BVB-Fans im Diskurs: Der Fußball und sein Sexismus-Problem
Im Block wie auf dem Rasen: Das Fußballgeschäft wird von Männern dominiert. Um zu ergründen, welchen Vorurteilen und teilweise offenen Anfeindungen weibliche Fans häufig ausgesetzt sind, hat die Initiative ballspiel.vereint! am Samstag einen Antisexismus-Workshop veranstaltet.
Dieses Bild kennt jeder Fußballanhänger: Die Fans des Gastvereins spazieren als großer Mob zum Stadion. Meist werden sie von einer oder mehreren Ultra-Gruppen angeführt. In der ersten Reihe: nur Männer. Ist das Sexismus? Oder ein anderes Beispiel: Auf dem Spielfeld geht es besonders hitzig zu und als der gegnerische Verteidiger den eigenen Angreifer mit einem ebenso absichtlichen wie überharten Foul von den Beinen holt, quittieren große Teile der Kurve die Aktion mit „Hurensöhne, Hurensöhne“-Rufen. Ein Zeichen für die strukturelle Diskriminierung von Frauen in Fußballstadien? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich eine Gruppe BVB-Fans im Lernzentrum des Westfalenstadions – und war sich bei den Antworten nicht immer einig. In einer Sache hingegen schon: Frauen werden in Fanszenen regelmäßig mit Vorurteilen konfrontiert.
Frauen als bloßes Beiwerk und auf Körperliches reduziert?
Hierfür hatte Referentin Johanna Waldeck, die aus der Fanszene von Babelsberg 03 stammt, einige Beispiele mitgebracht. Von diskriminierenden Spruchbändern, auf denen gegnerische Fans mit weiblichen Eigenschaften bedacht werden, um sie zu beleidigen, über Aufkleber, die Frauen als reine Sexobjekte darstellen, bis hin zu rosa Fanartikeln. Und selbst vor dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen machen Geschlechter-Klischees, die das vergangene Jahrhundert überlebt haben, keinen Halt, wie das ZDF mit seinem Werbespot zur Frauenfußball-EM 2013 bewies: Frauen findet man im Waschkeller und nur ausnahmsweise auf Fußballplätzen.
Das deckte sich mit den Erfahrungen der Workshop-Teilnehmenden. Die BVB-Fans, männlich wie weiblich und mit unterschiedlichen Fußballbiographien, berichteten von persönlich erlebten Situationen, in den Frauen beim Fußball bloß als Beiwerk angesehen, aufs Körperliche reduziert oder mit der Unterstellung konfrontiert wurden, sie würden bloß zum Fußball fahren, um sich einen Typen zu angeln.
Mit unterschiedlichen Methoden näherte sich der Workshop diesem immer gleichen Muster sexistischer Diskriminierung – und machte auch vor den eigenen Vorurteilen nicht Halt. In Kleingruppen erörterten die Teilnehmenden anhand persönlicher Fragestellungen, ob sie nicht auch selbst manchmal den Gegenüber anhand seiner Kleidung, seines Körpers oder seines Geschlechts bewerten und wie man dieser Angewohnheit entgegentreten kann. Übrigens: Die Frage, ob es beim Fußball schon einmal einen Moment gab, in dem das eigene Geschlecht im Weg stand, konnten alle Männer der Runde kurzerhand mit Nein beantworten. Bei den Frauen das genaue Gegenteil.
Fanszenen als idealer Nährboden für die Reproduktion von Vorurteilen
Wie kann man sexistischen Diskriminierungen, die nicht selten Hand in Hand mit homophoben Stereotypen gehen, nachhaltig entgegentreten? Johanna Waldeck erarbeitete gemeinsam mit den Teilnehmenden unterschiedliche Strategien, um dem Problem im Kleinen wie im Großen begegnen zu können. Sie zeigte, wie es gelingen kann, Widerspruch zu platzieren und warum es wichtig ist, dass weibliche Fans eigene Räume haben, in denen Probleme offen diskutiert werden können, ohne dass ein klischeebesetzter Bewertungsmaßstab angelegt wird. In manchen Fanszenen haben Frauen sich zum Beispiel in eigenen Gruppen zusammengeschlossen. In Heidenheim entstanden die Societas, in Jena die SenioritHAs.
Und dennoch: Der Fußball ist eine Männerdomäne. Auf dem Platz stehen elf Dortmunder Jungs, keine Mädels, und fast ausschließlich männliche Schiedsrichter. Das gleiche gilt für die Trainer, Linienrichter und Sportdirektoren an der Seitenlinie. Auf den Tribünen nimmt der Frauenanteil zwar zu; beim harten Kern, in den Fan- und Ultraszenen, dominiert das männliche Geschlecht jedoch deutlich. Hinter Spruchbändern und auf Vorsängerpodesten finden sich nur ganz selten Mädchen oder Frauen. Schließlich existiert in vielen Fanszenen, so auch in der des BVB, kein offener Diskurs über sexistische Diskriminierungen. Der ideale Nährboden also, dass sich Vorurteile reproduzieren.
Konnten die Teilnehmenden für sich persönlich zwar wichtige Erkenntnisse gewinnen, war die Illusion, zeitnah einen Klimawandel im Fußball allgemein und unter Fans im Speziellen herbeizuführen, daher sehr gering. Aber vielleicht war der ballspiel.vereint!-Workshop ja ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Malte S., 15.11.2016