Weihnachten auf dem absteigenden Ast
Und wenn … (hier beliebigen formschwachen Bundesligisten einsetzen) denkt es geht nicht mehr, kommt von irgendwo Borussia her.
Da hatte unser Ballspielverein einen Tag nach seinem 105. Geburtstag die Möglichkeit, sich selbst zu beschenken und seine so geplagten Anhänger einigermaßen versöhnlich in die Weihnachtszeit zu verabschieden.
Aber nein. Danke. Bitte. Borussia. In der Abstiegszone zum Jahresabschluss. Und wenn dann heute Freiburg auch noch gewinnt… Ist dann ja aber auch egal. Spielt so oder so keine Rolle, denn jetzt ist erst mal Ruhe für einige Wochen. Die fußballfreie Zeit war uns selten so willkommen wie in dieser Spielzeit. Weihnachten, kein Fußball. Das tut uns allen gut. Dann können wir diesen Schrecken der Hinrunde vergessen und Kraft tanken für eine sicherlich nervenaufreibende Rückrunde im neuen Jahr.
Acht Niederlagen in 68 Spielen zwischen 2010 und 2012, zehn Niederlagen zwischen August und Dezember 2014. Solche Vergleiche hinken ja oftmals, aber legt man zugrunde, dass die Spielerbasis größtenteils noch vorhanden ist, dann ist das durchaus legitim.
In meinen Worten spiegelt sich natürlich auch ein gewisser Grad an Verärgerung und Verzweiflung über die Leistungen unserer Jungs in den vergangenen Monaten wider. Wir alle sind diesen steinigen Weg gegangen und werden ihn selbstredend auch weiterhin gehen, notfalls bis zum bitteren Ende und darüber hinaus. Trotzdem können wir uns nicht mal ansatzweise erklären, wie es sein kann, dass eine solche Mannschaft verlernt hat, erfolgreichen Fußball zu spielen und sich in engagiert geführten Partien selbst zu belohnen.
Am Auftritt in Bremen war nichts engagiert. Die bisher fußballerisch so arg limitierten Kicker von der Weser haben hochverdient gewonnen und dabei noch nicht einmal ihre beste Leistung abrufen müssen. Das macht mich wütend und auch traurig.
Dazu noch die wie immer mehr als bescheidenen Rahmenbedingungen am und im Weserstadion:
Stundenlanges über die Straßen schleichen für einen Parkplatz, überfüllte Shuttlebusse, übertrieben viel Polizei mit unnötigen Kontrollen (schon am Hauptbahnhof), heillos überforderte Ordner an den Eingangsbereichen, chaotische Abreise-Bedingungen, völlig überteuertes Bier, eine komische Becherreglung (Becher ja, Inhalt nein), ein furchtbarer mit Sichtbehinderungen gepflasterter Gästeblock samt sperrigem Ausgang und ein Bremer Publikum, das trotz Führung und nachvollziehbarer Schiri-Entscheidungen dank Anti-Ahnung stets was zu meckern hat. Dieses Auswärtsspiel muss man nicht jedes Jahr haben.
Jetzt aber kurz rein ins trostlose letzte Spiel der Schock-Hinrunde
Eine gelungene Auswärts-Choreo zum Geburtstag unseres Ballspielvereins begleitete die Mannschaften beim Einlaufen. Zweckoptimismus und ganz viel Leidenschaft war nach wie vor in Hülle und Fülle vorhanden. Scheinbar aber nur bei den Fans.
Von der ersten Minute an konnte man spüren, wer geiler auf den Sieg war. Werder Bremen. Aber war das nicht eigentlich mal das Markenzeichen unserer Borussia? Wo ist er hin, dieser unbändige Wille zum Sieg, diese Geilheit, Tore im Notfall auch erzwingen zu wollen? Alles weg, alles verloren gegangen. Irgendwo in Rio, irgendwo in Wembley, irgendwo in Berlin, irgendwo auf den OP-Tischen deutscher Krankenhäuser, irgendwo auf den Massagebänken der Physiotherapeuten.
Dabei war die Hoffnung nach dem Heimspiel gegen Wolfsburg groß. Der Einsatz stimmte, der im Abstiegskampf unabdingbare Kampf war da. Endlich sollte auch auswärts mal wieder dreifach gepunktet werden. Wenn dann aber nach knapp zwei Minuten das erste Gegentor zu verzeichnen ist, weil die Viererkette mal wieder mit den Gedanken ganz woanders ist, dann kann man dieses Unterfangen als gescheitert ansehen. Einer der Jüngsten im Bremer Aufgebot erkannte die Lücke zwischen unseren Verteidigern, Ginter verschlief zum wiederholten Male das Abseitsstellen seines Kollegen Hummels. So lief Selke allein auf Langerak zu und blieb cool. 1:0. Wie schon zuvor in Frankfurt und Berlin kam in der Folgezeit nicht wirklich das Gefühl auf, noch etwas Zählbares mitnehmen zu können. Auswärts passt irgendwie nichts und teilweise noch viel weniger zusammen. Echte Torchancen im ersten Durchgang: Fehlanzeige.
Die Außen hingen weitestgehend in der Luft oder zogen wie Aubameyang zu oft nach innen, sodass die Passwege schnell zugestellt wurden. Ballbesitz ja, zielführende Ideen im Spielaufbau nein. Hinzu kam eine Vielzahl von Fehlpässen der eigentlich so erfahrenen Spieler wie Piszczek und Kehl. Individuelle Fehler durften da natürlich auch nicht fehlen, so wie beim Hummels-Kopfball, der Lorenzen einlud, aus einer guten Position zum 2:0 einzuschieben. Zum Glück blieb es beim Versuch und die Borussia konnte mit einem eher glücklichen 1:0 in die Kabine.
Wer gehofft hatte, in der zweiten Halbzeit eine veränderte Borussia zu sehen, die die Nervosität in Folge des frühen Gegentreffers abschütteln würde, sah sich schnell getäuscht. Unverändertes Bild, auch wenn der für Kehl eingewechselte Kagawa versuchte, frische Ideen ins Offensiv-Spiel zu integrieren. Er blieb glücklos, so wie seine Kollegen auch. Vorm Strafraum schoben sie sich die Bälle hin und her und schafften es nicht, gefährliche Situationen zu kreieren. Der Rückpass war allzu oft die Lösung, weil Werder zwei dicht gestaffelte Reihen in der eigenen Hälfte aufgebaut hatte. Trotzdem blieben die Grün-Weißen stets durch Konter gefährlich. Einer dieser Gegenstöße sorgte dann in der 62. Minute sozusagen für die Entscheidung. Abermals der junge Selke düpierte Weltmeister Hummels mit einem einfachen Antritt und legte mustergültig in die Mitte zu Bartels, der aus zehn Metern nur noch einschieben musste. Da kannst du echt die Schablone drauflegen, bei solchen Gegentoren.
Der Gästeblock versuchte weiter, die Borussen noch einmal aufzuwecken. Mit kurzzeitigem Erfolg sogar. Nach einer Gündogan-Ecke war es Hummels, der zumindest in der Offensive eine gute Aktion zu vermelden hatte und per Kopfball den Anschluss herstellte. Eine, vielleicht zwei Minuten glaubte ich an die Wende.
Bremen wirkte jetzt angeschlagen und gab leichte Bälle her. Aber der Effekt verpuffte, als Werder merkte, dass der Gegner mit diesem Vorteil nichts anzufangen wusste. Halbchancen durch Kagawa, Ginter und Gündogan waren noch das Beste, das dabei heraussprang. Vor allem die Tormöglichkeiten des nicht mehr ganz so quirligen Japaners wirkten bezeichnend. Erst köpfte er einen Ball, den er vor drei Jahren sicherlich angenommen und lässig eingeschoben hätte, ins Nirwana. Dann schloss er aus der Drehung überhastet ab, obwohl das Tor frei vor ihm stand. So holst du auch in Bremen nichts.
In der Schlussphase lag es dann an der Bremer Abschlussschwäche, dass es nur beim 1:2 blieb. Der Pfosten und die Unfähigkeit, aus Überzahlkontern Profit zu schlagen, verhinderten eine höhere Niederlage.
Dann der Schlusspfiff und die Erkenntnis, soeben die schlechteste Hinrunde der Vereinsgeschichte abgeschlossen zu haben. Hummels zog sich das Trikot übers Gesicht – die Dunkelheit im Abstiegskampf kann schon bedrückend sein. Leider fast schon obligatorische Gästeblock-Pfiffe gegen die eigene Mannschaft. Großkreutz kauerte wie ein Häuflein Elend minutenlang vor dem Gästeblock und die Anhänger verharrten in ihrer Ratlosigkeit.
Es hilft ja aber alles nichts. Jetzt ist Weihnachten, auch wenn in diesem Jahr die Besinnlichkeit ob der prekären Situation so ein bisschen abhanden kommt. Ich für meinen Teil werde versuchen, die letzten Monate so gut es geht abzuhaken und alle Kräfte für die kommenden Monate zu bündeln. Wir können es nur gemeinsam schaffen, auch wenn es schwer werden wird. Auf alle Fälle dürfen wir (also wir und die Mannschaft) nicht den Fehler begehen und weiterhin diese „aber die Qualität des Kaders“-Mentalität an den Tag legen. Das juckt im Existenzkampf keinen Gegner und macht uns nur verwundbarer. Mund abwischen, Spiele gewinnen. Dann kommen wir da auch wieder raus – tiefer kann es zum Glück ja nicht mehr gehen.
Frohe Weihnachten an alle Borussen und auf ein erfolgreicheres Jahr 2015!
Aber eins, aber eins…
Noten
Spare ich mir heute einfach mal, denn wer eh schon versetzungsgefährdet ist, dem hilft auch ein weiteres "ungenügend" oder "mangelhaft" nicht weiter.
Statistik
1:0 Selke (3.)
2:0 Bartels (62)
2:1 Hummels (69.)
Bremen: Wolf - Gebre Selassie, Glavez, Lukymia, Garcia - Bargfrede - Fritz, Junuzovic (90. Makiadi) - Bartels (89. Hüsing) - Selke, Lorenzen (59. Kroos)
Dortmund: Langerak - Piszczek (76. Blaszczykowski), Ginter, Hummels, Schmelzer - Kehl (46. Kagawa), Kirch - Großkreutz, Gündogan, Aubameyang - Immobile
Torschüsse: 12:14
Ballbesitz: 32 % : 68 %
Stimmen
Jürgen Klopp: "Diese Partie kann man getrost als Spiegelbild unserer Vorrunde bezeichnen. Nach dem frühen 0:1 haben wir Hektik in unser Spiel bekommen. Es ging für beide Mannschaften um sehr viel und es war klar, dass es irgendwann auch hektisch werden würde. Aber nicht so früh. Wir haben es in der ersten Halbzeit gar nicht gut gemacht. Zur zweiten Halbzeit haben wir deshalb umgestellt und es ein wenig besser gemacht und hatten auch ein paar Torchancen. Gereicht hat es trotzdem zu nichts."
Tim, 21.12.2014