Spielbericht Profis

Brügge sehen... und einen Spielbericht verpennen

26.09.2018, 00:00 Uhr von:  SSC

Gut eine Woche ist vergangen, seit der glorreiche Ballspielverein Borussia 09 ein eher mäßiges Spiel in Brügge in nahezu letzter Minute zu seinen Gunsten drehen konnte. Die gezeigte Leistung war so mau, dass wahrscheinlich kaum einem Leser unserer Seite aufgefallen sein dürfte, dass sie an dieser Stelle noch nicht in epischer Breite besprochen worden ist. Gleiches gilt für den Autor dieses wunderbaren Spiel- und Stimmungsberichts, dem erst die belgische und deutsche Bahn einen Strich durch die Rechnung machte und dann eine Dienstreise bis mitten ins Wochenende so sehr das Leben versüßte, dass er schlichtweg vergessen hatte, dieses Gewürge auch noch in Worte zu fassen. Was uns wiederum dazu bringt, das vor gut einer Woche Ertragene nun bei dieser Gelegenheit aufzuarbeiten und in lockeren, frechen Sprüchen Ravioli passieren zu lassen.

Die Vorgeschichte

Brügge: Ein hübsches Städtchen, doch richtige Euphorie wollte nicht aufkommen

Die Auslosung der Champions League ist für BVB-Fans der Neuzeit immer ein besonderes Spektakel. Jedes Jahr werden aufs Neue mittlere Beträge auf die Lose Barcelona (Risiko) oder Real Madrid (todsicheres Ding) gesetzt, während die Hoffnungen entweder einer kinderleichten (da kommt man wenigstens weiter) oder hammerharten Gruppe (nur da ruft der BVB seine Leistung voll ab) gelten. Diesmal hielt die Auslosung nichts von alledem parat: Mit Atletico Madrid wurde der spanische Verein gezogen, den wohl die wenigsten auf dem Schirm hatten, während die Gruppe insgesamt den Charakter einer irgendwie machbaren aber irgendwie auch böses Gemurkse nahelegenden Ansammlung europäischer (Halb-)Spitzenteams annahm. Nicht Fisch, nicht Fleisch – ihre Euphorie trugen die meisten Fans wohl eher nach innen.

Das erste Auswärtsspiel bei Club Brügge warf dabei gleich seinen Schatten voraus. Einerseits lockte ein Gegner, bei dem wir schon lange nicht mehr antreten durften und der mit seinem alten Stadion so manchen Nostalgiker glücklich machte. Andererseits stand aber wie vor einigen Jahren in Anderlecht die Befürchtung im Raum, eine Anreise könne ausschließlich in einem Polizeikonvoi ab der Grenze erfolgen und jeden Spaß im Europapokal zerstören.

Das Drumherum

Während sich der Stadiontraum für die mitgereisten Borussen erfüllte, geriet zumindest die Anreise zu einem Zwitter: Zwar erreichte uns wenige Tage vor dem Spiel die Info, eine individuelle Anreise sei kein Problem und Brügge erwarte BVB-Fans mit offenen Armen in der Stadt bzw. mit einem Fest auf dem Stadionparkplatz, doch schaufelten sich die Herren Staatsdiener am Spieltag ein paar Stunden ihres übervollen Terminkalenders frei und fanden mit Fanbussen eine wunderbare Ausrede, warum sie sich in dieser Zeit nicht drängenderen Problemen in unserem Land widmen konnten. So wurde aus einem entspannten Nachmittag in der Stadt für zahlreiche Fans ein eher kurzer Aufenthalt – ärgerlich für ein Europapokalspiel so nahe der Heimat.

Kein Klischee auslassen: Neben Waffeln zeigte sich die Ernährung eher pommeslastig orientiert

Besonders große Euphorie schien darüber hinaus auch in Brügge nicht zu herrschen. Am Vorabend des Spiels gab es noch eine ganze Reihe Tickets über den Onlineshop zu kaufen, mit denen sich u.a. auch BVB-Fans eindeckten: Für einen Sitzplatz hinter dem Tor (erste Reihe, direkt hinter der Bande) wären unter dem Gästeblock 40 Euro zzgl. 25 Euro Jahresmitgliedschaft fällig gewesen, was bei zwei Tickets 52,50 Euro ergeben hätte – gegenüber den 49,50 Euro im Gästeblock eine keineswegs übertriebene Forderung (einmal abgesehen natürlich von der Frage, ob 50 Euro für ein Fußballticket nicht per se als obszön angesehen werden sollten). Auch in der Stadt selbst schienen die BVB-Fans nicht wirklich zu stören: Abgesehen vom Marktplatz, auf dem doch einige Schwarzgelbe zu sehen waren, hatte sich der Dortmunder Anhang in der Stadt verteilt und lockte die Belgier nicht so wirklich aus der Reserve.

Mit dem Marsch zum Stadion endete die Gemütlichkeit. Die Dauer von 50 Minuten war seitens der Polizei sehr sportlich geschätzt worden – nicht einmal mit zackigem Tempo, das kaum eine Pinkel- oder Verschnaufpause zuließ, war die Strecke in dieser Zeit zu schaffen. Immerhin erinnerten die auf belgischer Seite ziemlich lässig voraus- und nebenherfahrenden Fahrradpolizisten an die alten Police Academy Streifen… Vielleicht auch eine Idee für unsere Ordnungshüter, vom hohen Ross künftig auf einen sportlichen Drahtesel umzusteigen. Ist besser für die Figur und auch überschüssige Energie wird man bei sportlicher Betätigung los, wie man allenthalben hören kann.

Am Stadion selbst hatten die Kollegen der Böse-Blick-Einheit eine Absperrung aus Stacheldraht und NATO S-Draht einmal quer über die Straße gelegt und dort ein strenges Regiment geführt: Die enge Öffnung durfte nur passieren, wer ein gültiges Ticket sein Eigen nennen konnte. Einmal auf dem Gästeparkplatz angekommen, wusste dafür das Fanfest zu gefallen. Dieses bestand neben einer Bier- und Frittenbude aus einem kleinen ranzigen DJ-Pult, dessen Schallplattenunterhalter mit ausnahmslos elektronischen Klängen unbeirrt am Musikgeschmack der Fußballmeute vorbeisteuerte. Mit dem Anblick der wunderbar alten Stadionschüssel im Hintergrund ein nahezu perfektes Setting für Freunde klassischer Fußballkultur.

Im Stadion

Vorbei an mehreren Schleusen und Kontrollen ging es in Richtung Gästeblock. Die Optik dominierten gelbe Stahlzäune und Sichtbeton, im Gästeblock selbst ging es mit ordentlich Tifo-Material hinter einem Fangnetz mit eher dick geratenen Fäden ziemlich fett schwarz-gelb zu. Durstige Fans kauften sich Biermarken an einem Schalter, mit dem sie bis zur 60. Minute echtes Bier erhalten konnten. Die sinnvollste Neuerung der Champions League seit Jahren! Zu Spielbeginn brannte dazu haufenweise Pyrotechnik, was sowohl innerhalb als auch außerhalb des Blocks ziemlich gefällig rüberkam. Weil sich Ordner und Polizei weiterhin entspannt zurückhielten, das Material in Ruhe abbrennen konnte, kam es dabei zu keinen Zwischenfällen.

Abgesehen von den üblichen Argumenten pro-contra-Pyrotechnik (die oft genug ausgetauscht wurden und hier nicht mehr erwähnt werden müssen), war diese Pyroshow sicherlich ein gutes Beispiel, wie es eben auch ablaufen kann. Dass ebenso die belgischen Fans neben dem Gästeblock Spaß an Pyrotechnik hatten und den schwarz-gelben Rauch mit blau-schwarzem Rauch anreicherten, tat der entspannten Grundstimmung keinen Abbruch. Dass diese Fans mitunter pöbelten wie die Rohrspatzen, ließ die Fußballnostalgiker dann endgültig auf ihre Kosten kommen: keine Krawalle, keine Nahtoderfahrungen und keine Morddrohungen gegen Ehrenmänner, dafür einfach Fußball, wie ihn die mitgereisten Fans genießen konnten. Was sich u.a. in einer durchaus ordentlichen Stimmung in der ersten Halbzeit niederschlug.

Das Spiel

Altes Stadion, ranziger Block, Fußball für Nostalgiker: Im Gästeblock herrschte ordentliche Stimmung

Viele Worte darüber zu verlieren, ergibt nach über einer Woche nun wirklich nicht mehr so viel Sinn. Deshalb die Kurzfassung: Borussia startete gut ins Spiel, gleich zu Beginn kam Marius Wolf nach engagiertem Nachsetzen Marco Reus zu einem ersten Torschuss. Recht schnell verloren die Schwarzgelben dann die Kontrolle über das Spiel und überließen Club Brügge zunehmend den Platz. Unsere Mannschaft gestaltete ihr Spiel weitgehend einfallslos, während die Belgier sicher standen, kaum gefährliche Szenen zuließen und ihrerseits darauf bedacht waren, bei wenigen Angriffen möglichst viel Gefahr auszustrahlen und ein Tor zu erzielen.

Dass der Plan der Hausherren nicht aufging, war weniger dem körperlich noch verbesserungsfähigen Axel Witsel oder der Genialität Julian Weigls oder Mario Götzes geschuldet, die beide einmal öfter ihren Startelfeinsatz nicht rechtfertigen konnten, als einem starken Roman Bürki, der nach seiner mauen Vorsaison deutlich formverbessert agierte. So scheint zumindest nach den ersten Spielen der laufenden Saison möglich, dass eine Menge Fans (inklusive des Schreibers dieser Zeilen) eines Tages bei Bürki werden Abbitte leisten müssen, wie es eine Menge Fans (inklusive des Schreibers dieser Zeilen) einst bei Roman Weidenfeller tun mussten. Wollen wir hoffen, dass sich Geschichte an dieser Stelle wiederholt.

In der zweiten Halbzeit ging das biedere Gewurschtel weiter, wobei immerhin Götze nach rund 60 Minuten von seinem Leiden erlöst und durch Shinji Kagawa ersetzt werden konnte. Mit Christian Pulisic kam in der 69. Minute für Jadon Sancho weiterer Schwung ins Spiel, der letztlich auch zum lucky punch führte: Ein missglückter Befreiungsversuch eines belgischen Spielers prallte so hart an Pulisics Schienbein, dass dieser gar nicht ausweichen konnte und den Ball in einem hohen Bogen über den herausgeeilten Torwart unter die Querlatte beförderte.

So fiel in der 85. Minute genau das Tor, das dieses Spiel verdient hatte. Konnte der BVB 50% mehr Punkte am ersten Spieltag einsammeln, als in der gesamten vorangegangenen Champions League Saison. Und gelang es Trainer Lucien Favre mit einem Spiel, das über weite Strecken an die zähe Kost seines Vorgängers Peter Stöger erinnerte, im Gegensatz zu diesem auch das zählbare Ergebnis einzuheimsen.

Ausgehend von den ersten Eindrücken der neuen Saison wird der BVB noch einen weiten Weg vor sich haben, um in Liga und Pokalwettbewerben wieder oben angreifen zu können. Dass das 2017/18 häufig fehlende Glück zumindest phasenweise zurückzukommen und die Prozesse zu erleichtern scheint, ist sicherlich als Vorteil zu werten. Dass andererseits ungelöste Probleme wie die Situation um Mario Götze oder andere fürstlich entlohnte Kicker, die zukünftig wohl eher keine nennenswerte Rolle spielen dürften (z.B. Sebastian Rode), weiterhin mitgeschleppt werden, eher als Nachteil. Warten wir ab, wie Favre den Kader neu aufstellen wird.

Statistik

Club Brügge: Letica - Poulain, Mitrovic, Denswil - Vlietinck, Danjuma - Rits - Vormer, Vanaken - Wesley, Vossen
Wechsel: Cools für Vlietinck (56.), Dennis für Danjuma (76.), Openda für Vossen (82.)

Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Akanji, Diallo, Schmelzer - Witsel, Weigl - Wolf, Götze, Sancho - Reus
Wechsel: Kagawa für Götze (62.), Pulisic für Sancho (69.), Dahoud für Weigl (84.)

Tore: 0:1 Pulisic (85.)
Ballbesitz: 35% - 65%
Gelbe Karten: Weigl, Kagawa

Powerantworten

ie seit einigen Monaten gewohnt, auch hier eine kleine Starthilfe für Kommentare in diesem sozialen Internetz sowie den angeschlossenen Funkhäusern und Foren - bedient euch nach Lust und Laune und zeigt uns, dass ihr bis zum Ende durchgehalten habt...

  • „Mal sehen was zuerst platzt: Mario Götze oder sein Knoten“
  • „Das Götze-Bashing ist ja total daneben. Schade, was aus eurer Seite geworden ist.“
  • „Ihr habt aus dem Fall Robert Enke nichts gelernt.“
  • „Bürki hatte heute massive Probleme beim Rauslaufen.“
  • „Pyrotechnik ist gefährlich! Diese Fackeln brennen bei 2000°. Wenn da Kinder stehen, gute Nacht!“
  • „Warum spielt Sebastian Rode bei keiner von drei BVB-Mannschaften? Ist der so schlecht?“
Belgische Spezialitäten: Piemel und Kontje
  • Woran hält sich der Belgier beim Sex fest?“
  • „Hakimi hat sich von Brügge-Fans nach dem Spiel provozieren lassen. Wie soll das erst auf dem Feld werden? Ich habe über so jemanden schon in Sarrazins neuem Buch was gelesen…“
  • „Diese Pyro-Spinner. So viel Strafe wie das immer kostet, ist es kein Wunder, dass wir keinen anständigen Stürmer mehr vorne drinstehen haben.“
  • „Hey hey. Need tickets for Match against Bayern Munich. Plz help!“
  • „Hakimi? Ist das nicht eine Sushirolle?“
  • „Ich finde nicht gut, wie ihr diesen Herrn Hopp angeht. Der hat viel Gutes getan! Und seine Mutter war stadtbekannt als ehrenwerte Frau…“
  • „Warum heißt der Spielbericht nicht Brügge sehen und siegen?“
  • „Ich hätte den ja Brügge sehen und Scherben genannt.“
  • „Was hat denn Siegen jetzt mit Brügge zu tun? Spielen die Sportfreunde auch Champions League?“
  • „Also, ihr könnt diesen Hopp ja doof finden. Aber ihn gleich ermorden wollen, spinnt ihr?!?!"
  • „Alter, für den Mist hast du ne Woche gebraucht? Hättest du mal besser gleich gelassen.“
  • „Warum hat Krause keine Haare? Axel Witsel hat Krauses Haar. Hihi.“
  • „Ich freue mich auf Teil 4 der Götze-Doku. Dann kann jeder endlich sehen, dass Favre Schuld an Götzes Leistung ist.“
  • „Etwas Abkippen von der 6 und etwas mehr Abspecken von der 10, dann wird das ne runde Sache!“
  • „Mit Tuchel hätten wir uns nicht so blamiert!“
  • „Boah, könnt ihr endlich mal mit den Fettenwitzen aufhören? Das ist genetisch bedingt und liegt nicht nur an Schokolade! Übergewichtige wie Mats H. aus M. oder Mario G. aus D. haben es schwer genug. Und keiner trainiert so hart wie M. Götze!“

(bei Power-Antworten mit Unterstützung der pragmatischen Plattform)

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