Borussia ist uns lieb – und teuer
Alles wird immer teurer? Auf den BVB trifft das leider zu. Wir haben die aktuellen Eintrittskartenpreise von Borussia Dortmund mit denen vor 15 Jahren verglichen und dabei Erstaunliches festgestellt: Vielfach zahlen wir Fans heute das Doppelte, teilweise fast das Dreifache der früheren Eintrittspreise.
Inflationsrate: 28,5 Prozent
Eins vorweg: Ja, natürlich wird alles teurer. Das Phänomen der Inflation ist uns nicht unbekannt. Doch tatsächlich existiert im Westfalenstadion nur ein einziger Block (71 auf der Nordtribüne), in dem die Preise niedriger gestiegen sind als die allgemeine Inflationsrate im selben Zeitraum. In sämtlichen anderen Blöcken, die es 1998 bereits in heutiger Form gegeben hat, übersteigt die Preisentwicklung die der Inflation zum Teil deutlich, wie unser Stadionplan zeigt.
Ergänzend hierzu unsere Preistabelle, die die Entwicklung einiger Kartenkategorien exemplarisch darstellt. Dabei wird deutlich: Der ohnehin schon gravierende Preisanstieg auf nahezu allen Plätzen wird in den Topspielen gegen den FC Bayern und im Derby noch einmal gesteigert. Vor 15 Jahren noch verzichtete der BVB für diese Partien auf eine Anhebung der Preise. Heute katapultiert der erhobene Zuschlag die ohnehin empfindlich gestiegenen Preise in noch höhere Sphären. Das Derby kostet heute in der Regel mindestens das Doppelte, teilweise sogar das Dreifache dessen, was es einst kostete. Eine von Vereinsseite oft beschworene „moderate“ Anpassung sieht anders aus.
Nordtribüne: fast schon paradiesische Zustände
Block 71 ist üblicherweise selten eine Erwähnung wert. Direkt über dem Gästeblock gelegen, gibt es zweifelsohne attraktivere Plätze im Westfalenstadion. Dabei stellt eben dieser Block eine Besonderheit dar. Mit einer Preisentwicklung von lediglich plus 19 Prozent ist Block 71 der einzige, der unterhalb der Inflationsrate liegt. Und weil eben auch das Durchschnittsgehalt stärker gestiegen ist, ist einzig in diesem kleinen Biotop Fußball in Dortmund also tatsächlich real günstiger geworden im Vergleich zu 1998.
Für die übrige Nordtribüne gilt das nur bedingt. Zwar befinden sich hier auch die angrenzenden Blöcke 72, 73, 75 und der Block 78, deren Preis mit Blick auf die deutsche Gehaltsentwicklung relativ moderat geblieben ist und die die Nord zur preisstabilsten Tribüne des Stadion machen. In den übrigen Blöcken jedoch beträgt der Anstieg auch hier zwischen zwei Dritteln und stolzen 100 Prozent.
West- und Osttribüne Oberrang: Der BVB kann auch anders
Freud und Leid liegen bisweilen nah beieinander. Während Dauerkarteninhaber im Unterrang der Seitentribünen äußerst allergisch auf das Wort „Kategorieanpassung“ reagieren dürften, herrscht im Oberrang ungleich mehr Freude. Hier hat der BVB letzte Saison tatsächlich ein „Downgrade“ vorgenommen und einzelne Plätze preistechnisch nach unten korrigiert. So etwas gibt’s auch.
Im Vergleich der Tageskartenpreise über die letzten 15 Jahre zeigt sich dieser Effekt deutlich: Die Preise in den Oberrängen sind hier durch die Bank weniger stark angestiegen als in weiten Teilen des übrigen Stadions. Allerdings lag das Preisniveau hier auch seit Bestehen dieser Tribünenteile schon vergleichsweise hoch. Die teuerste Preiskategorie 15 (Dauerkarte inklusive Champions League: 1.039,50 Euro) ist unter anderem hier beheimatet.
West- und Osttribüne Unterrang
Dasselbe Preisniveau wie im Oberrang, aber von einem anderen Ausgangspunkt aus startend, findet sich auf den Unterrängen von Ost- und Westtribüne. Seit den wiederholten Kategorieanpassungen durch den BVB ist das Fußballgucken hier vor allem eines: teuer.
Praktisch über die gesamte Länge der Tribünen und nur mit Ausnahme der ohnehin schon teuersten Blöcke sind die Preise hier um 100 bis 150 Prozent angehoben worden. Im Derby und gegen die Bayern kratzt der BVB gar an der 200-Prozent-Marke und damit an einer Verdreifachung der Preise. In 15 Jahren wohlgemerkt, was einer Inflationsrate von jährlich beinahe 20 Prozent entspricht.
Betroffen sind hier vor allem Stammkunden, die teilweise seit den 70er und 80er Jahren ihren Platz auf den Tribünen innehaben und denen das Geld nun immer schneller durch die Finger rinnt.
Südtribüne
Die Gelbe Wand ist nicht nur das alte Epizentrum des BVB. Sie liegt auch in Sachen Preisgestaltung ziemlich im Mittelfeld. Rund 90 Prozent beträgt die Preissteigerung bei den dortigen Plätzen, die in den Topspielen auf 128 Prozent gesteigert werden. Zur Erinnerung: Das ist immer noch mehr als das Dreifache der Inflation und mehr als das Doppelte des allgemeinen Gehaltsanstiegs.
Sonderkarten für Jugend und Behinderte
Eigentlich dienen die Karten für Jugendliche und Behinderte ja dem Zweck, finanziell schwächeren beziehungsweise anderweitig stark belasteten Bevölkerungsgruppen einen vergleichsweise günstigen Stadionbesuch zu ermöglichen. Gerade diese Plätze unterliegen aber einer überdurchschnittlich hohen Steigerung der dortigen Preise. So stiegen die Eintrittspreise für Sitzplatzkarten Behinderter um 78 Prozent (im Topspiel +114 Prozent), die für Rollstuhlfahrer um satte 100 (140) Prozent und die Stehplatzpreise für Jugendliche und Behinderte um stolze 108 (149) beziehungsweise 111 (154) Prozent.
Dauerkarten
Unsere Betrachtungen beruhen im Wesentlichen auf einem Vergleich der Tageskartenpreise. Die Entwicklung der Dauerkartenpreise ist jedoch annähernd dieselbe. Was beispielsweise die Südtribüne betrifft, ist der nackte Dauerkartenpreis zwar „nur“ um 72 Prozent gestiegen (im Vergleich zu 90 Prozent bei den Tageskarten), der Kunde erhält hierfür jedoch auch weniger Gegenleistung. Das zur damaligen Zeit im Dauerkartenpreis enthaltene erste internationale Spiel oder Freundschaftsspiel lässt sich der Verein heute bezahlen.
Soziale Auswirkungen: harte Zeiten für Rentner
Wie bereits beschrieben, betrug die Inflationsrate über die vergangenen 15 Jahre ziemlich genau 28,5 Prozent, also grob zwei Prozent jährlich. Dem gegenüber stehen ein Anstieg des Durchschnittsgehalts um 43 Prozent sowie ein äußerst magerer Rentenanstieg von lediglich 16 Prozent. Bis auf wenige Ausnahmen auf der Nordtribüne sind die Eintrittspreise beim BVB für uns Fans also wesentlich stärker angewachsen als der Inhalt unserer Portemonnaies und Bankkonten. Die Preiserhöhungen sind also spürbar.
Besonders dramatisch ist dies auf den Unterrängen von Ost- und Westtribüne, wo die Preiskategorien zweimal angehoben wurden und wo bis dato vor allem langjährige und ältere Stammkunden ihre Plätze einnahmen. Doch dies hat sich gewandelt: Dauerkarteninhaber in den Bereichen wissen zu berichten, dass viele gewohnte Gesichter ganz oder teilweise fernbleiben. Sie können sich den BVB schlichtweg nicht mehr leisten. Wie auch, bei Preissteigerungen von bis zu 150 Prozent und gleichzeitigen Rentenerhöhungen unterhalb der Inflationsrate?
Preissteigerungen im Vergleich: stärker als Strom und Benzin und ein VW Golf für 38.000 Euro
Energiepreise sind in Deutschland besonders sensibel – und leider auch inzwischen besonders hoch. Der Spritpreis gilt ebenso wie der Strompreis als Politikum und so wollen wir uns doch mal ansehen, wie die Eintrittspreise des BVB in Relation hierzu aussehen. Tatsächlich sind – mit einigen wenigen rühmlichen Ausnahmen – praktisch alle Plätze im Stadion mindestens so stark teurer geworden wie die Kilowattstunde Strom (+ 68 Prozent), auf den meisten Plätzen schlägt der Eintritts- den Strompreis sogar um Längen. Selbst der Preissprung beim Liter Superbenzin (+97%) nimmt sich zahm aus im Vergleich zu den Steigerungen auf der West- und Osttribüne. Leider gilt beim BVB wie auch bei den Energiepreisen: Es wird zukünftig wohl noch teurer werden.
Besonders krass wird der Vergleich, wenn man den Spieß einmal umdreht. Würden alle Preise so stark angehoben wie die der Sitzplatzpreise im Topspiel, so würde beispielsweise eine Kilowattstunde Strom heute 49 Cent kosten, ein halbes Pfund Butter knapp vier Euro, ein Brot nahezu sechs Euro, das Pfund Kaffee 14,67 Euro und ein VW Golf knapp 38.000 Euro. Die gute Nachricht: Dieselbe Steigerung vorausgesetzt, läge das westdeutsche Durchschnittseinkommen im Gegenzug bei fast 78.000 Euro.
Zusammenfassung: Der BVB muss sich entscheiden
Der BVB ist teuer. Geworden. In den vergangenen 15 Jahren haben die Preise im Westfalenstadion eine wahrlich bemerkenswerte Entwicklung vollzogen, die völlig entkoppelt ist von allen übrigen Lebensbereichen, der eigentlichen Preissteigerung wie auch der Entwicklungen von Löhnen, Gehältern und Renten.
Die Vergleiche zeigen: Die fortwährenden Preiserhöhungen des BVB schmerzen den Fan und Kunden ganz unzweifelhaft und deutlich. Sie sind spürbar – und für manche sind sie schon längst derart hoch, dass sie sich „ihre Borussia“ schlichtweg nicht mehr leisten können.
Auch und gerade im Hinblick auf die Preisgestaltung zur kommenden Saison wird sich der BVB entscheiden müssen, ob er die Preisschraube noch weiter, noch schmerzhafter anziehen will – auch auf die Gefahr hin, dass langjährige Fans die Segel streichen müssen. Oder ob er nach der Dividendenausschüttung an die Anteilseigner, den Prämien der Spieler und den Gratifikationen der Geschäftsführung vielleicht auch seinen Kunden im Hinblick auf deren Treue in schweren Zeiten ein kleines Zeichen der Dankbarkeit zukommen lässt.
Arne, 10.04.2014