Hanni und Nanni – Vollmondparty in Lindenhof
Elternsprechtag in Lindenhof. „Herr Breyer, ihr Sohn steht ja ganz gut da in den Hauptfächern. Überall Einsen und Zweien. Naja, in gutem Benehmen eine 4-, aber da hätten wir durchaus mal ein Auge zugedrückt. Aber die 6 in Sport..." Fräulein Theobald seufzte und beugte sich vielsagend und mit einem Zwinkern über den Schreibtisch. „Sind wir doch mal ehrlich. Das wird nix mehr. Ich würde ihnen empfehlen ihren Sohn direkt beim ZDF anzumelden, denen ist das Wurst, wenn ihre Mitarbeiter keine Ahnung haben. Das mit dem schlechten Benehmen kommt da auch gut an. Gehört quasi zum guten Ton." Fräulein Theobald stand auf, schob Vater Breyer samt Sohn aus ihrem Büro um sich dann direkt Hanni und Nanni und ihren Eltern zuzwenden. Klein-Jochen blickte zu Boden. Er hätte doch so gerne etwas anständiges gelernt.
So oder so ähnlich muss sich das vor ein paar Monaten... ehm... Jahren abgespielt haben. Wieso sonst fühlt sich ein erwachsener Mensch – beschäftigt bei einem von unseren GEZ Gebühren gesponserten Fernsehsender – bemüßigt, einem nach einer Niederlage im CL Viertelfinalhinspiel sichtlich enttäuschten Übungsleiter mit süffisantem kumpelhaftem Lächeln zu fragen, ob „die Sache nicht durch ist."
Fast noch schlimmer ist dann anschließend jedoch die Reaktion der Medien, die mittlerweile jedes aufgeblasene laue Lüftchen benutzen, um dem „verhaltensauffälligen" Klopp ans Bein zu pinkeln. Egal ob Boulevard oder Tageszeitung (manchmal beginnt man sich zu Fragen, wo da überhaupt noch die Unterschiede sind), alle hatten heute morgen nichts besseres zu tun, als gestriges ZDF Interview zwischen Jürgen Klopp und Jochen Breyer zum Aufhänger ihrer Berichterstattung zu machen. Interessanterweise gibt es jedoch diesmal von den Lesern auch viele kritische Stimmen, denn sind wir doch mal ehrlich, eigentlich ist nichts passiert. Klopp ist weder ausfallend geworden, noch ist er sonst irgendwie über das Ziel hinausgeschossen. Wer es nicht vertragen kann auf eine absichtlich polemisch gestellte Frage beißenden Sarkasmus á la Klopp zu ernten, der sollte einfach bei Mutti im heimischen Sandkasten bleiben und weiterhin Burgen bauen und Kuchen backen.
Und Absicht muss man Jochen Breyer schon unterstellen, wenn man seine Gestik und Mimik nach dem Kloppschen Abgang aus dem Studio mal genauer beobachtet. Diebisches Grinsen! Genau wissend, ich stehe damit morgen in jeder Zeitung und in jedem Social Media Kanal wird heftig darüber diskutiert. Funktioniert ja, wie man auch an diesem Kommentar hier sieht. Mit Journalismus, Respekt und Eloquenz hat dies freilich nichts zu tun und in dieser Wunde sollte man bohren und nicht unseren Trainer als Sau mit Pöhlerkappe durchs Dorf treiben. Im Übrigen nutzt da auch das von Breyer heute halbherzig hinterher geschobene „Ja, die Frage war dämlich" nichts. Als hätte er das nicht auch schon gestern um 22:45 Uhr gewusst.
Hier soll gar nicht verheimlicht werden, dass Klopp sicherlich in seiner Trainerkarriere am Seitenrand schon mal scheiße gebaut hat. Dafür wurde er schließlich dann auch bestraft. Allerdings sollten die Medien es tunlichst unterlassen ihn absichtlich zu reizen, um ihn hinterher als brodelnden Vulkan darzustellen. Irgendwann hat auch der wortgewandteste Trainer genug und wird inhaltslose Hülsen aus dem Baukasten wiedergeben. Wer Klopp mit Teflonbeschichtung haben möchte, der sollte einfach nur weiterhin innerhalb von zwei Minuten fünzig Mal das Wort Cojones einbauen oder wie Kahn immer wieder mit vertraulich mitleidiger Stimme fragen: „Hasse dir nicht mal überlegt, was gewesen wäre, wenn Lewandowski dabei gewesen wäre?"
Klopp stand dabei gestern noch bemerkenswert ruhig neben Olli Kahn, während er sich gleichzeitig an das Moderationspult klammerte, um vor Schmerzen ob dieser Frage nicht zusammenzubrechen. Der Schreiberin entfuhren vor der heimischen Glotze allerdings nicht zitierfähige unflätige Worte. Sahin war übrigens kurz vorher am Spielfeldrand auch bereits mit der Aussage, das Lewandowski dann diesmal einfach fünf Tore schießen müsse, genervt worden. Was erwarten die Leute eigentlich von Trainern und Spielern? Soll Klopp sich hinstellen und all seinen anderen Spielern das Können absprechen? Gemeinsam verloren, aber gewonnen hat letztes Jahr nur Lewandowski? Von Menschenführung und Respekt haben wohl weder Kahn noch Breyer schon mal was gehört. Sicherlich hätte das Spiel gestern ganz anders ausgesehen, wenn Lewandowski gespielt hätte, weil das System ein anderes gewesen wäre. Dies gilt allerdings dann auch für die Langzeitverletzten Gündogan, Kuba, etc. etc. Und trotzdem kann doch keiner sagen, ob man dann gewonnen oder nicht vielleicht trotzdem verloren hätte. Was nutzen einem Gedankenspiele über Dinge, die man nicht ändern und beeinflussen kann. Und viel Wichtiger, welchen Mehrwert für den Zuschauer haben solche Fragen, die niemanden weiterbringen und nur gestellt werden um das Gegenüber zu kitzeln und auf die Palme zu bringen. Dann doch lieber die Nachberichterstattung streichen und ne Wiederholung vom Traumschiff senden.
Wenn ein Journalist ernsthaft erwartet, dass ein intelligenter und emotionaler Mensch nach einer 3:0 Niederlage in Madrid vor Freude singend mit dem Moderationspaar aus der Twillight Zone eine Polonaise durchs Studio macht, dann braucht er sich auch nicht zu wundern, wenn das Mikrofon mal wenig liebevoll aufs Pult geknallt wird. Mir persönlich wären da auch noch andere Dinge eingefallen, die man mit dem Mikro hätte machen können, aber man soll sich ein paar hübsche Ideen ja auch fürs nächste Mal aufbewahren.
Natürlich ist das Weiterkommen nächsten Dienstag gegen Real Madrid eher theoretischer Natur, aber herje, ich habe diesen Traum wie Klopp sich nach einem 5:1 Sieg (3 mal Großkreutz, 1 mal Mkhitaryan, 2 mal Ronaldo) süffisant grinsend zu Breyer runterbeugt, ihm väterlich die Hand auf die Schulter legt und sagt: „Jochen, mal ehrlich, das mit dir und dem Sportjournalismus, die Sache ist doch durch, oder?"
Schöne Grüße aus Lindenhof!
Steffi, 3.03+1.2014.