Die Kacke dampft
Selbst 25 Minuten Überzahl reichten dem BVB nicht, um zumindest einen Punkt gegen die gut organisierten Augsburger einzufahren. Erst in der Nachspielzeit kam man zu einigen Chancen, nachdem vorher ein Balljunge den meisten Einsatz zeigte. Weidenfeller und Hummels mussten nach dem Spiel die aufgebrachten und wütend pfeifenden Fans beruhigen.
Während man innerhalb der 90 Minuten beim Auftakt zur Rückrunde in der Pillen-Gästekurve noch ein eher diffuses Stimmungsbild verorten konnte, waren sich die meisten Fans nach Abpfiff einig: Dieser Punktgewinn war nicht nur verdient, sondern auch trotz der prekären Tabellensituation einigermaßen zufriedenstellend. Insbesondere die Defensive stand insgesamt doch sicher gegen eine ja nicht blinde Offensive. Mit Blick auf das gestrige Abendspiel gegen die bayerischen Schwaben aus Augsburg wünschte sich jeder mit einem schwatzgelben Herz nicht nur mehr Chancen vorne, sondern auch eine effektivere Verwertung eben dieser.
Feulner und Ji zurück in Dortmund
Allerdings wartete mit einem Heimspiel gegen den FC Augsburg wohl die undankbarste Aufgabe zu Beginn dieser richtungsweisenden Rückrunde auf. Denn trotz Platz 18 kann man sich bei der Paarung „Borussia Dortmund gegen FC Augsburg“ nicht gänzlich von dem unterbewussten Gedanken freimachen, doch irgendwie Favorit sein zu müssen. Nach 18 Spieltagen auf Platz 6: Die Gäste um Kapitän Paul Verhaegh klopfen entgegen aller Prognosen ernsthaft ans europäische Tor. Besonders hervorstechend auf Seiten der Mannen von Trainer Markus Weinzierl, der bekanntlich schon einmal mit anderthalb Beinen vor dem Rauswurf stand, sind sicherlich der Ex-Blaue Halil Altintop sowie unsere ehemaligen Spieler Markus Feulner und Dong Won Ji. Letzterer funktioniert als Spieler nur bei der Puppenkiste, wie sein gescheitertes Intermezzo bei uns ja unlängst erst bewies. Schwacher Trost: Diesmal schoss er wenigstens kein Tor bei uns, um die schlechte Transferpolitik der letzten Monate noch mehr zu versinnbildlichen...
Im Gegensatz zum Spiel bei Vizekusen gab es zwei Änderungen: Der verletzte Piszczek wurde von Aubameyang ersetzt; der offensivstärkere Gündogan spielte für den in Leverkusen endlich mal grundsoliden Ginter. Großkreutz rückte von vorne nach rechts hinten in die Abwehrkette. Bevor das Spiel angepfiffen wurde, gab es eine Schweigeminute für einen großen, aber stets auch polarisierenden Fußballlehrer. Udo Lattek starb bereits am Sonntag im Kreise seiner Familie. Unvergessen bleibt seine Rettungsaktion im Verbund mit Matthias Sammer im Jahr 2000. Die aktuelle sportliche Situation lässt die Zeit von damals noch einmal ganz intensiv anklingen. Nach der kurzen Erinnerung von Norbert Dickel gab es eine kurze „Applausminute“, die dann von der Süd mit „Leuchte auf“ beendet wurde. Meiner Meinung nach eine wesentlich schönere Zeremonie als diese Schweigeminuten, die meistens von irgendwelchen besoffenen Hohlköpfen entwürdigt werden. Bleibt zu hoffen, dass zukünftig vermehrt Applausminuten das Gedenken an Persönlichkeiten prägen werden. Nicht mit einer Minute, aber dafür mit einer umso schöneren, in schlichtem Schwarz gehaltenen Choreographie verabschiedeten Fans in Block 13 derweil einen der ihren („Für Block 13 gelebt. In Kurve 13 von uns gegangen. Ruhe in Frieden, Tobi.“).
Weidenfeller denkt an Manuela in Brasilien
Wie schon bei den kniffligen Heimspielen gegen Hoffenheim und Gladbach zeigten die Fans zu Beginn, dass sie auch Abstiegskampf können. Die ersten Gesänge und Schlachtrufe waren jedenfalls ordentlich und daran konnte auch die erste Mini-Chance von Raul Bobadilla (2.) nichts ändern. Eine knappe Viertelstunde war gespielt, als Roman wieder an den gemeinsamen Brasilien-Urlaub mit Manuel dachte und auch mal zeigen wollte, dass er modernes Torwartspiel beherrscht. Nicht. Zum Glück war Ji noch im BVB-Modus und lupfte über Torhüter und Gehäuse. Im Gegenzug scheiterte alsbald Kampl etwas zu eigensinnig und auch Aubameyang brachte den Ball nach schönem Zuspiel von Gündogan nicht im Manninger-Tor unter (16.).
Die ganze Anspannung und Nervosität, das Verstecken mancher BVB-Spieler in dieser Phase wurde nach 21 Minuten deutlich. Kevin wollte einen Einwurf ausführen, doch fand er partout keine Anspielstation, sodass Schiri Fritz wegen Zeitspiels (!) den Gästen den Einwurf zusprach. Inzwischen waren sowohl Werder Bremen als auch der HSV jeweils auswärts in Führung gegangen und man war froh über das überlastete Netz bzw. die Tatsache, dass auf der Leinwand keine Blitztabellen angezeigt werden. Und wenn der Ball dann mal im Tor ist, zählt der Treffer nicht. Gündogan mit schöner Kopfballvorlage auf Immobile, der zu lange zögert und trotzdem noch das Leder aufs Tor bekommt. Dort steht Aubameyang aber klar in der strafbaren Zone. Da hätte der Italiener vorher direkt abziehen müssen (26.).
Leider war der BVB defensiv nicht ganz so aktiv und stabil wie noch in Leverkusen. Augsburg war immer dann gefährlich, wenn es schnell umschalten konnte und erinnerte dabei ein wenig an unsere Farben von vor zwei, drei Jahren. Viel zu oft konnten die Puppen Überzahl schaffen und der BVB konnte von Glück sprechen, dass die Gästeakteure lieber den unpräzisen Fernschuss bevorzugten und die Möglichkeiten nicht zu Ende spielten. Am nächsten kam dabei Verhaegh, dessen Schuss aus zwanzig Metern nur knapp links am Pfosten vorbei zischte (31.).
Der Halbzeitpfiff ertönte und auf den Rängen gab es weder Pfiffe noch Applaus. Für Applaus war die Leistung der letzten 15, 20 Minuten einfach zu schwach und simpel. Und für Pfiffe waren glücklicherweise alle Fans zu sensibel, da diese die Mannschaft noch mehr geschwächt hätten. Denn bereits in der ersten Hälfte merkte man mit jeder Minute, dass die Furcht vor einem Fehlpass im Aufbau oder einem groben Abwehrfehler größer wurde.
Ante Sapina neuer BVB-Verteidiger?
Fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff musste man sich ernsthaft die Frage stellen, ob Ante Sapina inzwischen seine Finger im Abwehrverhalten unserer Borussen hat. Ausgerechnet der eingefleischte Scheisser aus Wattenscheid läuft durch die komplette Hintermannschaft der Borussen und alle gucken zu. Solch eine unverschämte Abwehrleistung nutzt eine Mannschaft „on fire“ natürlich gnadenlos aus und es war Bobadilla vorbehalten, den durchaus verdienten Führungstreffer zu erzielen (50.). Zu allem Überfluss verletzte sich zehn Minuten später auch noch Großkreutz. Für ihn kam Subotic und Sokratis rückte auf die Rechtsverteidigerposition. Man hatte in dieser Phase das Gefühl, dass manchen Spielern das Geschehen und der Tabellenplatz am Allerwertesten vorbei ging und stattdessen die neue Modelinie geplant wurde. Auch Gesten und sonstige Kommunikation waren nicht zu erkennen. Viele Missverständnisse dominierten das offensive Zusammenspiel.
Hektik kam kurze Zeit später auf, als Schiedsrichter Fritz eine gefühlte Ewigkeit brauchte, um den Augsburger Innenverteidiger Janker des Feldes zu verweisen (64.). Der Neuzugang aus Berlin zerrte Aubameyang im Laufduell zu Boden und da der Vorteil nichts einbrachte, war die Entscheidung absolut folgerichtig. Nun war das ganze Stadion wieder da, der BVB mindestens 25 Minuten in Überzahl und aus Sevilla wurde Augsburg (Stichwort: Zeitspiel).
Wer nun aber einen Sturmlauf erwartete, lag völlig daneben. Die teils grotesken Angriffsbemühungen endeten entweder an den Füßen der Augsburger Feldspieler oder in den Händen des sicheren Torhüters Manninger. Man musste wirklich an unglückselige Doll-Zeiten zurückdenken, um eine solche Nicht-Leistung erinnern zu können. Der einzige BVB-Mensch mit einer akzeptablen Laufleistung und einer hohen Einsatzbereitschaft war ein Balljunge hinter Manningers Tor, der fleißig überzählige Bälle vom Spielfeld holte.
Insgesamt nur fünf Minuten Fußball bot die schwarzgelbe Millionentruppe, der nun klare Tabellenletzte. Von der 89. bis zur 94. Minute kam man tatsächlich zu einigen Torchancen, doch waren weder „Micky“ per Volleyschuss (89.), Immobile per Kopfball aus drei Metern (91.), Schmelzer ebenfalls per Kopf (92.), noch Kagawa mit einer plumpen Schwalbe (94.) erfolgreich. Gerade in der letzten Szene sah man richtiggehend, wie die Verantwortung immer weiter geschoben wurde, bis der kleine Japaner zu dieser Harakiri-Aktion schritt.
Weidenfeller und Hummels im Dialog
Nach dem Abpfiff begann ein gellendes und absolut berechtigtes Pfeifkonzert im gesamten Stadion inklusive „Wir wollen euch kämpfen sehen“-Forderungen. Hier seien Weidenfeller (der den Arsch in der Hose hatte und voranschritt) und Hummels lobend erwähnt, die den Dialog mit den aufgebrachten Fans auf der Süd suchten. Viele andere Fans hingegen verließen bereits weit vor dem Abpfiff das Stadion. Es gab diesmal kein zweites Malaga. Spieler, Trainer und Fans waren alle komplett ratlos nach dem Spiel. Keine Ahnung, wie am Samstag bei angesagten Minusgraden bei den im Abstiegskampf erfahrenen Freiburgern was geholt werden soll.
Während man in der Hinrunde immer noch nach oben schielte, gegen Ende dann im Abstiegskampf angekommen ist, muss man nun bereits hoffen, nicht den Anschluss zum direkt rettenden Ufer zu verlieren. Denn auch eine echte Horrorvorstellung will sich wohl kein BVB-Fan im Mai antun: Relegationsspiele gegen die Dosen aus Leipzig unter dem Motto „Klassenerhalt oder lebenslanges Stadionverbot.“ Auch wenn es schwer fällt: Wir Fans müssen in Freiburg jetzt am Samstag unseren geringen Teil beitragen und in den 90 Minuten alles geben, damit diese auch mannschaftsintern gespaltene Truppe die nötigen Punkte einfährt. Sobald das „Badener Lied“ verstummt ist, darf nur noch der Gästeblock im Scheissgau gehört werden!
Stimmen zum Spiel
Mats Hummels: Das Problem ist, dass wir nie mal in Führung gehen. Wir laufen die ganze Saison über Rückständen hinterher. Uns fehlt es einfach, auch mal in Führung ein Spiel aufzubauen. Wir müssen und werden jetzt 15 Spiele lang kämpfen. Das Spielerische ist nur noch Bonus. So haben wir ja auch schon in Leverkusen gut dagegen gehalten und wurden trotzdem wieder kritisiert. Ab jetzt zählt 98% Kampf und 2 % Lockerheit für die letzten zwanzig Meter.
Jürgen Klopp: Das Ergebnis tut weh. Es ist aber nicht so, als ob wir mit dem Ergebnis nichts zu tun haben. Das Gegentor kann man fünfmal, sechsmal verteidigen und dann steht auch noch der Torschütze völlig frei. Wir machen mal wieder aus großen Möglichkeiten nichts. Bei der Roten Karte hätte ich mir lieber gewünscht, es wird quer gespielt und der Ball geht rein. Unsere größte Chance hatte sicher Ciro in der Nachspielzeit auf dem Kopf. Dass das auch was mit Nerven zu tun hat, steht völlig außer Frage. Wir werden aber weiter nicht aufgeben. Die Ansätze sind ja da. Wir hatten die Situation und sogar mehr als in den Spielen zuvor. Wir müssen den Jungs den Glauben zurückbringen und konsequenter im Abschluss sein. Wenn man nicht schießt, kann man nicht treffen! Das Entscheidende machen wir falsch! Ich bin maximal enttäuscht und verstehe die Leute, die kämpfen und „Wir wollen euch kämpfen sehen!“ rufen. Wir kämpfen, aber wir kämpfen falsch, weil wir die falschen Entscheidungen treffen.
Daten zum Spiel
BVB (4-2-3-1): Weidenfeller – Großkreutz (60.Subotic), Sokratis, Hummels, Schmelzer – Sahin, Gündogan – Aubameyang, Reus (72. Kagawa), Kampl (72. Mkhitaryan) – Immobile
FCA (4-2-2-2): Manninger – Verhaegh, Janker, Klavan, Feulner – Hojbjerg, Baier – Bobadilla (83. Djurdjic), Werner (62. Caiuby) – Ji (65. Kohr), Altintop
SR: Fritz (Korb – Assistenten: Kleve, Henschel; 4. Mann: Weiner)
Zuschauer: 80.667 (ausverkauft)
Tore: 0:1 Bobadilla (50., Linksschuss, Vorarbeit Altintop)
Chancen: 4:3
Malte D., 05.02.2015