Grindel muss weg
Am morgigen Freitag stimmt die FIFA über die Einführung einer komplett überflüssigen Klub-WM ab. Das Verhalten von DFB-Präsident und UEFA-Vizepräsident Reinhard Grindel bei einem Interview zu diesem Thema mit der Deutsche Welle sagt dabei viel aus. Über die Pläne, aber auch über ihn
Am morgigen Freitag wird aller Voraussicht nach der FIFA-Rat entscheiden, eine neue „Klub-WM“ mit 24 Mannschaften aus allen Verbänden weltweit einzuführen. Darüber hinausgehende Pläne einer globalen Nations League als weltweites Turnier der Nationalmannschaften liegen erst einmal auf Eis. Diese Abstimmung erfolgt auf intensives Drängen von FIFA-Chef Gianni Infantino, der bekanntermaßen –justiziabel neutral ausgedrückt – ein würdiger Nachfolger von Sepp Blatter ist und für den Fußball nur Gutes im Sinn hat. In diesem Fall lässt sich das „Gute“ auch in konkreten Zahlen festmachen: 25 Milliarden US-Dollar. Soviel Geld hat angeblich ein Konsortium für ein wirklich alles umfassendes Rechtepaket bei der Einführung der beiden Wettbewerbe geboten. Dabei hat der Schweizer Chef des Weltverbandes es bis heute nicht für nötig erachtet, die Mitglieder darüber zu informieren, wer sich hinter diesem Konsortium überhaupt versteckt. Die Spekulationen darüber reichen von arabischen Emiraten über China bis hinweg zu einer japanischen Bank.
Dass man von Infantino und seiner Lakaienschar in den nationalen Klein- und Kleinstverbänden nichts zu erwarten hat, wenn es darum geht, Geldbeträge einzunehmen und zu verteilen, ist ja nichts Neues – aber auch die UEFA als mit Abstand größter Kontinentalverband und damit auch der DFB geben eine äußert miese Rolle bei diesem Deal, mit dem externen Geldgebern massiver Einfluss auf den Weltfußball gewährt wird, ab. Der Einspruch des europäischen Verbandes ist maximal lauwarm. Hat man anstandshalber zuerst noch eine strikte Haltung gegen diesen Vorschlag eingenommen, geht es jetzt nur noch um Detailfragen, wie viele Vereine aus Europa an dem neu zu schaffenden Plastikcup teilnehmen werden. Ob nun wie von der FIFA gewünscht zwölf oder doch nur acht Vereine aus dem Einflussbereich der UEFA an den Start gehen, hat weniger was mit der zusätzlichen Belastung für die Profisportler zu tun, denn eher mit dem Ansinnen, die Konkurrenz zum eigenen Premiumprodukt, nämlich der Champions League, möglichst klein zu halten.
Dabei hätte die UEFA ohne Zweifel die Macht, Infantinos Alles-muss-raus-Ausverkauf zu stoppen. Zwar hat in der FIFA jeder Verband unabhängig seiner Mitgliederzahl eine gleichrangige Stimme, aber natürlich wäre der Deal mit einer totalen Verweigerungshaltung Europas gestorben. Ohne die Top-Clubs dürfte das Interesse der Investoren verschwinden. Was sollte die FIFA dagegen machen? Mit dem Ausschluss Europas von der nächsten Weltmeisterschaft drohen? Direkt nach einer derartigen Ankündigung würden in der FIFA-Zentrale in Zürich die Telefondrähte glühen, weil der Sponsorenpool überhaupt nicht erfreut über diese Aussicht wäre. Warum die UEFA hier maximal Schadensbegrenzung betreibt, statt aktiven Widerstand zu leisten, sieht man schon an den Reaktionen aus Deutschland. Bayerns Rummenigge stand den Plänen der FIFA schon bei Bekanntgabe vor bald einem Jahr offen gegenüber und BVB-Chef Watzke erklärte jetzt gegenüber der WAZ lauwarm, dass dieser neue Wettbewerb zumindest „eine Überlegung wert“ wäre. Die Topclubs wittern also weitere Millionenbeträge. Und man darf zumindest darüber spekulieren, dass es gewisse Überschneidungen geben wird zwischen den großen Invenstoren in England, Italien und Frankreich und den Mitgliedern des nicht genauer bekannten Bieterkonsortiums.
Umso jämmerlicher ist da die Haltung von DFB-Chef Reinhard Grindel, der in dieser Rolle das Wohl des gesamten Fußballs in Deutschland im Auge haben müsste und in Personalunion als Vizepräsident der UEFA auch die Möglichkeit hätte, deutlich kämpferischer aufzutreten. Allerdings fügte der ehemalige Bundestagsabgeordnete in einem Interview mit der Deutsche Welle zu diesem Thema dem bislang miserablen Bild seiner Amtszeit nur einen weiteren Mosaikstein hinzu. Merkte er in Hinsicht auf die noch kommende Abstimmung zuerst halbherzig an, dass ja noch gar nichts entschieden sei, schwenkte er sehr schnell dazu über, dass noch Detailfragen zu klären seien und überhaupt – wenn man das nicht selber mache, dann würden eben andere kommerzielle Anbieter einspringen. Spätestens an dieser Stelle wurde absolut klar, dass es keine Zweifel an einem für Infantino positiven Abstimmungsergebnis geben kann. Richtig erbärmlich wurde seine Rolle in diesem Interview, als er erst zugeben musste, dass die Mitgliedsstaaten die wirtschaftlichen Grundlagen des Milliardenangebotes, über das man dort zumindest indirekt abstimmen würde, gar nicht kenne und dann auf weitere Nachfragen zu diesem Klub-WM und Nations League umfassenden Gesamtpaket das Interview einfach abbrach. Man kennt keine Details, will sie aber auch gar nicht kennen. Es gibt viel Geld und das genügt dann wohl als Verkaufsargument.
Mit dieser Haltung, die den europäischen Topclubs ohne Zweifel weitere Millioneneinnahmen ermöglichen wird, ist er völlig ungeeignet für eine Position, in der er in Deutschland die Interessen von Profi- und Amateursport vereinen soll. Diese Entscheidung pro Klub-WM steht dazu im völligen Gegensatz. Sie wird die Schere zwischen reichen und ärmeren Clubs noch weiter auseinander gehen lassen und die bestehenden Verhältnisse weiter zementieren. Das ist eindeutig nicht im Interesse des nationalen Fußballs. Auch wenn gewisse Personen das wie ein Mantra wiederholen, aber den allermeisten Menschen in Deutschland ist es völlig egal, ob Bayern München die Champions League gewinnen kann. Und fairerweise muss man auch nachschieben, dass es ihnen ebenso egal ist, ob der BVB das finanzielle Rüstzeug hat, um das Viertelfinale zu erreichen. Für den Fußball in Deutschland, und die Vertretung dieser Interessen ist Grindels vorrangige Aufgabe als DFB-Chef, ist es langfristig viel wichtiger, wenn es auch mal Überraschungen im Meisterschaftskampf geben kann – und nicht allein, dass es schon eine Überraschung ist, wenn es überhaupt mal einen Kampf gibt. Es ist wichtig, dass ein Verein der zweiten Liga nach einem Aufstieg auch dann ernsthafte Chancen auf den Klassenerhalt in der Bundesliga hat, wenn er nicht einer der großen Clubs ist, die kurzfristig als eine Art von Betriebsunfall abgestiegen sind. Und es ist wichtig, dass Mittelklassevereine die Chance haben, sich zu entwickeln, statt nach einer guten Saison mehr oder weniger hilflos dem Ausverkauf an finanziell übermächtige Platzhirsche gegenüber zu stehen.
Diesen Interessen der DFB-Mitgliedsvereine als Gesamtes wird Grindel in seiner Doppelfunktion nicht einmal ansatzweise gerecht. Natürlich sind Zielkonflikte dabei unvermeidbar, aber mehr als dieses zahnlose Buckeln vor den finanziellen Wünschen von FIFA, Investoren und Topclubs dürfte es dann doch schon sein.