09 Thesen zum Sieg gegen die Hertha: Rückehrer Dedé, Eckenkönig Miki, Leader Hummels
Der BVB freut sich nicht nur über den Besuch von Dedé, sondern gewinnt auch noch mit 2:0 gegen die alte Dame aus Berlin. Doch welche Schlüsse können Jürgen Klopp, seine Schützlinge und die Fans aus diesem Spiel ziehen? schwatzgelb.de präsentiert die 09 Thesen zum Spiel – inklusive dem Eckenkönig Mkhitaryan und Hummels, dem Leader.
These 01: Europa ist so nah wie nie...
... zumindest in dieser Saison. Durch den Sieg gegen die Hertha hat der BVB Werder Bremen (1:1 gegen Hannover 96) und Hoffenheim (1:3 gegen Eintracht Frankfurt) in der Tabelle überholt und belegt jetzt mit Platz 7 erstmals seit langer Zeit wieder einen Platz, der zur Teilnahme an der Europa League berechtigen würde. Aktuell liegt die Borussia nicht nur zwei Punkte vor Hoffenheim und 17(!) Tore vor Bremen, sondern hat auch noch die Chance, Augsburg und den Reviernachbarn einzukassieren. Das wäre zugegebenermaßen am Ende vielleicht etwas zu viel des Guten und das absolute Optimum, ist aber immer noch im Bereich des Möglichen. Durch das Pokalfinale gegen die Wölfe bietet sich dem BVB bekannterweise noch eine weitere Möglichkeit, das internationale Geschäft klar zu machen. Das hat möglicherweise auch einen psychologischen Vorteil: Da der Druck auf die Borussia in der Liga durch das Pokalfinale nicht zu groß ist, dürfte die Angst vorm Versagen demnach kleiner sein als die Lust aufs Gewinnen, wie Jürgen Klopp es wohl formulieren würde.
These 02: Gündogan weiß jetzt, was er verpasst.
Bereits vor Spielbeginn gab es den ersten Gänsehautmoment im ausverkauften Westfalenstadion: Niemand Geringeres als Leonardo de Deus Santos, kurz Dedé, gab sich die Ehre. Der Linksverteidiger, der sich 13 Jahre lang das schwarzgelbe Trikot mit der Rückennummer 17 übergestreift hatte, wurde nicht nur von zahlreichen ehemaligen Weggefährten wie Michael Zorc, Jürgen Klopp, Sven Bender, Mats Hummels, Roman Weidenfeller oder Neven Subotic herzlich begrüßt, sondern auch von den BVB-Fans frenetisch bejubelt. „Olé Dedé"-Rufe schwappten endlich wieder duch das weite Rund des Westfalenstadions. Angesichts dessen ließ sich der Deutsch-Brasilianer die obligatorische Laola-Welle vor der Südtribüne natürlich nicht nehmen. In unmittelbarer Nähe der Legende wärmte sich übrigens Ilkay Gündogan auf – ob der Mittelfeldstratege wohl kurz darüber nachgedacht hat, was er durch seinen Abgang verpassen wird? Ganz bestimmt. Obendrauf hatte Dedé dann sogar noch eine Überraschung für den Anhang parat: Im Gespräch mit Nobby Dickel und unter dem Jubel der Fans verkündete der ewige Borusse, dass es am 5. September ein Abschiedsspiel in Dortmund mit etwa 60 ehemaligen Kollegen geben wird. Pflicht für jeden Borussen!
These 03: Der BVB hat Probleme mit dem letzten Pass.
Anders als noch in der grausigen Hinrunde und in Teilen der Rückrunde sind die Probleme im Spielaufbau bei Weitem nicht mehr so akut, selbst gegen zunächst mauernde Mannschaften. Auch das Gegenpressing funktioniert wieder deutlich besser: Kampl, Gündogan, Kehl oder Aubameyang zwangen die Herthaner allesamt zu teilweise großen Fehlern im Spielaufbau und Ballverlusten in der eigenen Hälfte. Soweit die guten Nachrichten. Die schlechte hingegen ist, dass der BVB jetzt ein neues, altes Problem hat: die Genauigkeit beim letzten Pass. Wie schon gegen Frankfurt ließ der BVB nach der Führung zahlreiche Chancen oder im Ansatz gefährliche Situationen durch eine umständliche und ungenaue Spielweise ungenutzt. Zum großen Ärger eines an der Seitenlinie wild umherspringenden Jürgen Klopps legten vor allem Kagawa, Aubameyang und Immobile die ein oder andere Slapstick-Einlage ein und sorgten so dafür, dass das Spiel bis zum Ende relativ offen blieb.
These 03+1: Mkhitaryan ist der Eckenkönig!
Warum um Himmels Willen ist Jürgen Klopp erst jetzt auf die Idee gekommen, Henrikh Mkhitaryan alle Ecken schießen zu lassen? Die Bälle des Armeniers gegen die Hertha waren besonders in Hälfte eins derart gut getreten, dass es im Strafraum der alten Dame lichterloh brannte. Sowohl für Hummels als auch für Subotic bot sich auf diese Weise die Chance auf einen Treffer. Subotic bekam noch eine zweite Chance und nickte in der 09. Minute fast unbedrängt zum 1:0 ein. Wer jetzt das Sprichwort mit der Schwalbe und dem Sommer aus der Truhe kramen will, dem sei übrigens Folgendes gesagt: Auch gegen Hoffenheim bereitete Miki den Ausgleich von Hummels mit einer Ecke vor.
These 05: Hummels ist doch ein Leader!
Was war er in der Hinrunde für seine fehlenden Leader-Fähigkeiten nicht kritisiert worden. Im Spiel gegen Hertha zeigte Mats Hummels aber, dass er zumindest als Leitwolf absolut das Zeug zum Kapitän hat. Die augenscheinlichste Szene vollzog sich in der 76. Minute, als der Innenverteidiger auf den am Boden liegenden Mkhitaryan zustürmte, als sei er von der Tarantel gestochen. Der Armenier hatte kurz zuvor in der eigenen Hälfte versucht, lässig zwei Herthaner aussteigen zu lassen – in den Augen des Kapitäns viel zu gefährlich. Dass Hummels im Eifer des Gefechts mit Mkhitaryan ausgerechnet einen der an diesem Tag stärksten Borussen anging, kann vielleicht als unglücklich bezeichnet werden. Dennoch schüttelte der Weltmeister sein Team mit dieser Aktion in der einzigen Phase des Spiels, in der die Berliner ansatzweise so etwas wie Gefahr versprühen konnten, noch einmal wach. „In der Sache", befand Hummels nach dem Spiel in der Mixed Zone, sehe er sich im Recht. „Die Art und Weise kam aber nicht optimal rüber – das war so nicht gewollt", lenkte die Nummer 15 gleichzeitig ein. Denn: Seine Kritik habe Hummels nicht direkt an Mkhitaryan richten wollen, sondern an die gesamte Mannschaft. „Wir hätten uns heute durch eine zu lässige Spielweise nur selbst schlagen können." Gündogan hatte sich von ihm schon vor der Szene mit Mkhitaryan übrigens einen Rüffel abholen müssen. Ein bisschen Feuer schadet nie – allerdings bleibt die Frage, warum der Kapitän nach Spielende sofort in die Kabine stapfte, ohne sich noch einmal mit der gesamten Mannschaft vor der Südtribüne zu zeigen.
These 06: Schiri Stieler hemmt den Spielfluss.
Durch seine kleinliche Art auf beiden Seiten hatte Tobias Stieler einen kleinen Anteil daran, dass das Spiel insbesondere nach etwa 20 Minuten über weite Teile vor sich hinplätscherte. Der Unparteiische bewertete viele Situationen in einem grundsätzlich fairen Spiel sehr streng und unterband damit aussichtsreiche Gegenpressing-Situationen für den BVB. Zur Ehrenrettung Stielers: Die beiden Teams waren ebenfalls alles andere als unschuldig an der Spielentwicklung: Die Hertha präsentierte sich in der gegnerischen Hälfte bis auf wenige Minuten am Ende vollkommen ungefährlich – was aufgrund des Fehlens der schwarzgelben Stürmerlegende Julian Schieber durchaus verständlich war –, während der BVB in der Offensive immer wieder aufgrund der bereits thematisierten Ungenauigkeit beim entscheidenden Pass den Faden verlor. Darüber hinaus muss betont werden, dass Stieler seiner strengen Linie durchgehend treu blieb und sich auf dieser Grundlage keine größeren Fehler leistete.
These 07: Der BVB sollte den Ball fortan immer mit 78 km/h Richtung gegnerischen Kasten feuern...
...denn mit dieser Geschwindigkeit zappelte der Ball gleich bei beiden Treffern im Netz. Möglicherweise hat die Borussia damit das Rezept gegen den Jahre andauernden Chancenwucher gerade noch rechtzeitig vor dem Abgang von Jürgen Klopp gefunden.
These 08: Die Südtribüne beflügelt der Dédé-Besuch.
Entsprechend gut gelaunt und lautstark präsentierte sie sich vor und zu Beginn der Partie. Dieses Niveau wurde an diesem Nachmittag jedoch nicht aufrechterhalten. Klar ist, dass bei einem engeren oder generell unterhaltsameren Spielverlauf eine noch bessere Stimmung möglich gewesen wäre und auch die anderen Tribünen ihre Mannschaft aktiver unterstützt hätten. So aber kam es erst in den Schlussminuten zum ersten Wechselgesang zwischen der Süd und den anderen Tribünen.
Erwähnenswert: Vor Anpfiff hatte die Südtribüne mit zahlreichen Bannern auf sich aufmerksam gemacht – darunter drei in polnischer Sprache, die teilweise schwer zu entziffern waren. Eines von ihnen verkündete – wenn sich der des Polnisch mächtigen Sitznachbar nicht irrt – Folgendes: „Ultras & Hooligans – uns alle tötet ihr nie." Auf einem deutschen Banner prangte passend dazu: „Weder mit Knüppeln noch mit Geschossen kriegt ihr unseren Wille gebrochen" – das klingt nach einer deutlichen Kritik an den Einsätzen der Polizei in der Vergangenheit. Zugleich richtete sich ein anderes Banner der JUBOS recht deutlich an die Nazis: „Verpisst Euch!" Dem ist nichts hinzuzufügen.
These 09: Die Hertha-Fans sind unzufrieden mit ihrer Mannschaft.
Die Anhänger der Berliner, von denen viele aufgrund des Bahnstreiks mit dem Fernbus oder dem Auto angereist waren, präsentierten sich nur kurzzeitig mit aller Wucht. Größtenteils sang ein Kern von wenigen Fans, während der Rest sich mehr als uninspiriert zeigte – das dürfte auch am Spielverlauf gelegen haben. Der in großen roten Lettern auf dem Trikot der Spieler leuchtende Sponsor „Deutsche Bahn", der vielen Herthanern die Anreise indirekt deutlich erschwert hatte, und der nach Spielschluss getätigte Appell an den Kampfgeist der Mannschaft zeigen, wie groß die Differenzen zwischen Mannschaft und Fans aktuell sein müssen. In Kombination mit der schwachen Leistung der Schützlinge von Pál Dárdai sind dies alles andere als vielversprechende Aussichten für die wieder im Abstiegssumpf versunkenen Berliner.
Stimme zum Spiel
Mats Hummels
...zur Szene mit Mkhitaryan: „Ich war nicht auf Miki sauer, sondern auf unsere generelle Spielweise in diesem Moment. Das habe ich ihm in der Kabine auch nochmal gesagt. Wir haben in unnötigen Räumen Risiko gespielt, da waren zwei bis drei gefährliche Situationen dabei. Ich hatte das Gefühl, dass die Hertha nur Torchancen bekommt, wenn wir Fehler machen. In der Sache hat er mir auch Recht gegeben. Die Art und Weise kam aber nicht optimal rüber – das war ein bisschen unnötig.“
...zur Niederlage der Bayern: „Das ist auf jeden Fall ärgerlich für uns, aber wir sind trotzdem richtig auf Kurs. Wir wollen mindestens 7. werden, ich rechne aber auch noch mit dem 5. oder dem 6. Platz, die sind auch noch möglich.“
Statistik auf einen Blick
BVB: Langerak - Durm, Subotic, Hummels, Schmelzer (72. Piszczek) - Gündogan, Kehl - Mkhitaryan, Kagawa (84. Bender), Kampl - Aubameyang (67. Immobile)
Hertha: Kraft - Pekarik, Langkamp, Brooks (55. Heitinga), Plattenhardt - Skjelbred, Lustenberger - Schulz, Stocker, Haraguchi (84. Ronny) - Kalou (46. Wagner)
Tore: 1:0 Subotic (9., Mkhitaryan), 2:0 Durm (47., Mkhitaryan)
Gelbe Karten: Subotic, Kehl - Skjelbred, Lustenberger, Haraguchi
80.667 Zuschauer im Westfalenstadion
Torschüsse: 15:2
Ballbesitz: 47% - 53%
Zweikampfquote: 41% : 59%
Passquote: 79% : 78%
Noten
Langerak: Verlebte bei insgesamt zwei Torschüssen der Hertha, die eigentlich nicht als Torschüsse bezeichnet werden dürfen, einen absout ruhigen Nachmittag. Note 2,5
Durm: Sehr aktiv über seine Seite, zeigte sich auch defensiv durchaus verbessert. Zudem erzielte der Rechtsverteidiger mit links ein durchaus sehenswertes, aber nicht unhaltbares Tor – sein erster Treffer bei den Profis. Note 2
Hummels: Gutes Spiel vom Kapitän. Hinten meist sicher, rückte nur einmal zu voreilig nach vorne, was bei einem besser aufgelegten Gegner gefährlich hätte werden können. Zusätzlich mit ein bis zwei Zuckerpässen in die Spitze. Note 3
Subotic: Ebenso wie Durm Torschütze und dazu resolut und sicher in der Zweikampfführung. Der Serbe ist nach langem Anlauf endlich wieder in Form und hat Sokratis erstmal auf die Bank verdrängt. Hatte aber auch Glück, dass ein Fehler im Spielaufbau in der ersten Hälfte keine schlimmeren Folgen hatte. Note 3
Schmelzer: Vorne wie hinten heute sehr unauffällig. Note 3,5
Kehl: In seinem vorletzten Heimspiel wie man ihn kennt: Präsent, kämpferisch und manchmal mit spielerischen Schwächen. Könnte eigentlich noch ein Jahr weitermachen. Note 3
Gündogan: Wieder eines seiner besseren Spiele. Spielte kluge Bälle in die Spitze und setzte im Gegenpressing häufig gut nach. Ab und an fehlten aber die Klarheit und der Zug zum Tor. Note 3
Kampl: Bleibt ein technisch etwas besserer Kevin Großkreutz. Ungeachtet seiner zu hohen Ablösesumme deutete er gegen die Hertha vor allem im Gegenpressing und bei einigen Ballstaffetten an, dass er ein Gewinn für das BVB-Spiel sein kann. Note 3
Kagawa: Nicht die beste Leistung des kleinen Japaners. Agierte häufig zu verschnörkelt und ungenau. Vertändelte zudem einige Bälle und hätte daher vorher ausgewechselt werden müssen. Note 4
Mkhitaryan: Unterstrich, dass er in Form ist. Bereitete beide Treffer vor, war sehr fleißig und spielfreudig. Agierte zudem deutlich selbstbewusster, spielte aber ab und an ebenfalls zu verschnörkelt, was ihm den Rüffel von Hummels einbrachte. Note 2,5
Aubameyang: Heute nicht so wirklich im Spiel. Ließ viele Möglichkeiten im Ansatz ungenutzt und wirkte ein bisschen überspielt. Note 4
Daniel R., 10.05.2015
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