Marc Bartra und die mangelnde Konstanz
Im vergangenen Sommer verließ Abwehrchef Mats Hummels Borussia Dortmund in südliche Gefilde und hinterließ eine Lücke, die der BVB mit der Verpflichtung von Marc Bartra vom FC Barcelona zu schließen versuchte. Ähnlich wie sein Vorgänger ist der Spanier ein technisch sauberer Verteidiger, der seine Stärken im herausrückenden Verteidigen (aus der Kette) hat. Seine überdurchschnittliche Technik erlaubt ihm einen sauberen Spielaufbau ins letzte Offensivdrittel des Feldes – so zumindest die durch die Leistungen beim FC Barcelona abgeleitete Theorie.
Faktisch kann seine Hinrunde als durchwachsen bezeichnet werden, ja er steht fast schon sinnbildlich für die inkonstanten Leistungen der gesamten Mannschaft. Schaut man zunächst auf sein Alter (25), dann fällt schnell auf, dass er kein Spieler der Kategorie Mor, Dembélé, Pulisic, Passlack oder Merino ist, die aufgrund ihres Alters einen gewissen Welpenschutz genießen. Die Besonderheit seines bisherigen Karriereweges darf bei der Bewertung seiner Leistungen aber auch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Der in Katalonien geborene Bartra wartete bis zu seinem 25. Lebensjahr vergeblich auf einen Stammplatz bei seinem Ausbildungsverein FC Barcelona und gewann dabei zweimal die Champions League, zweimal den spanischen Pokal und dreimal die spanische Meisterschaft, ehe er sich dazu entschloss, dass eine Veränderung nötig sei, um seine Karriere weiter voran zu treiben.
Wie verhältnismäßig wenig Wettkampfpraxis er erhielt, verdeutlicht allein ein Blick auf die Spielminuten: In der Hinrunde beim BVB sammelte er fast ein Sechstel der Einsatzminuten (1330 Min.), die er in den sechs Jahren bei der ersten Mannschaft des FC Barcelona (6803 Min.) erhalten hat. Dementsprechend ist er ein Spieler, der gemäß seines Alters nicht mehr als blutjung bezeichnet werden kann, aber durchaus über noch nicht so viel Spieleinsätze verfügt, wie manch anderer Profifußballer mit Mitte zwanzig.
Gute Szenen von Bartra, wie etwa seine präzise Vorlage in den Lauf von Guerreiro beim Auswärtsspiel in Wolfsburg oder gut getimte Tacklings wie im Spiel gegen den FC Bayern München wechseln sich zu häufig mit ungenauen Aktionen ab, wie etwa schlechte Klärungsversuche/Fehlpässe gegen Gladbach und Augsburg, die direkt mit einem Gegentor bestraft wurden, oder ein mäßiges Zweikampfverhalten im Spiel gegen die TSG Hoffenheim, bei dem Bartra in den direkten Duellen alles andere als souverän aussah. Dennoch nahm ihn sein Trainer vor wenigen Wochen in Schutz und merkte an, dass die Erwartungen an den 25-Jährigen vielleicht zu hoch seien: „Man sieht Marc, man sieht seine Vita, man sieht seine Titel und man sieht sein Alter und die spanische Nationalmannschaft und erwartet vielleicht zu viel von ihm. Weil, wenn man dahinter schaut ist er mit einer neuen Situation konfrontiert, so viel Verantwortung zu tragen für ein Spiel und Abwehrabläufe und dann kommt noch ein sprachliches Problem hinzu.“
Häufig hat man als Zuschauer den Eindruck, dass Bartra sehr viel von sich selbst erwartet und viele Ideen gleichzeitig ins Spiel einbringen möchte, die dann wiederum aber zu einer Verkrampfung führen und ab und an in haarsträubenden Fehlpässen enden. Auch Thomas Tuchel weist auf die völlig neue Rolle hin, die er im Vergleich zu seiner Zeit beim FC Barcelona nun inne hat und auf den selbst auferlegten Druck, der es für Bartra nicht gerade einfacher macht: „Marc macht sich selbst viel Druck, erwartet viel von sich, so verhält er sich auch. Marc ist ein sehr integrativer und aufmerksamer Typ, der sehr, sehr viel will, er würde am liebsten auf der Torlinie verteidigen, einen Gegenangriff einleiten und zwei Spieler ausspielen. Wir sind sehr zufrieden, aber sind in einer Phase, in der wir das ganze etwas beruhigen und berechenbarer werden lassen möchten. Dazu gehört auch Kommunikation und Zeit.“
Im Gegensatz zu den Leistungen auf dem Feld scheinen die Leistungen neben dem Platz schon jetzt zu stimmen. Der Neuzugang vermittelt einen grundsympathischen Eindruck, scheint sich komplett mit dem BVB zu identifizieren und glücklich darüber zu sein, endlich auf hohem Niveau Spielzeit zu sammeln. Dafür spricht auch nicht nur der von Thomas Tuchel erwähnte „integrative Charakter“ des Innenverteidigers, sondern auch das Lob, welches er vor einer Weile für seinen neuen Trainer übrig hatte: „Tuchel ist ein sehr akribischer Trainer, der will, dass alles richtig gemacht wird. Er ist eine große Persönlichkeit. Und das Beste an ihm ist seine klare Linie“.
Alles in allem fällt es sehr schwer, nach einer Hinrunde ein abschließendes Urteil über den Spieler zu fällen. In einer inkonstanten Mannschaft mit durchwachsenen Abwehrleistungen hat auch er es bisher nicht geschafft, für Stabilität zu sorgen. Bei acht Millionen Euro hat man wahrlich keine Unsummen für ihn bezahlt (gemessen daran, was mittlerweile im Fußball Usus ist), aber ob er dauerhaft das Zeug dazu hat, sich beim BVB zu etablieren, vor allem seine Wildheit abzulegen, das kann nur die Zeit zeigen. Genügend Potenzial bringt er allemal mit, die Schuhe von Mats Hummels sind ihm aber definitiv (noch?) zu groß. Vergleiche dürften daher auch nur wenig zielführend sein.
DerJungeMitDemBall, 27.12.2016