my first love

Als „gute Seele der Fanszene“ wurde das Fan-Projekt Dortmund im letzten Podcast von Football was my first love bezeichnet. Kein Wunder, wenn man hört, welche Anekdoten Thilo Danielsmeyer, der Leiter des Fan-Projektes, im Podcast erzählt. In Kooperation mit Football was my first love veröffentlichen wir eine Zusammenfassung.

Thilos Karriere im Fan-Projekt begann 1992 kurios: Nachdem sein Vorgänger von Fans aus dem Bus geworfen worden war, weil er kein Bier mit ihnen trinken wollte, sprach für Thilo unter anderem, dass man ihm zutraute, „mit den Jungs auch mal ein Pils“ zu trinken. Eine durchaus wichtige Qualifikation in den frühen 1990er-Jahren.

Das Fan-Projekt selbst war zu der Zeit schon fast 5 Jahre alt. Gegründet wurde es Ende 1987, als Dortmunder Politiker und Bürger die Idee hatten, sich auch abseits von Polizeieinsätzen mit der rechtsradikalen Borussenfront zu beschäftigen und nachzuforschen, warum die Gewalt so ausufert. 1988 wurde dann Rolf-Arnd Marewski als erster und für einige Jahre einziger Mitarbeiter eingestellt.

„Da interessiert sich mal einer für uns“

Seine Aufgabe war es, sich um den harten Kern der Dortmunder Hooligans zu kümmern. Natürlich waren diese anfangs skeptisch, verstanden aber schnell: „Da interessiert sich mal einer für uns.“ Rolf fuhr mit den Hools am Wochenende zu den Spielen und half ihnen unter der Woche, sich sozial zu stabilisieren und teilweise aus der Szene auszusteigen. Auch deswegen verlor die Borussenfront in den nächsten Jahren an Attraktivität.

Als Thilo 1992 beim Fan-Projekt anfing, war die Hooligan-Szene allerdings noch mehr als lebendig, wie seine Schilderungen von den ersten Fahrten nach Bochum und Saragossa zeigen. Während in Bochum rund 2-3.000 Dortmunder die Castroper Straße hochjagten und es zu Krawallen mit den Bochumern kam, gab es auf dem Weg nach Saragossa in Lloret de Mar Ärger, wo 70 Borussenfrontler das halbe Mobiliar des Hotels in den Swimming-Pool verfrachtet hatten.

Mit den internationalen Erfolgen ab der Saison 1992/93 veränderte sich die Fußballkultur in Dortmund. Durch die Professionalisierung von Verein und Ordnungsdienst, die hohen Zuschauerzahlen und die Arbeit des Fan-Projektes standen die Hooligans weniger im Mittelpunkt als zuvor und der Hooliganismus ebbte ab, wenn er auch nie ganz weg war. Das Fan-Projekt konnte sich von nun an auch vermehrt um andere Fans kümmern.

Heimat der jungen Ultrabewegung

Nach einigen ruhigeren Jahren kamen Ende der 90er-Jahre ziemlich viele junge Fans auf das Fan-Projekt zu: Die Zeit der Ultras hatte begonnen. Wie schon in den Jahren zuvor seit seinem Bau 1992 entwickelte sich der Fan-Laden in der Dudenstraße zu einem der zentralen Orte der Dortmunder Fanszene. Immer mehr Fans diskutierten hier über die schlechte Stimmung auf der Südtribüne und was man dagegen tun könne. Wenig später wurde hier THE UNITY gegründet, die Desperados entwarfen in ihrer Anfangszeit Gesänge und Fahnen vor Ort und auch die Jubos erblickten in dem Raum das Licht der Welt. Es entstand eine Fankultur mit Choreographien und Engagement, wie man sie bisher in Dortmund nicht kannte.

"Hände weg vom Fanprojekt" - Aktion bei der Übergabe des UEFA-Pokals an die Stadt Dortmund 2001 (Foto: Pini)

Mit dem Wachsen der Fanszene wuchsen auch die Aufgaben für das Fan-Projekt, das übrigens von DFL, Land NRW und Stadt Dortmund finanziert wird und damit unabhängig vom Verein agiert. Das Team unterstützte die Ultras bei Choreographien und begleitete sie zu immer mehr Spielen der wiedererstarkten Profis und der Amateure: Bei über 80 Spielen war das Fan-Projekt in der vergangenen Saison vor Ort. Kein Wunder, dass Thilo zehn Jahre lang Anträge für neue Mitarbeiter und Gelder gestellt hatte – bewilligt wurde ein neues Projekt mit zwei neuen Mitarbeitern aber erst, nachdem die neue Hooligangruppe Riot0231 für Aufsehen gesorgt hatte.

Hinsichtlich der Zukunft der Fankultur ist Thilo gespannt. Er freut sich über das viele positive Engagement der Fans vor allem hier in Dortmund, die ja auch kürzlich mit der Abschaffung der Montagsspiele einen großen Erfolg verbuchen konnte. Gleichzeitig gibt es natürlich viele gegensätzliche Interessen von den Vereinen, die ja mittlerweile Wirtschaftsunternehmen sind, aber auch der Polizei. „Wenn die Ultrakultur untergehen würde, wäre das das Ende der Fankultur, wie wir sie bislang kennen“, ist Thilo überzeugt.

„Wäre dieser Abend hier nicht gewesen, wäre Dortmund kein Meister geworden“

Es wird also auch zukünftig einige Herausforderungen geben. Dass das Fan-Projekt bei großen Herausforderungen in der Vergangenheit schon sehr erfolgreich war, zeigen Thilos Anekdoten zum Abschluss: Nach monatelangem Streit zwischen Jens Lehmann und den BVB-Fans schaffte das Fan-Projekt es bei einem gemeinsamen Abend die Fronten zumindest etwas zu beruhigen. „Wäre dieser Abend hier nicht gewesen, wäre Dortmund kein Meister geworden“, meint Thilo im Nachhinein. Und auch Matthias Sammer ging hier nach seinem Wechsel zum BVB Anfang 1993 erfolgreich durch „das größte Stahlbad, das er als Sportler je erlebt hat“, wie er noch 20 Jahre später einen Abend mit den Dortmunder Hooligans beschreibt.

Wer den gesamten Podcast oder andere Podcasts von Football was my first love hören möchte, findet die Folgen bei iTunes, Spotify oder Soundcloud.



Pini, 31.01.2019

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