Kriegsbericht aus dem Westfalenstadion
Nach dem letzten Gastspiel des Werbevereins warf das Spiel diese Saison schon seine Schatten weit voraus. So lud die Polizei dann auch in der Woche zu einer martialischen Pressekonferenz, bei der mit den üblichen hohen Zahlen um sich geschmissen wurde. Dass am Ende gar nicht soviel Verwertbares von den hohen Zahlen übrig bleibt, ist man als Fan bereits gewohnt. Hinterfragt wird es von den – insbesondere lokalen – Medien allerdings auch kaum. So wurde ein Fanmarsch auch im Vorfeld zu einem Risikoproblem stilisiert, samt Ermittlungen gegen Unbekannt und der Ankündigung einer Nulltoleranz-Einsatztaktik.
Schon im Vorfeld fragte man sich auf Fanseite verwundert, ob es der Polizei Dortmund lieber gewesen wäre, überall Kleingruppen zu haben, die sich im Stadtgebiet kaum kontrollieren lassen? Das wäre die Alternative zu einem Fanmarsch gewesen. Dass die Risikokonzepte der Polizei Dortmund eher für Probleme als Lösungen sorgen, haben vergangene Spiele bereits öfter gezeigt.
Auf Fanseite ließ man sich auf die Spielchen dann auch kaum ein. Man erwartete die angekündigten Bereichsbetretungsverbote – von denen in der Szene bis heute keins angekommen ist – und bereitete sich ansonsten auf eine aufgepuschte Polizei wie seinerseits gegen PAOK vor. So war dann auch recht früh klar, dass eine Reihe von Anwälten den Fanmarsch begleiten und auf die Einhaltung der Bürgerrechte achten würden.
Am Spielttag selber trudelten ab 13 Uhr die Fans am Fanprojekt ein. Ab 14 Uhr fuhren dann auch die Mannschaftswagen herum. Warum Beamte hier schon bei offenem Fenster auf Fans zeigen mussten, wird wohl ein Geheimnis der Hundertschaftsmitglieder bleiben. Als sich dann die Information verbreitete, dass Polizisten dabei beobachtet wurden, sich BVB-Trikots anzuziehen, um sich offensichtlich verdeckt unter die Fans zu mischen, konnte man nur noch mit dem Kopf schütteln. Diesen Aufwand würde man sich an anderer Stelle mal wünschen.
Pünktlich um 15:45 Uhr begannen dann die Durchsagen, dass man den Marsch als Versammlung wertet und sich ein Versammlungsleiter melden solle. Als sich niemand dazu berufen fühlte, übernahm die Polizei die Versammlungsleitung und verlas die Auflagen. Bei aller Sorgfalt hatte man aber vergessen, die eigenen Kollegen auf die Besonderheiten des Versammlungsrechts hinzuweisen. So begann u.a. einer der SKB, sofort die Teilnehmer der Versammlung ohne ersichtlichen Anlass aus nächster Nähe zu fotografieren. Ein Blick in das VersG § 12a wäre hier wohl mal von Nöten. Diese Verhalten wurde von weiteren Polizisten dann auch den ganzen Marsch über fortgesetzt. Treppenwitz an der Geschichte: Hätte man den Fanmarsch nicht zwanghaft zur Versammlung erklärt, wäre das rechtlich sogar gar kein Problem.
Kurz nach 16 Uhr setzte sich der Zug dann hinter einem „null Toleranz“-Banner in Bewegung – die Fans zeigten das erste Mal eine Portion Ironie. Eng begleitet wurde man von den Dortmunder und Bochumer Hundertschaften. Das sind eben jene Beamten, die teilweise in der Vergangenheit Fans namentlich provozierten und zu 1:1-Matches herausforderten.
Auch heute wurden von diesen Beamten diese Spielchen wieder begonnen. Als die Anwälte begannen den Einsatz zu dokumentieren, änderte sich dann das Verhalten schlagartig. Gleichzeitig bermerkte die Polizei wohl einzelne Verstöße in Form von Böllern, die im hinteren Teil des Zuges detonierten und etliche gegen das verhängte Alkoholverbot. Der Vollständigkeit halber muss man auch anerkennen, dass man hier sinnvollerweise auf Maßnahmen verzichtete – entgegen der Ankündigungen im Vorfeld.
In der Summe sprachen die zahlreichen Medienvertreter von 3000 – 5000 Teilnehmern bei diesem Fanmarsch zum Westfalenstadion, die ihren Protest gegen den Leipziger Werbeklub und die Verbände ausdrückten, die so etwas erst ermöglichten. Dass einige Medien im Nachgang daraus 3500 Ultras machten, lässt einen Beobachter nur sprachlos ob soviel Unwissenheit zurück. Schlussendlich blieben aber die projizierten „neuen Dimensionen“ aus und mancher Reporter musste wohl enttäuscht auf seine Kriegsberichterstattung verzichten.
Zum Auftakt des Spiel zeigten viele Fans, dass sie sich auch im Stadion nicht Kritik verbieten lassen - auch wenn man sich bei Sky in selbstgerechter Empörung erging. Am Zaun grüßte die Wand der Schande die Schande der Liga. Wieder wurde selbstironisch mit der Vergangenheit gespielt. Dazu gab es weitere teilweise ironische Spruchbänder, die zeigten, dass man sich weder von Verbänden, noch Medien oder Politikern seine Meinung verbieten lässt. Auch auf das ansonsten obligatorische „Herzlich Willkommen im Westfalenstadion“ wurde wieder verzichtet. Auch der BVB verzichtete erfreulicherweise darauf, sich als Plattform für Werbung missbrauchen zu lassen und setzte auf die Old School-Optik bei der Anzeigetafel. Dieses Verhalten können gerne die anderen Vereine übernehmen. Tut niemandem weh - wirklich.
Direkt mit Anpfiff war dann auch Feuer im Spiel. Die Leipziger wurden brachial ausgepfiffen und so klopften sich wohl viel Fans beim schnellen 1:0 durch Aubameyang selbst auf die Schulter. Romantisch kann man schon den Blick haben, dass der Fehler von Ilsanker auf die Stimmung im Westfalenstadion zurück zu führen war. Die frühe Führung für den BVB stellte sich aber nicht als Vorteil heraus. Mit zunehmender Spieldauer verloren die Borussen immer mehr den Griff an dem Spiel. Toljan erwischte einen rabenschwarzen Tag und so stand es recht schnell zwei zu eins gegen die Hausherren. Insbesondere im Mittelfeld kamen die Schwarzgelben mit dem hohen Pressing gegen Sahin überhaupt nicht zurecht. Dazu passt, dass gefühlt kein hoher Ball irgendwie sinnvoll verwertbar war. Da hat insbesondere Bürki noch erhebliches Verbesserungspotential.
Zur Halbzeit blieb das Gefühl, dass nach der frühen Führung die Intensität fehlte, weil man gedanklich schon gewonnen hatte. Folgerichtig kamen zur zweiten Halbzeit Weigl und Pulisic. Doch wie in längst vergessen gedachten Zeiten folgte quasi mit Wiederanpfiff der nächste Gegentreffer samt roter Karte. Im Grunde war das Spiel vorbei. Drei zu eins hinten, der beste Innenverteidiger vom Platz gestellt und Unterzahl. Doch danach fand der BVB überraschenderweise besser ins Spiel und in der 56. Minute folgte die gelbrote Karte für Ilsanker. Danach war das Stadion wach und die Schwarzgelben drückten.
Denn trotz der nun vorhandenen Möglichkeit doch noch zumindest das Unentschieden zu erreichen, kam danach nicht mehr so viel. Bis zur Doppelchance in der neunzigsten Minuten bemühte sich insbesondere die rechte Seite mit Yarmolenko und Pulisic aufopferungsvoll, aber wirklich Zwingendes gab es kaum. Den US-Amerikaner hätte man sich aber vielleicht trotz Reisestrapazen von Anfang an gewünscht. Man muss aber auch sagen, dass der Gegner das hohe Tempo nahezu über 90 Minuten durchhielt und sich dann eben in jeden Ball warf.
So blieb es aus Fansicht bei einer bitteren Niederlage, die vor allem in Halbzeit eins abgeholt wurde. Gegen einen sportlich starken Gegner darf man so nicht auftreten. Auf der Nordtribüne entblödeten sich die Kunden im nicht ausverkauften Stehplatzblock dann ein letztes Mal, als man die Isländer kopierte. Tatsache - genau das hat der Osten und die Bundesliga gebraucht.