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Ein Blick hinter die Kulissen: Medizinchecks im Profifußball

22.01.2019, 10:00 Uhr von:  DocKay
Ein Blick hinter die Kulissen: Medizinchecks im Profifußball

Medizinchecks sind Teil eines jeden Transfers. Doch wie laufen diese überhaupt ab und was wird untersucht?

Es klingt wie der ultimative Abschluss zäher Transferverhandlungen. Der BVB hat wieder einmal im Perspektivbereich zugeschlagen. Für schlappe 15 Millionen wechselt der 19-jährige argentinische Innenverteidiger vom argentinischen Meister Boca Juniors zu den Schwarzgelben. Noch nicht ganz – es gilt ja schließlich noch den Medizincheck zu bestehen. Dafür eignet sich der 14.01.2019. Kein Problem nach rund 75 Minuten hatte Leonardo Balerdi seine letzte Hürde bewältigt, bevor er mit der argentinischen U20 zur Südamerika-Meisterschaft weiterzieht. Verein und Presse äußern sich zufrieden.

Ein guter Anlass diesen Medizincheck im Fußball mal unter die Lupe zu nehmen. Wer jetzt Gesundheitsdaten des Spielers erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Bewegt man sich hier doch relativ schnell in Bereichen wie ärztlicher Schweigepflicht, medizinischem Datenschutz und einer Vielzahl juristischer Probleme. Kurz zusammengefasst auf Glatteis, auf dem alle Beteiligten sehr schnell ausrutschen können. Deswegen zeigt der Artikel auch den Ablauf und die Probleme des Gesundheitschecks und die daraus entstehenden Grauzonen.

Die Lizenzordnung der Deutschen Fußball Liga schreibt in §2.4 zum Medizincheck „Nachweis der Sporttauglichkeit nach einer vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung auf orthopädischem und kardiologisch-internistischen Gebiet und die Verpflichtung, jährlich zu Beginn eines jeden Spieljahres und bei Transfers während eines Spieljahres für die Restlaufzeit der Saison die Sporttauglichkeit nachzuweisen, wobei der Nachweis der Sporttauglichkeit vom Verein oder der Kapitalgesellschaft, vom beauftragten Arzt und vom Spieler gemeinsam zu unterschreiben ist.“ Klingt einfach, ist es aber nicht.

Denn es gibt durchaus Unterschiede bei den Medizinchecks der Vereine. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die angegebenen Zeiten für diesen Check erheblich differieren? Wir erinnern uns bei unserem Youngster Balerdi hat es angeblich 75 Minuten gedauert. Der ehemalige Mannschaftsarzt unserer Fußball-Nationalmannschaft Prof. Kindermann spricht von regelhaften 2 Stunden. Hört man andere Mannschaftsärzte der 1. Fußball-Bundesliga, so berichten diese über Zahlen von 3 Stunden, ja sogar 4-6 Stunden. Beteiligte äußerten sich mir gegenüber, dass dies durchaus auch logistische Gründe haben kann. Aber hat es vielleicht nicht auch etwas mit Sorgfalt zu tun?

Natürlich gibt es auch in der Sache Unterschiede bei den Medizinchecks der Vereine. Die „Sportmedizinische Untersuchung“ scheint im zweiten Teil nicht standardisiert und damit auch von Verein zu Verein unterschiedlich. Einig ist man sich über die Länge der orthopädischen Untersuchung, die in der Regel ca. 45 Minuten dauert. Sie beinhaltet die allgemeine Anamnese und die Sportleranamnese. Im ärztlichen Gespräch berichtet der Spieler über frühere Verletzungen oder Beschwerden, oder aber nicht. Hier kann das erste Mal geschummelt werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass hier eine vollständige Krankenakte vorliegt. Auch eine Übermittlung früherer Gesundheitsdaten wird aus Datenschutzgründen nicht stattfinden. Letztendlich bedarf es hierfür der Zustimmung des Spielers. Der untersuchende Arzt entscheidet nach der körperlichen Untersuchung, ob weiterführende Untersuchungen wie Röntgen oder MRT anzustreben sind. Dabei kann die Interpretation dieser Befunde durchaus problematisch sein, wenn der Spieler Beschwerden verneint.

Obwohl es häufiger orthopädische Gründe sind, die einen Spieler im Medizincheck durchfallen lassen, dauert der internistisch-allgemeinmedizinische Teil deutlich länger. Nach Überprüfen des Impfstatus (z.B. Tetanus, Polio, Diphterie, Hepatitis A und B) wird ebenfalls die Krankengeschichte erhoben und ein allgemeiner Befund dokumentiert. Danach erfolgt die Herz-Kreislauf-Funktionsprüfung inclusive Ruhe-EKG und Belastungs-EKG. Empfohlen wird auch eine Echokardiographie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) und eine Lungenfunktionsprüfung. Ergänzt wird dies alles durch eine Blut -und Urinuntersuchung. Zusammenfassend kann man sagen, dass es beim internistischen Teil der Untersuchung genaue Vorgaben gibt, die orthopädischen Untersuchungen können hingegen relativ frei gestaltet werden.

Worin bestehen nun die Probleme des Medizinchecks? Sicher zum Teil in der Uneinheitlichkeit der Durchführung, aber auch in der unterschiedlichen Interpretation der erhobenen Befunde durch die Ärzte. So gibt es zwei Phasen in der Tätigkeit eines Arztes: Zu Beginn seiner Laufbahn steht die Sicherheit des Unerfahrenen. Mit zunehmenden Jahren in der Sportmedizin entwickelt sich die Unsicherheit des Erfahrenen. Dies bedeutet, es verändert sich auch das Feld der Untersuchungen, deren Wertigkeit und schließlich deren Interpretation.

Idrissou im Dress von Mönchengladbach

Somit kann man verstehen, dass der Franzose Loic Remy in der Premier League als Nachfolger von Luis Suarez im Jahre 2014 beim FC Liverpool durch den Medizincheck fiel, um dann vom FC Chelsea als Schnäppchen verpflichtet zu werden. Und hier sind wir beim nächsten Problem: Es ist durchaus davon auszugehen, dass ein gescheiterter Medizincheck Einfluss auf den Transfererlös hat. Welches Interesse sollten Spielervermittler und Spieler haben, alle Karten auf den Tisch zu legen, wenn es um Beschwerden und Krankheitsvorgeschichte geht. Dies setzt natürlich auch den untersuchenden Arzt unter Druck, wenn die Tauglichkeitsuntersuchung zu einem negativen Ergebnis führt. Klageverfahren sind hier nicht auszuschließen. Diese hat es ja schließlich auch schon gegenüber Vereinen wie dem MSV Duisburg im Falle Mohamadou Idrissou gegeben.


Problematisch ist es sicher auch, wenn zum Beispiel operierende oder
behandelnde Ärzte gleichzeitig Mannschaftsärzte sind. Sie werden immer
den Behandlungserfolg anstreben und diesen als positiv bewerten. Neben
Eitelkeit strebt man höheres an und möchte im Zweifelsfall gesunde
Spieler weitervermitteln. Dies ist ein ganz normaler menschlicher Zug,
der aber im Zweifelsfall das Pendel nach „gesund“ ausschlagen lässt.
Manchen Spielern gelingt es durchaus auch zweimal durch den Medizincheck
zu fallen. Dem senegalesischen Angreifer Demba Ba gelang dies beim VfB
Stuttgart und bei Stoke City. Und der noch immer jetzt beim AS Monaco
kickende 36-jährige Naldo fiel im Juli 2012 beim Medizincheck in
Wolfsburg durch.

Neven Subotic

Auch wir beim BVB haben prominente Beispiele mit Neven Subotic und Erik Durm. Sie wurden Opfer des Medizinchecks in Middlesborough und Stuttgart, spielen aber immer noch.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Medizincheck durchaus Plattform für Diskussionen auf verschiedener Ebene sein kann. Letztendlich ist es eine ärztliche Empfehlung und der Verein entscheidet über den Transfer.

Dabei hätte ich fast vergessen, dass es noch einen Prominenten gibt, der, bevor er durch den Steuercheck fiel, auch ein Opfer des Gesundheitschecks wurde. Als der 27-jährige Uli Hoeneß zum HSV wechseln wollte, ließ dies sein lädiertes Knie nicht zu. Diesmal war es nicht die Justizvollzugsanstalt Landsberg, die Erbarmen zeigte, sondern der 1.FC Nürnberg, wo er allerdings im Jahre 1979 nach kurzer Leihe die Segel streichen musste, um sich dann mehr den Wurstwaren und dem FC Bayern zu widmen.

geschrieben von Kay

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