Nieder mit der Champions-League!
Sie wird, das hat Herr Watzke im Kicker bestätigt, kommen: die Reform der Champions-League. Dabei ist schon das Wort „Reform“ ein geschickt gewählter Euphemismus. Mit Reformen verbindet man ein besser machen, eine positive Veränderung, etwas, das zum Wohle der Menschen geschieht. Die Änderungen am Modus der Champions-League werden nichts von all dem bringen. Sie baut den sportlichen Wettbewerb ab, gibt mehr Showcharakter und lässt die nationalen Ligen weiter veröden.
Es geht nur noch darum, wie die schöne, neue Hochglanzwelt des Champagner-Fußballs nun ganz konkret aussehen wird. Vermutlich größere Gruppen für noch weniger spannende Ausscheidungsspiele und eine mehr oder minder große Anzahl von Teilnehmern, die sich erst gar nicht mehr groß mit Nebensächlichkeiten wie einer sportlichen Qualifikation abgeben wollen. Sie nehmen für sich einfach in Anspruch, direkt gesetzt zu sein. Für die Vereine, die eben nicht zur Premiumklasse gehören, heißt das im Umkehrschluss, dass sie weiter abgehängt werden. Die Zahl der Teilnehmer, die sich noch über die nationalen Ligen für einen Platz an den Futtertrögen qualifizieren können, wird weiter sinken, die finanziellen Machtverhältnisse noch weiter zementiert.
Am Ende vom Lied werden die Großkopferten, sofern sie nicht komplett in eine Superliga wechseln, im regulären Meisterschaftsbetrieb mit besseren B-Mannschaften auflaufen und die Topstars im aufgeblähten mächtig-wichtig-Wettbewerb von der Leine lassen. Für die Ligen könnte das sogar wieder mehr Spannung bedeuten, weil die Qualität der Topclubs dadurch etwas sinken würde.
Aber was wäre das für ein hohler, sinnentleerter Titel? Am Ende der Saison soll die beste Fußballmannschaft eines Landes nationaler Meister sein. Der Wert wäre stark verwässert, wenn zwei oder drei Clubs nur ihre besseren „Resterampen“ ins Rennen schicken würden.
Für BVB-Chef Watzke ist der Vorgang alternativlos.
"Diese Reform der Champions League oder Super League kommt so oder so."
Das mag man jetzt erfrischend ehrlich, oder unendlich anmaßend finden. Im Kern besagt der Satz nämlich nichts anderes, als dass der Spitze der ECA die Entwicklung des Fußballs und die Gemeinschaft der Fußballfans völlig egal sind. Wichtig ist, was „Die“ wollen. Denn die, so Watzke weiter, "verstehen gar nicht das Gefühl, das wir haben: dass eine geschlossene Gesellschaft nicht anzustreben ist. Die sagen dann immer: Aber das gibt doch Planungssicherheit!" Wer sind „die“ denn? Investoren, Oligarchen, Geldgeber, Geschäftsführer und, ja auch Fans. Aber die Fans einer Handvoll Vereine, für die der Ligaalltag keine Herausforderung mehr darstellt. Für die ein Spiel gegen den Fünften der heimischen Tabelle schon gähnende Langeweile bedeutet, weil sie es in der Regel locker gewinnen werden. Fans, die ihre Vita schon nicht mehr nach Meisterschaften, sondern Champions-League-Teilnahmen sortieren.
Was aber alle verschweigen: „Die“ sind in der Minderheit. Auf jeden Fan, den nur noch das Spiel gegen Real Madrid interessiert, kommen zehn, die es lieben, Samstags in Stadion zu gehen und sich auf das Match gegen den Tabellennachbarn freuen. Auf jeden Geldgeber, der für sein Investment einen monetären oder ideellen Gegenwert garantiert haben will, kommt eine gigantisch große Menge an Fans, die den Fußball nicht mehr als totes Rennen erleben wollen. Die wollen, dass wieder Spannung und Faszination in ihren Sport einziehen. In Deutschland mögen der FC Bayern München und Borussia Dortmund als Einzelvereine die größte Zahl von Anhängern haben. Der Anteil derjenigen, denen beide Vereine recht herzlich egal sind, ist jedoch deutlich größer. Es interessiert sie nicht, ob diese beiden Vereine in der Königsklasse konkurrenzfähig sind – sie wollen wieder eine echte Konkurrenz in der Bundesliga.
So ist es dann auch eher eine Nebelkerze, die Herr Watzke zündet, wenn er davon spricht, dass man jetzt zusehen müsse, „da möglichst viel von unseren deutschen Interessen reinzupacken, was den deutschen Gefühlen entspricht." – Es sind keine deutschen Interessen, die dort vertreten werden. Es sind in erster Linie die Interessen des FCB und des BVB. Ein echtes Interesse hat Fußballdeutschland als ganzes nämlich an einer Liga, in der die Tabellenspitze kein elitärer Club ohne Eintrittsmöglichkeit für alle ist.
Hier wird der Anschein erweckt, als könne man einen für alle Seiten tragbaren Kompromiss erzielen. Es sind allerdings nie Kompromisse in der Beziehung zwischen Fans und Vereinen/Verbänden, weil nie beide Seiten etwas bekommen. Es ist nur eine weitere Niederlage, diesmal sogar eine recht happige.
Niemand hat die breite Masse der Fußballbegeisterten an einen Tisch gerufen, um sich mit ihnen über ihre Vorstellung vom Fußball auszutauschen. Man setzt ihnen Maßnahmen vor, mit denen man mehr Geld generieren will und sagt dann: Hey, wenn ihr Glück habt, überlegen wir nochmal ne Runde und lassen den Knüppel vielleicht doch nicht ganz so dick ausfallen. Das hat mit einem Kompromiss rein gar nichts zu tun.
Es wird Zeit, dem richtig etwas entgegen zu setzen: Schafft die Champions-League wieder ab! Rückkehr zum alten KO-Wettbewerb bestehend aus den Landesmeistern und, ganz vielleicht, noch den Vizemeistern. Keine Gruppenphase mehr, keine de facto Setzlisten. Und wenn in der ersten Runde zwei Big Player aufeinander treffen, dann ist das eben so. Keine horrenden Garantiesummen mehr, die dafür sorgen, dass der Champions-League-Starter schon fast allein mit der Teilnahme so viel Geld einplanen kann wie der Halbfinalist der Europa-League.
Hat ich hier jetzt etwa jemand Schnappatmung? Gut, dann können wir ja vielleicht jetzt mal wirklich darüber reden, wie ein echter Kompromiss aussehen könnte, der einerseits noch finanziell lukrativ ist, andererseits den lokalen/nationalen Fußball nicht völlig ausbluten lässt. Für uns Fans ist das vielleicht die letzte Gelegenheit, aus der Komfortzone zu kommen und sich nicht selbst den tristen Ligaalltag damit schön zu reden, dass es im Halbfinale der Champions-League ja doch spannende Spiele zu sehen gab. Diese Liga ist nicht die Rettung, sie ist der Totengräber all der Derbys, der Underdog-Siege, der Überraschungen und der engen Rennen auf der Zielgeraden. Lassen wir uns nicht länger etwas verkaufen, was uns nicht gut tut.
Nieder mit der Champions-League!