Taktiktafel - was mit dem Kader alles möglich wäre - Teil II
Wieder einmal gab es etliche Änderungen im Kader des BVB. Während man für diese Saison jedoch einmal alle Leistungsträger halten, dafür aber wirklich gute Leute neu verpflichten konnte, hat der Kader eine ziemlich hohe Qualitätsdichte. Trainer Lucien Favre ermöglichen sich dadurch etliche Variationen. Wir haben in einem zweiteiligen Text einmal ein paar Aufstellungen durchgespielt.
„Die Ballzirkulation“
Der Kader in seiner aktuellen Gestalt weist eine enorme Variabilität auf einem beeindruckenden spielerischen Niveau auf. Nichtsdestotrotz müssen die denkbaren taktischen Varianten der Bundesliga-Realität entsprechen. Hier tat sich der BVB schon fast chronisch schwer gegen tief stehende Gegner, welche manche Qualitäten der hochkarätigen BVB-Offensive neutralisieren konnten.
Daher die Variante Ballzirkulation: gemeint ist kein fruchtloser Ballbesitz um des Ballbesitz Willen, sondern vielmehr ein dominantes Kurzpassspiel im 4-2-3-1, das in schlagartige Offensivaktionen mündet.
Mit Mats Hummels als Neuzugang in der Innenverteidigung hat man in diesem System neben Akanji den geradezu perfekten Spieler für einen geordneten Spielaufbau zurückgeholt – gerade auch dann, wenn der Gegner früh Druck erzeugen sollte (das Augsburg-Spiel der Rückrunde dürfte vielen immer noch in den Knochen stecken). In der Außenverteidigung wird (neben Nico Schulz auf links, der zweifellos gesetzt sein dürfte) vor allem auf der rechten Seite das auf defensive Stabilität ausgerichtete System deutlich: Lukasz Piszczek agiert hier anstelle von Ashraf Hakimi, der seine Rolle für diese Variante sehr offensiv – vielleicht zu offensiv – interpretiert.
Entscheidend für dieses System ist aber die Doppelsechs, die mit Witsel und Weigl besetzt wird. Beide besitzen herausragende Fähigkeiten, was Spielintelligenz, das Halten des Balles (auch unter Druck) und kluge, kurze Anspiele anbelangt. Nach dem ein oder anderen Ausflug in die Innenverteidigung (mit wirklich tollen Leistungen) könnte vor allem Julian Weigl so wieder an das Spiel seiner Breakout-Saison unter Thomas Tuchel anknüpfen.
Abgerundet wird das Ganze durch das offensive Mittelfeld. Dass Lucien Favre aufgrund der enormen Auswahl an talentierten Spielern hier einige harte Entscheidungen bevorstehen, dürfte jetzt schon sicher sein. Hier läuft es aber auf die Variante Brandt (links) und Sancho (rechts) auf den Außen und Marco Reus auf der zentralen Position hinaus. Der Grund ist einfach: alle drei sind enorm tororientiert und besitzen die Fähigkeit, die Abwehr anderer Mannschaften zu knacken, sei es durch kluge Laufwege, scharfe Pässe, oder 1 vs. 1-Aktionen – echte Gamechanger, wie man so schön sagt.
Schließlich läuft in der Spitze mit Mario Götze kein klassischer Mittelstürmer auf, den es aber in diesem System auch nicht braucht. Führen wir uns noch einmal die Attribute vor Augen, auf die Favre wert legt: sicheres Kurzpassspiel, keine unüberlegten tororientierten Aktionen, intelligentes positionelles Verschieben – das entspricht dem Profil von Mario Götze. Dass dieser nicht die Torgefahr eines Paco Alcácers ausstrahlt – geschenkt. Entscheidend ist allerdings die Einbindung in das gesamte Spiel (vor allem auch defensiv), die bei Paco abseits seiner Torabschlüsse nicht unbedingt im gleichen Maß wie bei Götze gegeben ist.
„Pressen, pressen, pressen“
Jürgen Klopp gefällt das. Diese Aufstellung, die darauf basiert, dass der Gegner durch eine lauffreudige Mannschaft bereits von der ersten Sturmreihe aus unter Druck gesetzt wird, kommt im 4-3-3 daher. Gehen wir die Aufstellung daher am besten von vorne nach hinten durch:
Die vorderste Reihe setzt sich hier aus Reus, Alcácer und Sancho zusammen. Alle drei verstehen es nicht nur, den Gegner früh anzulaufen, sondern besitzen auch die notwendige Reaktionsschnelligkeit und die technischen Fähigkeiten, um nach der Balleroberung ein überfallartiges Umschaltspiel zu praktizieren. Ziel ist es, gegnerische Mannschaften schon hier wahlweise zu hohen Bällen oder zum Spiel über die Flügel zu zwingen.
Hier setzt dann die Mittelfeldreihe an, die aus einem tiefer stehenden Thomas Delaney sowie Julian Brandt (halblinks) und Axel Witsel (halbrechts) besteht. Mit Delaney besitzt man die notwendige körperliche Robustheit und Zweikampfstärke, um auch in diesen Räumen Druck auf den Gegner auszuüben. Mit Witsel und Brandt hat man hingegen gerade bei Ballgewinn eine gute Balance zwischen zwei aufbaustarken Spielern, die den Ball problemlos halten und verteidigen können (Witsel) und zudem Zug zum Tor ausstrahlen und das Spiel schnell machen können (Brandt).
Auch in der Viererkette machen sich die für ein erfolgreiches Pressing notwendigen körperlichen Voraussetzungen bei der Aufstellung bemerkbar. So hat man mit Nico Schulz und Ashraf Hakimi auf den Außenverteidigerpositionen zwei Spieler, die ein Tempo und eine Grund-Aggressivität an den Tag legen, die irgendwo zwischen Forrest Gump und Gennaro Gattuso auf Kokain zu verorten sind. Abgerundet wird dies durch zwei robuste Innenverteidiger, die insbesondere in Gestalt von Mats Hummels dem BVB-Kader (endlich) auch ein wenig mehr Lufthoheit verschaffen. Wenn, wie oben angedeutet, der Gegner aus dem Zentrum verdrängt oder zu langen Bällen genötigt wird, hat er es also entweder mit Schulz und Hakimi auf dem Flügel oder einem kopfballstarken Mats Hummels zu tun.