Aktionärsversammlung 2015 – Wenn Aktionäre Süßholz raspeln…
Wie war das noch vor zehn Jahren, als der BVB am Abgrund stand. Damals wurden die Verantwortlichen bei Borussia Dortmund von den Aktionärsvertretern hart angegangen. Aber diese Zeit ist vorbei, gestern stellte die Hauptversammlung der Aktionäre sogar die Harmonie bei der Mitgliederversammlung in den Schatten. Schöne, heile BVB-Welt.
Wie jedes Jahr im November trafen sich einen Tag nach der Mitgliederversammlung die Aktionäre in der Westfalenhalle (3b), um die übliche Tagesordnung abzuarbeiten und das vergangene Geschäftsjahr zu beleuchten. Pünktlich um 11 Uhr eröffnete Gerd Pieper als Aufsichtsratsvorsitzender die Veranstaltung und legte erst einmal eine Schweigeminute für die Terroropfer in Paris ein. Nach der Begrüßung der Aktionäre folgte der Bericht des Aufsichtsrates, von dem bis auf Peer Steinbrück (fehlte wegen des Trauerakts für Helmut Schmidt in Hamburg) alle anwesend waren. Zunächst folgte ein Dank an die Mitarbeiter und an Jürgen Klopp, der für tolle Erfolge, hervorragende Perspektiven und unvergessliche Momente in Dortmund gesorgt hat. Es folgte nun die Aufzählung der alljährlichen Formalien wie Tagesordnung und Abstimmungsverhalten. Als dann der Mannschaftsrat zusammen mit Trainer Tuchel und Manager Zorc eintraf, begrüßte Pieper den Trainer und dankte ihm für das bislang erreichte. Dann ging er auf das scheidende Aufsichtsratmitglied Harald Heinze ein und dankte ihm für die vergangenen zehn Jahren.
Es folgte der Bericht der Geschäftsführer. Als erstes gab Aki Watzke seinen Bericht ab, der ebenfalls den Mitarbeitern und vor allem dem Betriebsratvorsitzenden Fritz Lünschermann dankte. Da der BVB mittlerweile über tausend Mitarbeiter beschäftigt, hat der BVB nun reagiert und für den Bereich Personal einen Direktor zum 01.01.2016 eingestellt. Den Job übernimmt Reinhard Beck, seines Zeichens ehemaliger Fanabteilungsvorsitzender und Kassenprüfer beim BVB. Auch er dankte Harald Heinze für die Mitarbeit und erinnerte daran, dass dieser bereits da war, als keiner helfen wollte. Dann erinnerte er ebenfalls an den verstorbenen Helmut Schmidt, bevor er auf die sportliche Entwicklung des vergangenen Geschäftsjahres einging. „Sportlich war es das schwierigste Jahr seit langem. Aber es hat uns einen freien Blick gegeben. Es war sehr, sehr schwer - es gab kein Früherkennungssystem. Wir waren in der Saison zuvor Vizemeister geworden - das ist ja zurzeit das höchste der Gefühle“, erklärte er. Viele hätten nach der vergangenen Saison schon das Ende der Ära BVB erklärt. Das wurde mit dem Blick auf die aktuelle Tabelle widerlegt. Man habe nie die Geschlossenheit aufgegeben, sondern mit Besonnenheit und Ruhe reagiert. „Wenn ein Trainerwechsel stilvoll absolviert wurde, dann ist das bei Borussia Dortmund im letzten Sommer der Fall gewesen“, sagte er und bedankte sich für die vergangenen sieben Jahre. Zur aktuellen Saison sagte er, man habe die meisten Spiele gemacht und nur zwei Niederlagen kassiert, wenn auch die letzte bitter war. Dass man aktuell den zweiten Platz belegt, sei schon eine außerordentliche Leistung. Zum neuen Trainer erklärte er, dass man einen großartigen Trainer bekommen habe und er die Hoffnung habe, dass man noch eine lange Zeit gemeinsam zusammenarbeiten werde. Aktuell ist man in Europa Nummer sieben, noch vor Paris Saint-Germain und dem FC Arsenal. Der Anspruch von Dortmund sei es, in der Champions League zu spielen. Wenn man so weitermache, sollte dies erreichbar sein. Außerdem sei man mittlerweile im Jugendbereich gut aufgestellt. Das zeige die Auszeichnung von Felix Passlack und die erfolgreiche Titelverteidigung der deutschen U17-Meisterschaft.
Aki Watzke ging dann auf den wirtschaftlichen Bereich ein. Man hatte nach dem Verpassen der Champions-League-Qualifikation die Möglichkeit, entweder die Kosten zu minimieren und den Kader zu verkleinern oder ein wirtschaftlich schwächeres Jahr in Kauf zu nehmen, aber die Mannschaft zu behalten. Man habe sich deshalb für den zweiten Weg entschieden. „Der BVB ist wirtschaftlich gut aufgestellt“, erklärte der Geschäftsführer. Der BVB hat eine hohe Liquidität, eine hohe eigenkapitalquote und vor allem keine Schulden. Wie stark die Marke Borussia Dortmund sei, könne man an bestimmten Eckpunkten sehen. Der BVB habe bei Facebook 13,5 Mio. Freunde und bei Twitter 1,85 Mio. Follower. Damit sei man in Deutschland nur Nummer zwei, habe aber vor dem Dritten einen riesigen Vorsprung. Der Klub habe 132.000 Mitglieder und zahlreiche Einzelaktionäre (60% der Aktien sind im Streubesitz). Eine Studie der Universität St. Gallen habe ergeben, dass der BVB gesellschaftlich der wichtigste Klub in Deutschland sei. Weiterhin ging er auf die Arbeit der Stiftung „Leuchte auf“ und der Fanabteilung gegen Rechts ein. Im Hinblick auf die Zukunft zeichnete er rosarote Bilder. 2020 läuft der Vertrag mit Sportfive aus, dadurch werden jährlich 20 Mio. Euro Provision wegfallen. Man werde diesen Vertrag deshalb nicht verlängern. 2008 ermöglichte diese Vertragsverlängerung den Rückkauf des Stadions. Mittlerweile könne man die Arbeit von Sportfive selbst übernehmen. Auch werde man in Zukunft durch das Catering im Stadion deutlich mehr Geld einnehmen. Der BVB hat diesen Bereich von einem externen Anbieter, mit dem der Vertrag von seinen Vorgängern abgeschlossen wurde, übernommen. Auch durch die Auslandsvermarktung der Bundesliga könne man noch mehr Geld einnehmen. Abschließend ging er auf das Thema Sicherheit und DFB ein. Es sei ein gutes Zeichen gewesen, dass die Bundesliga nach dem Terroranschlag in Paris komplett gespielt hat. Der BVB werde die Sicherheitsvorkehrungen, ohne darauf genauer einzugehen, verstärken. Allerdings nahm er dazu auch die Politik in die Pflicht. Zum Streit innerhalb des DFB bezüglich der Nachfolge von Niersbach erklärte er, dass Dr. Rauball in dieser Krisenzeit der richtige Mann gewesen sei und er weiterhin im DFB Verantwortung übernehmen werde. „Das ist kein Angriff auf Herrn Grindel. Ihm fehlt aber die Erfahrung. Wir sollten in den nächsten drei Jahren mit einer Doppelspitze fahren“, schlug Watzke vor. Er beendete seinen Vortrag mit dem Hinweis, er freue sich auf die Herausforderung der nächsten Jahre.
Als nächstes ging der zweite Geschäftsführer, Thomas Treß, zum Pult. Für die meisten Aktionäre der Zeitpunkt, die Halle zu verlassen (die Erbsensuppe rief). Auch er bedankte sich bei den Mitarbeitern, den Fans und auch Jürgen Klopp. Zu Tuchel, so meinte er, könne er nur feststellen, dass man die Anfangsbuchstaben gemeinsam habe. Aber auch er drückte seine Hoffnung auf eine lange Zusammenarbeit aus. Dann ging er auf das Zahlenwerk ein (nachzulesen unter http://aktie.bvb.de/). Der BVB habe im abgelaufenen Geschäftsjahr 68,2 Mio. Euro in das immaterielle Anlagevermögen gesteckt, was vollständig für den Spielerbereich eingesetzt wurde. Dazu kamen noch fast 6,9 Mio. Euro Investitionen in das Sachanlagevermögen. Dies beinhaltet das Ausrüsten des Westfalenstadions mit WLAN, den Bau der Fanwelt und die Umbauten am Westfalenstadion bzw. im Trainingsgelände Brackel. „Wir können sagen, dass der BVB heute schuldenfrei ist. Vor zehn Jahren haben wir nicht geglaubt, dass das so schnell geht“, erklärte Treß. Man werde in Zukunft keine Schulden für sportlichen Erfolg machen. Der Personalaufwand sei stark gestiegen. Das liege an den Bereichen Amateur- und Jugend. Aber auch der Aufbau der Cateringsabteilung habe viel gekostet. Aktuell habe man 54 Mio. Euro auf der Kasse. Und das solle auch so bleiben, erklärte der Finanzchef des BVB.
Nun übernahm der Versammlungsleiter Pieper das Wort und verabschiedete den Trainer und den Mannschaftsrat in Person von Reus, Hummels und Schmelzer. Als nächstes stellte er die zur Wahl stehenden Aufsichtsratskandidaten vor. Als Nachrücker für Harald Heinze wurde erstmals eine Frau vorgeschlagen: Silke Seidel. Angestellt ist sie im Investmentbereich der Stadtwerke. Zu diesem Zeitpunkt waren 50,31% des Grundkapitals anwesend. Damit begann die Generaldebatte, wo es diesmal nur zehn Wortmeldungen gab. Es begann mit den üblichen Rednern, Stefan ten Doornkaat von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und Dietmar Erlebach von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Beide waren mit den Zahlen, der Dividende und den Entscheidungen einverstanden und hatten nur kleinere Nachfragen. Wenn man sich da noch an die Versammlung vor zehn Jahren erinnert, konnte man feststellen, SdK und DSW waren diesmal handzarm. Von den restlichen Rednern blieben wohl nur Roland Heuermann als Gegenkandidat für den Posten von Peer Steinbrück und Wilm Dietrich Müller (muss man ihn noch vorstellen? Hier ein Beispiel aus der Süddeutschen Zeitung) in Erinnerung.
Es folgte nun die Antwort von Aki Watzke auf die Nachfragen. Natürlich gebe das eigentliche Ergebnis die vorgeschlagene Dividende von 0,05 Euro pro Aktie nicht her. Dies sei als Dankeschön für die Aktionäre gedacht. Die Schuldenfreiheit habe man zwar teuer erkauft (die Vorfälligkeitskosten für die Ablösung des Darlehens), aber für den BVB habe es einen unvorstellbaren Wert. Aktuell habe man im DFB-Pokal bereits die Einnahmenplanungen erreicht. Alles, was jetzt noch käme, wäre ein Zubrot. Im Europapokal habe man mit dem Achtelfinale geplant, aktuell habe man die Runde davor bereits erreicht. Zur Englanddiskussion wies er darauf hin, dass trotz allem Geld in England diese international wenig Erfolg vorweisen könnten. Im Jugendbereich erhalte man jetzt endlich die Früchte der Arbeit, die man vor Jahren begonnen hat. Hier habe der Nachbar aus Gelsenkirchen noch einen Vorsprung von rund sieben Jahren, wo der BVB gepennt habe. Der Aktienkurs sei natürlich unterbewertet, alleine der Kader und das Umfeld seien mehr als 650 Mio. Euro Wert. Man habe keine fehlerhafte Kommunikation mit den Kapitalgebern gehabt, sondern lieber strategische Partner aus dem Sponsoring statt irgendwelche Geldgeber geholt. Weiterhin werde man keine weitere Kapitalerhöhung anstreben (warum auch) und im Jahr 2017 fahre man wieder zu einer Tour nach Asien. Während die Mannschaften der Premiere League insgesamt 58 Spiele im Ausland absolviert hätten, sei dies in der Bundesliga nur von zwei Mannschaften gemacht worden. Deshalb schlug er vor, statt der ersten Runde im DFB-Pokal die Bundesligisten für eine Woche auf Auslandsreise zu schicken, damit die Marke Bundesliga gestärkt werde. Es habe übrigens keinen Unterschied bei der Champions League-Versicherung gegeben, ob man nur in der Europa League spiele oder gar nicht. Die Erstattung wäre dieselbe gewesen. Die Gehälter seien teilweise durch die Europa League minimiert worden. Allerdings gab es auch Verlängerungen, so dass die Kosten weiter steigen. Die 20 Mio. Euro Provision für Sportfive habe diese erarbeitet, es sei keine Kreditrückzahlung gewesen. Durch den auslaufenden Vertrag werde man einen achtstelligen Wachstumsbetrag haben. Zum Abschluss bedankte er sich bei Herrn Müller: „Abgesehen von der Substanz finde ich es toll, wie sie einen freien Vortrag über zehn Minuten halten.“
Es folgten dann die Ausführungen von Thomas Treß und er erklärte bezüglich der Dividende: „Wir orientieren uns dieses Jahr am Konzerngewinn. Wir sind nicht bereit zur Beglückung von Kleinaktionären.“ Bevor man zur Abstimmung schreiten konnte, stellte sich Frau Seidel vor (sie kommt aus Dortmund, ist verheiratet und hat keine Kinder). Nach einer kurzen Pause, in der die Stimmen ausgezählt wurden (es waren nur noch 49,25% des Kapitals anwesend) gab es dann wie jedes Jahr die üblichen 99%-Ergebnisse. Damit kommt es zur Auszahlung der Dividende und mit Silke Seidel ist erstmals eine Frau im BVB-Aufsichtsrat. Da es keine weiteren Wortbeiträge gab, schloss um 15:50 Uhr Gerd Pieper die, mit Verlaub, langweilige Sitzung. Es ist schön, dass die Zeit gekommen ist, dass man bei einer Aktionärssitzung so etwas schreiben kann.
CHS, 25.11.2015