Unser Ziel, das ist doch klar....
Die erste Etappe auf dem Weg in die neue Saison ist fast geschafft. Trainingsauftakt. Heute bittet Lucien Favre die Spieler, die nicht aufgrund von Nationalmannschaftsabstellungen eine Urlaubsverlängerung bekommen haben, zum traditionellen Laktattest. Es ist zwar noch etwas hin, bis am 09.08. der Ball das erste Mal wieder ernsthaft in der ersten Pokalrunde rollt, aber immerhin ist wieder Betrieb beim BVB.
Und wenn wir noch ein Motto suchen sollten, unter das wir die Spielzeit 2019/2020 stellen könnten, werden wir schnell im Lied „BVB marschiert“ fündig:
BVB marschiert, BVB geht ran,
bei Borussia Dortmund stürmen alle Mann,
unser Ziel, das ist doch klar
wir werden Meister, wir werden Meister
wir werden Meister, vielleicht im nächsten Jahr.
Vermutlich werden abergläubische Leute jetzt zusammenzucken, weil einem das Schicksal häufig die lange Nase zeigt, wenn man zu forsch ist, aber eigentlich ist es nur zwangsläufig, dass Borussia Dortmund mit diesem Ziel in die neue Saison startet. Ja, streng genommen kann man gar nichts anderes anvisieren, wenn man nicht ziemlich unglaubwürdig dastehen will.
In der abgelaufenen Saison ist man, was Zielsetzungen angeht, einen sehr eigenwilligen, um nicht zu sagen merkwürdigen Kurs gefahren. In der Winterpause, als man mit deutlichem Vorsprung Tabellenführer war, schob man alle Ansprüche auf den Titel weit von sich und wollte nur von Spiel zu Spiel denken. Dann drängten sich die Bayern an uns vorbei auf die Pole Position und genau dann erklärte man, am liebsten am Ende der Saison doch auf Platz 1 stehen zu wollen. Favres öffentliche Aufgabe im Titelkampf nach dem verlorenen Derby und dem Widerspruch seines Chefs Watzke passt in diesem Zusammenhang zwar wie die Faust aufs Auge zum damaligen Orientierungseierkurs, war aber auch nicht mehr als ein Randaspekt. In wie weit das Fehlen, beziehungsweise die mangelnde Eindeutigkeit in der Zielsetzung jetzt letztendlich mit verschuldet hat, dass die Schale erneut in den Süden gewandert ist, ist sehr spekulativ – leistungsfördernd wird es aber keinesfalls gewesen sein.
Das werden auch Spieler und Offizielle am Ende so gesehen haben. Direkt nach dem letzten Saisonspiel erklärte Kapitän Marco Reus, dass es innerhalb der nächsten „zwei, drei Jahre“ mit der Meisterschale klappen müsse, Hans-Joachim Watzke legte später nach, dass man in der neuen Saison wieder versuchen wolle, um die Meisterschaft mitzuspielen. Das mag zwar defensiver klingen als „wir wollen Meister werden“, aber letztendlich bedeutet es nichts anderes. Man kann auch nicht versuchen, schwanger zu werden, ohne dabei das Ziel zu haben, ein Kind zu kriegen.
Zu dem Zeitpunkt wird Watzke sich auch, angesichts des Stands bei den Transfertätigkeiten, bewusst gewesen sein, dass er schlecht ein anderes Ziel ausrufen kann. Zum ersten Mal seit langer Zeit wird der BVB wieder eine relativ deutliche Nettoinvestition tätigen. Die Verpflichtungen von Schulz, Hazard, Brandt und Hummels schlagen mit über 100 Millionen Euro zu Buche. Ohne Boni, ohne Handgelder. Aus dem Kreise der Spieler, die man gerne gehalten hätte, werden nur Christian Pulisic, nach seiner Leihe jetzt endgültig, und Raphael Guerreiro, der seinen Vertrag wohl nicht verlängern wird, den BVB verlassen. Und selbst diese beiden Abgänge wird man verschmerzen können, so dass, wenn nicht noch ganz irrwitzige Dinge auf dem Transferkarussell passieren, dieses Mal nicht nur Löcher gestopft, sondern die grundlegende Qualität des Kaders wirklich erhöht werden kann. Vor allem die Transfers von Julian Brandt und Mats Hummels waren, für Bundesligaverhältnisse, echte Ausrufezeichen auf dem Transfermarkt.
Letztendlich lässt es sich auf eine simple Aussage runterbrechen: Ob jetzt etwas überperformed, oder nicht, der BVB ist mit 76 Punkten souveräner Tabellenzweiter geworden. Wenn man dann die Qualität erhöht, kann es nur das Ziel sein, Platz eins anzugreifen. Vor allem die Verpflichtung von Mats Hummels ist ein deutliches Zeichen, dass der BVB genau das plant. Hummels hat hier seinen letzten großen Vertrag unterschrieben, der BVB zahlt für ihn mutmaßlich mehr als er bei seinem Wechsel zu den Bayern für ihn bekommen hat. Aufgrund seines Alters wird diese Ablösesumme im Bereich von 30 Millionen + X nahezu komplett abgeschrieben werden müssen. Diese Aktion ergibt finanziell nur Sinn, wenn damit kurzfristig ein Erfolg eingefahren werden soll. Für Platz zwei bis vier würde auch das vorhandene Personal, beziehungsweise ein Spieler mit weniger Erfahrung, dafür mehr Entwicklungspotential ausreichend sein. Wie glaubwürdig wäre es da, erneut „nur“ die Qualifikation zur Champions-League als Saisonziel auszurufen?
Hoffen wir also auf eine gute, möglichst verletzungsfreie Vorbereitung und freuen uns auf die neue Saison. Dann klappt’s vielleicht auch mit der Schale.