Spielbericht Profis

Topspiel gegen Bayer: Siegesserie beendet – der BVB macht trotzdem Spaß

27.04.2014, 07:09 Uhr von:  Redaktion

Es gab schon mal bessere Auftritte in LeverkusenDortmund liefert sich in Halbzeit eins einen offenen Schlagabtausch mit den Pillendrehern, in den zweiten 45 Minuten sinkt das Niveau rapide. Der BVB siegt zwar nicht, ist aber dennoch zufrieden. Auf den Rängen singen sich die mitgereisten Fans schon einmal für das Pokalfinale ein – und die Leverkusener mal wieder an die Wand, was auch Jürgen Klopp mehr als zu schätzen weiß. Das Fazit: Man muss nicht immer gewinnen, um einen Fußballtag als gelungen bezeichnen zu können. Das Spiel in der Rückblende.

Personal: Alles wie erwartet

Beide Teams begannen personell und taktisch wie erwartet. Sascha Lewandowski schickte seine Mannschaft in einem 4-3-3 aufs Feld, mit Ausnahme von Donati (Gelbsperre) lief die aktuell stärkste Elf für den Werksklub auf. In der Innenverteidigung stand neben Ömer Toprak wieder der Doppeltorschütze vom vergangenen Wochenende, Emir Spahic. Komplettiert wurde die Abwehrkette vor Keeper Leno von den mittelmäßigen Außenverteidigern Roberto Hilbert und Sebastian Boenisch. Bender, Can und Castro verbanden die Defensive mit den Offensivspezialisten Song, Kießling und dem 17 Jahre alten Ausnahmetalent Julian Brandt.

Stets bemüht war die Leverkusener NordkurveJürgen Klopp wiederum hätte gerne wieder auf dieselbe Elf gesetzt, die am letzten Wochenende Mainz phasenweise schwindelig gespielt hatte, musste aber auf Erik Durm verzichten. Dafür rückte – wie es nicht anders zu erwarten war – Allrounder Großkreutz ins Team.

Bayer kontert, der BVB schlägt mit Standards zurück

Schon nach wenigen Minuten wurde klar, wie die erste Halbzeit ablaufen würde. Die Pillendreher bedienten sich zwar einer offensiveren Taktik als im Hinspiel, waren damit aber zunächst ähnlich erfolgreich. Die Offensivreihe rückte weit auf, störte den BVB schon früh in der eigenen Hälfte und lauerte darauf, die pfeilschnellen Brandt und Son in die Tiefe zu schicken. Die Werkself überließ dem BVB den Spielaufbau und zwang die Mannen von Jürgen Klopp – die offensiv ständig zwischen 4-2-3-1, 4-3-3 und 4-1-4-1 rochierten – immer wieder zu Ballverlusten. Weder Sahin noch Kirch oder der so gut aufgelegte Reus, der wieder zentral begann, konnten dem Spiel anfänglich Struktur verleihen.

Die Lewandowski-Taktik fruchtete schnell: Der ständig lamentierende Phantomstürmer Kießling köpfte einen Eckball an die Latte, Weidenfeller zeigte sich desorientiert, der hellwache Lars Bender staubte ab. Leverkusen führte nach gerade einmal sieben Minuten – der ehemalige 60er, für Klopp „der andere Manni“, beschenkte sich damit einen Tag vor seinem Geburtstag selbst.

Lewandowski gegen BoenischErst jetzt wachten auch die Aspirin-Fans ein bisschen auf und bejubelten die Führung, ohne dass aber in auch nur in einem Moment in der ersten Hälfte der Verdacht aufkam, Leverkusen hätte ein Heimspiel. Dafür waren die 7.000 mitgereisten BVB-Anhänger einfach zu lautstark, stimmten immer wieder „Borussia, Borussia“ an oder kündigten an, dem Verein bis ans Schwarze Meer zu folgen. Und selbst wenn die schwarz-gelben Stimmungsmacher nur einen guten und keinen Sahnetag hatten: Die sporadischen, von erfolgreichen Aktionen abhängigen Anfeuerungsrufe der Bayer-Angestellten stanken dagegen gewaltig ab.

Zurück auf den Platz: Gerade, als sich ein Spiel mit wenigen Möglichkeiten für den BVB abzeichnen sollte, weil sich die zweikampfstarken Leverkusener erfolgreich in fast jeden Ball warfen (sinnbildlich steht dafür Can in der 19. Minute), zappelte der Ball plötzlich im Netz von Leno. Was war passiert? Oliver Kirch hatte einen Freistoß von Reus mit dem Kopf ins Netz verlängert und damit ein Tor erzielt, das stark an das von Piszczek gegen Mainz erinnerte – und zu einem Spielstand führte, der durchaus als glücklich zu bezeichnen war. Klopp, der am Seitenrand im Minutentakt aufmunternd in die Hände klatschte oder seinen Daumen in die Luft streckte, musste weiter etliche Fehlpässe und Ballverluste im Aufbauspiel mit ansehen.

Marco Reus feiert leise seinen 16. TrefferFür Leverkusen eröffneten sich so immer wieder vielversprechende Kontersituationen. Die Konsequenz: In Minute 35 klingelte es erneut im Kasten von Weidenfeller. Piszczek war dem wieselflinken Son über den halben Platz gefolgt, so dass Castro im Strafraum plötzlich total blank vor Weidenfeller auftauchte – der von Son angespielte Brandt sah das und bediente den ehemaligen Nationalspieler mit einem Zuckerpass.

Der langsam unruhig werdende Klopp musste allerdings nicht lange warten, ehe der BVB wieder ausglich: Weil Hilbert sich in der Sportart vertat und den Ball in Volleyballmanier aus dem Strafraum baggerte, blieb Schiedsrichter Perl nur drei Minuten nach dem erneuten Rückstand für den BVB nichts anderes übrig, als auf den Punkt zu zeigen. Na klar: Reus ließ sich nicht zweimal bitten und verwandelte mit seinem 16. Saisontor zum Ausgleich. Übrigens: Hilbert verursachte damit sage und schreibe schon zum sechsten (!) Mal in dieser Saison einen Strafstoß. Dass der BVB vor der Pause nicht sogar noch in Führung ging, hatten die Leverkusener schließlich ganz alleine Leno zu verdanken, der abermals glänzend gegen den mutterseelenalleinen Reus parierte.

Das Spiel flacht ab, die BVB-Fans feiern trotzdem

Robert Lewandowski traf dagegen nichtSo unterhaltsam die erste Hälfte geendet hatte, umso durchwachsener wurde das Spiel nach der Pause. Beide Teams verloren sich in kleine Scharmützel, spielten etliche Fehlpässe und wurden immer wieder von Verletzungsunterbrechungen und später auch von Wechseln aus dem Rhythmus gebracht. Die Folge: Eine unansehnliche, taktisch schwer zu bewertende zweite Hälfte, die relativ schnell zusammengefasst ist.

Lewandowski konzentrierte sich fortan auf das Privatduell mit dem linken Spahic, während Kirch – der sich jetzt häufiger zurückfallen ließ und als abkippender Sechser die Bälle verteilte – und Weidenfeller mit Fehlpässen und Querschlägen die ein oder andere Slapstick-Einlage einstreuten. Schüsse von Mkhitaryan (64.), Aubameyang (74.) und Son (69.) blieben drei von nur wenigen erwähnenswerten Aktionen auf beiden Seiten. Einen Aufreger hatte die Partie dann aber doch noch zu bieten: Brandt, der immer wieder seine Klasse aufblitzen ließ, tauchte alleine vor dem Kasten von Weidenfeller auf. Der Nationaltorhüter aber reagierte blitzsauber, kratzte den Lupfer des Youngsters von der Linie und hielt den Punkt für den BVB so letzten Endes fest.

Die BVB-Fans störte das durchwachsene Spiel nicht: Sie blieben durchgehend gut aufgelegt und boten eine ähnlich gute Leistung wie in Halbzeit eins. Ganz Das Team bedankt sich beim Gästeblock für die Unterstützunganders als die Leverkusener Fans, die es sogar schafften, ihr Team noch leiser und zurückhaltender anzufeuern als in den ersten 45 Minuten – und das, obwohl es für das eigene Team in der Liga noch um richtig viel geht. Spätestens als sie „Cologne, Cologne, die Scheiße von Dom“ anstimmten, disqualifizierten sich die Dorf-Rheinländer selbst. Nach Spielende stellte die Gästekurve die Dinge gerne klar und huldigte lautstark dem „Ersten Fußballclub Köln“, der den BVB im nächsten Jahr gerne wieder zum Meister machen darf. Nicht das einzige Highlight nach Schlusspfiff: Als Jürgen Klopp sich bei den mitgereisten Fans bedankte und seine Mütze abnahm, um sich damit vor der Kurve zu verneigen, brandete lautstarker Jubel auf – damit endete ein unterhaltsamer Fußballtag, den man als Borusse auch ohne Sieg als durchaus gelungen bezeichnen kann. Und der klar gemacht hat: Die Vorfreude auf Berlin wächst!

Statistik

Bayer 04: Leno – Hilbert, Toprak, Spahic, Boenisch – L. Bender, Can – Brandt (81. Öztunali), Castro (81. Rolfes), Son – Kießling (84. Derdiyok)

BVB: Weidenfeller - Piszczek, Hummels, Sokratis, Großkreutz – Kirch, Sahin – Jojic (82. Hofmann), Reus, Mkhitaryan (75. Aubameyang) – Lewandowski (90. Schieber)

Tore: 0:1 Lars Bender (7.), 1:1 Kirch (29.), 1:2 Castro (35.), 2:2 Reus (39.)

Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach)

Gelbe Karten: Lewandowski, Spahic

Zuschauer: 30.210

Noten

Kevin Großkreutz wechselte auf die linke SeiteRoman Weidenfeller: Ganz starke Paraden gegen Kießling und Brandt, bei den Gegentoren machtlos. Note 2

Kevin Großkreutz: Gewöhnte sich wie gewohnt schnell an seine Rolle als Linksverteidiger und brachte einige vielversprechende Flanken in den Strafraum, die seine Kollegen allerdings nicht verwerten konnten. Gegen Brandt jedoch arg gefordert und nicht immer erster Sieger. Note 3

Mats Hummels: Hatte viel zu tun gegen Kießling und Son, machte insgesamt einen guten Job, ohne zu glänzen. Verlor allerdings das Kopfballduell gegen Kießling vor dem 1:0. Note 3,5.

Sokratis: Einige starke Tacklings, wieder einmal der Fels in der Brandung. Note 2,5

Lukasz Piszczek: Wirkte wieder etwas frischer als in den letzten Wochen und zeigte einige gute Szenen. Sorgte für eine für BVB-Verhältnisse eher unauffällige Leistung von Son, mit dem er ab und an aber dann doch Mühe hatte. Aber immerhin: Der Südkoreaner, der zuvor fünfmal in den letzten drei Partien gegen den BVB getroffen hatte, blieb diesmal torlos. Note 3

Nuri Sahin: Leistete sich einige Unkonzentriertheiten und gefährliche Ballverluste. Ansonsten auch im Spielaufbau eher unauffällig. Note 4

Trotz guter Szenen blieb der Armenier heute eher unauffällig und musste in der zweiten Halbzeit Platz für Aubameyang machen. Note 3,5Oliver Kirch: Bei ihm wechselten sich Licht und Schatten ab. Hier das Tor und einige Traumpässe, dort einige unnötige Fehlpässe. Brachte Sokratis einmal in arge Bedrängnis, dennoch eine ordentliche Leistung. Note 3.

Henrikh Mkhitaryan: Trotz guter Szenen blieb der Armenier heute eher unauffällig und musste in der zweiten Halbzeit Platz für Aubameyang machen. Note 3,5

Marco Reus: Nicht ganz so stark wie in den letzten Wochen, aber dennoch bester Mann in der offensiven Reihe. Note 2,5

Milos Jojic: Mit einigen guten Ideen und Zweikämpfen, ein bisschen fehlte aber das Quäntchen Glück. Note 3

Robert Lewandowski: War fast mehr damit beschäftigt, Spahic die Meinung zu geigen, als wirkliche Gefahr vor dem Tor heraufzubeschwören. Für seine Verhältnisse eine höchstens mittelmäßige Leistung. Note 4

Stimmen zum Spiel

Jürgen Klopp im PressegesprächJürgen Klopp: „Ein Punkt in Leverkusen ist für Borussia Dortmund ein Erfolg. Wir haben in der ersten Halbzeit Bock gehabt auf Fußball und den Ball laufen lassen. Leider haben wir damit dem Gegner auch in die Karten gespielt, weil wir lange Wege zurück in die Defensive hatten – das tut dann ein bisschen weh. Die Tore waren gut gemacht, aber unnötig. Wir haben gut reagiert, weiter Fußball gespielt und ein tolles Standardtor gemacht. Vor dem 2:1 können wir den langen Ball von Spahic erschweren und hatten noch ein bisschen Pech. Aber wir haben dann wieder gut reagiert. In der zweiten Halbzeit war es dann ein bisschen offener, das Spiel war unruhiger. Hätten wir so weiter gespielt wie in der ersten Hälfte, dann hätten wir heute wohl gewonnen.“

…zu Reus‘ Leistung und Wert für die Mannschaft: „Er war sehr gut und sehr wertvoll. Seine gute Verfassung hilft uns dabei, Spiele zu gewinnen. Viel wichtiger als das große Talent von Marco ist aber seine Bereitschaft zu arbeiten. Da war selbst Spahic in der ersten Hälfte überrascht. Er hat unsere Spielweise maximal verinnerlicht. Es macht ihm Spaß, gegen die Kugel zu arbeiten und das macht es ihm auch leichter.“

…zur Bundesliga als Vorbereitung aufs Pokalfinale: „Platz zwei ist schon die ganze Zeit unser Ziel. Wenn man sich jetzt noch einspielen muss, hat man glaube ich etwas falsch gemacht. Wir haben aber jetzt normale Trainingswochen, das tut richtig gut. Da kann man an kleinen taktischen Dingen und Ähnlichem arbeiten. Wir müssen die Bundesliga höchst professionell angehen, um dann mit breiter Brust ins Pokalfinale zu gehen.“

…ob seine Mannschaft nach der CL-Qualifikation zu entspannt ist: „Wir sind nicht druckfrei, aber ich würde es auch als doof ansehen, jetzt den maximalen Druck zu konstruieren. Ich kann nicht so tun, als wäre für uns der zweite Platz wichtiger als für Bayer die Qualifikation für die Königsklasse.“

Sascha Lewandowski im PressegesprächSascha Lewandowski: „Wir wollten in der Anfangsphase früh drauf gehen gegen den BVB. Wir wussten, dass das eine mutige Entscheidung war, aber das war so gewünscht. Das hat die Mannschaft gut gemacht. Wir kamen zwar immer wieder auch in eine tiefere Position, aber haben nicht nur reagiert und das war wichtig. Das hat die Truppe gut umgesetzt. Das ist ein richtig verdientes Unentschieden, Kompliment. Allerdings hilft uns der Punkt nicht entscheidend weiter. Kießling hat wahrscheinlich einen Muskelfaserriss, das macht den Kreis der Spieler noch einmal kleiner. In den nächsten beiden Spielen müssen wir deswegen eng zusammenrücken, um das große Ziel zu erreichen.“

…zur Fehde mit Klopp während der ersten Hälfte: „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern und weiß nicht mal mehr, wann das war. Da ist nichts hängen geblieben. Wir wollen beide für unseren Verein das Maximale erreichen.“

Daniel R., 27.03+1.2014

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