All eyes on.... Nürnberg
Es ist schon eine etwas skurrile Situation. Da ist man Tabellenführer und trotzdem gleichzeitig in einer Situation, Dinge sagen zu müssen, die man ansonsten eher bei Abstiegskandidaten unter der Rubrik „Durchhalteparolen“ verorten würde. Dummerweise haben wir uns aber im Februar in eine Situation hereinmanövriert, in der wir mit dem Hintern ganz schnell einreißen können, was wir uns seit dem August mühsam aufgebaut haben. Aus im DFB-Pokal und die Chancen auf ein Weiterkommen in der Champions-League sind geringer als die eines RTL-Dschungelkönigs bei der Verleihung des Nobelpreises für Physik.
Dabei ist nicht nur das Ausscheiden an sich ein schwerer Schlag, sondern vor allem das Zusammenkommen und die Kombination mit dem Spiel gegen Hoffenheim. In drei Spielen neun Gegentore zu kassieren, ist grundsätzlich einfach inakzeptabel, wenn man Ambitionen auf einen Titel hegt. Dazu hat man es gegen Werder ebenso wenig geschafft, einen Vorsprung zwei Minuten zu halten, wie gegen Hopps-Reagenzglastruppe satte drei Tore über die letzte Viertelstunde zu schaukeln. Und die Art und Weise, wie vergeblich sich man gegen Tottenham in der zweiten Halbzeit bemüht hat, überhaupt nur etwas Ähnliches wie eine Torchance zu kreieren, dürfte in den Köpfen der Spieler auch ziemlich viel Frust verursacht haben. Kurz gesagt: Ziemlich viel Mist ist in ziemlich kurzer Zeit passiert.
Dass das alles nicht spurlos an der Mannschaft vorbei geht, ist offensichtlich. In der Hinrunde wurden etliche Spiele umgebogen, weil die Elf sich sicher war, das noch gewinnen zu können. Exemplarisch sei mal das 4:2 nach einem 0:2 Rückstand in Leverkusen genannt. Statt der Gewissheit auf den Sieg spürt man jetzt allerdings vermehrt die Angst, etwas verlieren zu können. Gegen Hoffenheim war man zwar die komplette zweite Halbzeit spielerisch unterlegen, aber spätestens mit dem 1:3-Anschlusstreffer ratterte es in den Köpfen der Schwatzgelben, dass das Ding noch nicht durch und der Vorsprung von sieben Punkten auf die Bayern noch in Gefahr ist. Einen ähnlichen Effekt hatte das wirklich saudämliche 0:1 im Wembley-Stadion direkt nach der Pause. Man hatte eher Angst, ein Weiterkommen gleich mit einem zweiten Gegentor zu verspielen, statt einfach seinen in der ersten Halbzeit souveränen Stiefel weiter zu spielen und die Chance wenigstens auf das wichtige Auswärtstor aufrecht zu erhalten.
Das ist rational alles leicht erklärbar. In allen Mannschaftsteilen haben wir immer noch sehr junge Spieler, die teilweise gerade mal ihre erste oder zweite Saison auf höherklassigem Profiniveau spielen, sodass schlicht und ergreifend die Konstanz fehlt. Es fallen immer mal wieder für das Korsett sehr wichtige Spieler aus und vor allem in der Abwehr muss es Spieltag für Spieltag ein munteres Bäumchen-wechsel-dich-Spiel geben. Darüber hinaus kommt jetzt gerade ziemlich gesammelt auf einen Haufen die Schwächephase, die diese Saison sogar schon die Bayern durchlaufen haben. Dummerweise ist diese, ja - sagen wir es ruhig -, Krise noch auffälliger, wenn sie sich durch ein Ausscheiden in zwei Pokalwettbewerben äußert, statt nur durch ein 3:3 gegen Düsseldorf in einem ordinären Ligaspiel. Allein nur: die Rationalität spielt überhaupt keine Rolle. Damit können Vereinsvertreter die Medien bedienen und Fans untereinander diskutieren. Wichtig ist, was in den Köpfen der Spieler passiert und da wird man mit Sachlichkeit und Argumenten wenig erreichen. Jeder, der selber mal ein bisschen gekickt hat, weiß, dass man sich nicht selber in einer inneren Diskussion überzeugen kann und es auf dem Platz Momente gibt, die eine Eigendynamik entwickeln und in denen keine Rolle spielt, was der Kopf sagt und denkt.
Was die Mannschaft braucht, ist einfach ein Erfolgserlebnis, um diese Spirale aus negativen Erwartungen und flatternden Nerven zu durchbrechen. Einen Schlusspunkt hinter eine kleine Strecke von Misserfolgen zu setzen und innerlich neu zu starten. Es bringt auch nichts, den letzten Spielen hinterher zu trauern, weil es nichts ändert. An dieser Stelle kommen wir dann zur ersten Durchhalteparole: Mund abputzen, weitermachen. Und da ist das nächste Spiel in Nürnberg einfach die bestmögliche Gelegenheit, die der Spielplan bereit halten könnte. Dem muss man nicht noch Floskeln wie „bei allem Respekt“ vornan stellen. Wer Meister werden möchte, muss gegen den Tabellenletzten beide Spiele gewinnen. Punkt. Selbst wenn ein Marco Reus beispielsweise nicht dabei sein sollte, sind unsere Borussen dem „Glubb“ qualitativ immer noch deutlich überlegen und klarer Favorit. Dieses Bewusstsein, diese Überzeugung muss die Mannschaft wieder verinnerlichen, statt darüber nachzudenken, was sein könnte, wenn dies oder das passiert. Sie hat auch allen Grund dazu, weil sie immer noch mit Abstand Tabellenführer ist und ihr die fünf Punkte Vorsprung nicht geschenkt wurden. Wenn sich die Mannschaft darauf besinnt, können sich die Franken mitsamt dem Interimstrainerteam auf den Kopf stellen und sie gehen als Verlierer vom Platz. Also, „Brust raus“ und „den Bock umstoßen“. Oder fast noch banaler: „Geht’s raus und spielt’s Fußball“.