Kampf gegen Rechts: Die "BVB Freunde Deutschland" im Porzellanladen
Mit seiner Ankündigung, sich aus dem aktiven Kampf gegen Rechtsextremismus zurückzuziehen, hat der Fanclub BVB Freunde Deutschland mächtig Staub aufgewirbelt. Sogar die WDR-Lokalzeit berichtete. Doch in der Fanszene ist der nach eigenen Angaben rund 1.400 Mitglieder große Fanclub weitgehend unbekannt, im Stadion nicht präsent. Welche Aussagekraft hat also die Erklärung? Eine Einordnung.
„BVB-Fanklub kapituliert vor rechter Hetze“ lautet zum Beispiel die wortgewaltige Überschrift des Portals sport.de. Keine Frage, diese Botschaft erregt Aufsehen, nachdem Borussia Dortmund aufgrund rechter Umtriebe in der eigenen Fanszene zuletzt wieder in den Fokus gerückt worden ist: Im Mai grölten gewalttätige Anhänger während einer Sonderzug-Fahrt zum Pokalfinale antisemitische Parolen; ein fundierter Bericht der Funke Mediengruppe machte eine neue, rechtsoffene Hooligan-Gruppe dafür verantwortlich. Vor drei Wochen hat sich auch eine Doku des PayTV-Senders Sky ausführlich dieser Dortmunder Problematik gewidmet.
Viele Medien übernehmen die Stellungnahme ohne Hinterfragen
Nun also das Statement der BVB Freunde Deutschland, das auf ihrer Homepage in voller Länge zu lesen ist. Der Fanclub kämpfe seit zwölf Jahren gegen Rassismus im BVB-Umfeld und gibt sich sichtlich frustriert:
„Nicht selten wurden wir bedroht und beleidigt. Oft genug haben wir da rein gestochen, wo sich kein anderer mehr hin getraut hat und über die Jahre sind wir namenhafte Partnerschaften eingegangen mit anderen Vereinen und Organisationen gegen rechts, unsere Partnerschaften reichen noch heute bis rein in den deutschen Bundestag. Wir sind stolz auf unsere bisher geleistete Arbeit.“
Zahlreiche Anfeindungen, unter anderem, weil man im März erklärt hatte, AfD-Sympathisanten aus dem eigenen Fanclub auszuschließen, sowie mangelnde Unterstützung von BVB und Mitfans seien die Gründe für diesen Schritt.
Viele Medien übernahmen die Stellungnahme, ohne sie zu hinterfragen oder die Rolle der BVB Freunde Deutschland in den Gesamtkontext antirassistischer Arbeit von Verein und Fans einzuordnen. Es passt ja auch ins Bild: Der BVB, der rechte Fans lange Zeit gewähren ließ; die Stadt Dortmund, deren Stadtteil Dorstfeld bundesweit als Heimat umtriebiger autonomer Nationalisten bekannt ist; und zu guter Letzt ein Fanclub, der vor all dem kapituliert. Doch ist die Stellungnahme tatsächlich ein Gradmesser dafür, wie es um die Antirassismus-Arbeit des BVB bestellt ist? Wer einmal einen genaueren Blick auf die BVB Freunde Deutschland wirft, dem kommen berechtigte Zweifel.
Dortmunder Fan-Institutionen ist der Fanclub gänzlich unbekannt
1.382 Mitglieder – diese Zahl nennt der Fanclub auf seiner Homepage. Das klingt gewaltig. Mit so vielen Mitgliedern wären die BVB Freunde Deutschland zweifelsfrei der größte BVB-Fanclub in der Bundesrepublik. Ein ziemliches Brett, das dem Hilferuf – zu Recht! – großes Gewicht verleihen würde. Würde. Denn innerhalb der Fanszene ist der Fanclub, mit Ausnahme seines Namens, in Wahrheit gänzlich unbekannt.
Eins ist sicher: Ein rund 1.400 Mitglieder starker Fanclub würde auf der Südtribüne definitiv auffallen, selbst wenn nur ein Bruchteil von ihnen regelmäßig Heimspiele des BVB besuchte. Doch wo wir auch nachgefragt haben, die BVB Freunde Deutschland sind bisher weder im Stadion noch darüber hinaus in Erscheinung getreten.
Da wäre die BVB-Fanabteilung, die die Interessen ihrer rund 16.000 Mitglieder innerhalb des BVB e. V. vertritt. Der umstrittene Fanclub sei ihr gegenüber bisher nicht in Erscheinung getreten. Auch konkrete Aktivitäten in der Antirassismus-Arbeit, für die sich die BVB Freunde Deutschland so rühmen, seien nicht bekannt. Das ist insofern beachtlich, als dass die Fanabteilung selbst sehr umtriebig in der Arbeit gegen Rechts ist und über ein überregionales Netzwerk verfügt.
Auch für das Bündnis Südtribüne Dortmund, das die drei Ultra-Gruppen und zahlreiche aktive Fanclubs vereint, ist der umstrittene Fanclub ein großes Fragezeichen. Weder habe man ihn bisher im Stadion wahrgenommen noch seien Einzelpersonen bekannt. Schließlich haben die BVB Freunde Deutschland auch keinen Sitz im Fanrat. Der Fanrat ist ein bei der BVB KGaA angesiedeltes Gremium, das zur einen Hälfte aus großen und aktiven Fanclubs mit festem Sitz besteht und zur anderen aus von der Fandelegiertentagung gewählten Mitgliedern.
Internet-Fanclub mit lediglich sechs zahlenden Mitgliedern
All das hat einen Grund: Es handelt sich schlicht nicht um einen Fanclub im klassischen Sinne, der Wert darauf legt, dass seine Mitglieder sich, zumindest teilweise, persönlich kennen, und der Menschen aus derselben Stadt oder Region oder mit gemeinsamen Interessen vereint. Eine Mitgliedschaft bei den BVB Freunden Deutschland kostet zudem keinen Mitgliedsbeitrag, ist also völlig unverbindlich. Kurzum: Grundsätzlich kann jede Person Mitglied werden, wenn sie nur ein Formular ausfüllt.
Wie viele der 1.382 Mitglieder, die seit der Fanclub-Gründung vor zwölf Jahren mal ein solches Formular ausgefüllt haben, wirklich (noch) aktiv und wie viele Karteileichen sind, ist nicht bekannt. Die Tatsache, dass lediglich sechs Mitglieder auch einen Mitgliedsbeitrag in Form freiwilligen einer Spende zahlen, lässt die Antwort allerdings vermuten: Bei den BVB Freunden Deutschland handelt es sich um eine lose Gemeinschaft von Internetnutzern.
Dies kann man auch ihrer Satzung entnehmen: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, allen BVB Fans die Möglichkeit zu geben, sich über das Internet kennen zu lernen.“ Das ist per se natürlich nichts Schlimmes. Aber ausschließlich Quantität ist eben auch kein Fundament für aktive Arbeit gegen rechte oder rechtsoffene Fans.
Auch darüber hinaus wirkt ihre Onlinepräsenz nicht gerade seriös. Regelmäßig wird in Blogeinträgen für Glücksspielportale und ähnliche Anbieter geworben. Außerdem werden private Sponsoren um Geld-, Sach- oder sonstige Spenden gebeten.
Alles nur heiße Luft?
Und das antirassistische Engagement, das die BVB Freunde Deutschland nun einstellen möchten? „Oft genug haben wir da rein gestochen, wo sich kein anderer mehr hin getraut hat“, beschreibt der Fanclub im besagten Statement. Doch auf konkrete Aktionen angesprochen, druckst man bei Twitter lediglich herum und nennt auch in einem Beitrag in unserem Forum nichts Handfestes. Die aktive Arbeit ziele auf Politik und DFB ab und man habe Beziehungen bis in den Bundestag. Wer diese Kontakte sind? Wie sie in die BVB-Fanszene hinein wirken? Und was bisher erreicht worden ist? Zu all dem kein Wort.
Lediglich der Ausschluss von AfD- und NPD-Sympathisanten aus den eigenen Reihen wird ausdrücklich benannt. Doch mal ganz ehrlich: Das Distanzieren von Rechtspopulisten und Rechtsextremen sollte für jeden Fanclub, der sich Toleranz auf die Stirn geschrieben hat, eine Selbstverständlichkeit sein.
Dass die BVB Freunde Deutschland also – um es mal vorsichtig auszudrücken – nicht die Speerspitze des antirassistischen Engagements bei Borussia Dortmund bilden, hätte man mit weniger als einer Stunde Recherchearbeit herausfinden können. Dass neben dem eingangs erwähnten sport.de auch Focus Online journalistische Arbeit gegen ein paar sichere Klicks tauscht, überrascht nicht wirklich. Schließlich sind beide Seiten nicht dafür bekannt, fanpolitische Themen differenziert beziehungsweise mit entsprechendem Aufwand aufzubereiten.
Ein Bärendienst für die BVB-Fanszene
Dass sie dem BVB und allen gegen Neonazis und Diskriminierung engagierten Fans damit einen Bärendienst erwiesen haben, ist ihnen vermutlich egal.
Ach ja: Positiv kann man an dieser Stelle die Ruhr Nachrichten und Radio 91.2 hervorheben, die sich im Vorfeld einer potentiellen Berichterstattung bei anderen BVB-Fans erkundigt haben, um den Sachverhalt einordnen zu können.
Nachtrag vom 13. Oktober 2016: Die Funke Mediengruppe hat das Thema in einem zweiten Artikel noch mal aufgegriffen.