Spielbericht Profis

Stark angefangen – stark nachgelassen – Stark verpfiffen

23.11.2014, 16:54 Uhr von:  Redaktion

Fahnenintro im GästeblockDer Weg nach Paderborn war neu für die meisten BVB-Fans. Ein neues Stadion, ein neuer Gegner, eine neue Erfahrung. Auffällig war zuerst mal, dass so ein 15.000-Zuschauer-Stadion durchaus seine Vorteile hat. Zum Beispiel, dass während der gesamten Zeit das mobile Internet verfügbar ist (darüber inwiefern dies ein Vorteil ist, kann man natürlich streiten). Oder dass es weder auf der Autobahn, noch vor dem Klo im Gästeblock, noch sonst irgendwo zu irgendwelchen Stauerscheinungen kommt. Dass ging sogar soweit, dass ich auf der Autobahn ein paar Kilometer vor dem Ziel verängstigt auf meine Uhr und die Datumsanzeige schaute, weil ich auf dem ganzen Weg kein Zeichen erkennen konnte, dass in nur 10 km Entfernung und zwei Stunden später ein Fußballspiel stattfinden sollte. Doch als ich zum Stadion kam, stellte ich beruhigt fest, dass es beleuchtet war und sich auch schon einige Leute eingefunden hatten. Vor dem Gästeeingang das fast schon gewohnte Bild: keiner da, einfach mal staufrei durchgehen. Der einzige Ort, der tatsächlich sowas wie Menschenmassen erahnen ließ, war der Gästeblock. Das hatte aber wohl weniger damit zu tun, dass so viele Leute da waren, als mit der Tatsache, dass man aufgrund der sehr flach gebauten Stufen einfach keine gute Sicht auf das Feld hatte. So gingen die meisten Gespräche dann auch in die Richtung von „kein Problem, Weidenfeller ist ja auch noch da – glaub ich jedenfalls“ und „War das ein Abseitstor?“ – „Was? Es gab ein Tor?“. Ansonsten hatte das Stadion eher den Charme einer Metallkiste und man konnte sich ungefähr vorstellen, wie sich ein Hamster auf dem Weg von der Tierhandlung nachhause fühlen muss.

Auch in Paderborn gibt es mittlerweile einen kleinen FanblockDer Paderborner Stadionsprecher gab derweil eine Mischung aus Mainz und Bochum zum Besten. Irgendwo zwischen „Lieber kleiner Bruder“ und „schlimmer Nachbarschaftsstreit“. Einerseits versuchte er krampfhaft, Paderborn nicht klein zu reden, setzte dann aber doch in fast jeden Satz ein (verstecktes) Kompliment an den BVB, das er selbst mit einem Nebensatz wieder versuchte abzuschwächen. So war die Zeit bis zum Anpfiff durchaus unterhaltsam.
Kommen wir aber zu den wesentlichen Dingen. Die Elf, die der BVB in der ersten Bundesliga-Partie bei Paderborn aufs Feld schickte, war auf einigen Positionen verändert im Vergleich zum Heimspiel gegen Gladbach. Ginter war nach langer Zeit mal wieder in der Startelf und auch Gündogan durfte von Beginn ran.

Stark angefangen

Die ersten Minuten des Spiels waren genau das, was man sich beim BVB und im Gästeblock vorstellt: frühes Pressing, 100%iger Einsatz und ein wunderschön herausgespieltes frühes Tor. Nach einigen vergebenen Chancen in den Anfangsminuten war es nämlich Aubameyang in der 12. Minute nach einer super Hereingabe von Durm, der den Ball im leeren Gehäuse unterbrachte. Der wunderbare öffnende Pass auf Durm war von Sebastian Kehl gekommen.
Lukas Kruse war beim 1-0 chancenlosNach dem Tor nahmen die Borussen etwas den Fuß vom Gas, bestimmten das Geschehen aber weiterhin ohne größere Probleme.
Im Gästeblock war die Stimmung gut, wenn auch nicht ausgelassen. Insgesamt war es ein durchschnittlicher Auftritt und es überraschte etwas, dass bei dieser kleinen Menge an Leuten die Mitmachquote nicht höher war. Es schien fast, als hätten doch einige mehr als vermutet ihre Tickets in der Lotte… äh… Tickethotline „gewonnen“.
In der 35. Minute musste Ex-Borusse Hünemeier auf Anweisung des Schiedsrichters den Platz verlassen, nachdem er scheinbar einige Orientierungsschwierigkeiten hatte. Nicht überliefert ist, ob er gefragt hat ob dies das WM-Finale sei. Dokumentiert ist hingegen die Diagnose: eine leichte Gehirnerschütterung.
Gegen Ende der ersten Halbzeit konnte sich Paderborn etwas mehr aus dem Griff befreien und ab und an selbst Angriffe starten, die jedoch selten gefährlich wurden. Und gerade in diese Phase hinein versetzte Reus dem Gastgeber den vermeintlichen Todesstoß. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verwandelte er einen Pass von Aubameyang zur beruhigenden 2:0-Führung. Und zur Unterhaltung in der Pause gab es noch ein ganz besonderes Halbzeitlied, das sich nahtlos in die Reihe der Knaller von vor dem Spiel einreihte.

Stark nachgelassen

Jubel um Reus' 2-0Es gab wohl kaum einen Borussen, der nicht ziemlich locker in die Pause ging. Das Tor zum vielzitierten „psychologisch günstigen Zeitpunkt“ (gibt es eigentlich einen psychologisch ungünstigen Zeitpunkt ein Tor zu erzielen?) und die beruhigende 2-Tore-Führung zusammen mit dem Selbstvertrauen aus dem wirklich guten Spiel gegen Gladbach und der äußerst zufriedenstellenden ersten Hälfte bei einem bis dato völlig harmlosen Gegner ließen auch den größten Skeptiker in Gedanken schon bequem auf die Couch zurücksacken, voller guter Hoffnung auf eine zweite Halbzeit in der man vielleicht noch etwas fürs Torverhältnis tun konnte.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Die Borussen kamen nicht mit dem erwarteten Selbstvertrauen aus der Kabine, sondern zurückhaltend, vorsichtig und teilweise fast schon verängstigt. Sie überließen dem Gegner das Spielgeschehen und fuhren selbst nur noch zögerliche Entlastungsangriffe. Das will nicht heißen, dass Paderborn in dem Moment das Spiel komplett in eigener Hand hatte, aber sie bekamen den sprichwörtlichen Fuß in die Tür. Und in der 60. Minute war es dann soweit. Unter freundlicher Eskorte der gesamten Hintermannschaft des BVB durfte Rupp zum Anschlusstreffer einschieben. Es war wieder einer dieser für diese Saison so typischen Gegentreffer, bei dem man den Ball eigentlich genauso gut selbst hätte reinschießen können. Nicht die Qualität des Gegners, sondern die eigene Dämlichkeit hatten uns also mal wieder viel mehr in Bedrängnis gebracht, als es hätte sein müssen.

Stark verpfiffen

Reus liegt verletzt am Boden - Bakalorz reklamiertUnd dann kam der Auftritt von Wolfgang Stark. Es gibt einen guten Grund, weshalb der Mann die vergangenen zwei Jahre kein Spiel von Borussia Dortmund gepfiffen hat, doch das hinderte ihn nicht daran, genau dort weiter zu machen, wo er damals aufgehört hat.
Das Foul von Bakalorz an Reus nach etwas mehr als einer Stunde hätte sicherlich manch einer mit einer roten statt mit einer gelben Karte geahndet, doch das ist nicht einmal was ich ihm in diesem Moment vorwerfe. Seine viel zu lasche Linie gegenüber den immer schlimmer werdenden Fouls der Paderborner während des ganzen Spiels (stellvertretend dafür sei die Szene zu erwähnen als Durm in der ersten Halbzeit bei einem Sprint Richtung gegnerische Torauslinie äußerst brutal von den Beinen geholt wurde und der Imperator noch nicht mal eine Karte zückte) war in meinen Augen vielmehr der Grund, weshalb Bakalorz überhaupt auf die Idee kam, dass er in diesem Fall problemlos Reus mal eben für die nächsten Wochen und Monate (die Diagnose steht noch aus) in die Reha-Endlos-Schleife zurückbefördern könnte.
Die Art und Weise wie Reus – ausgerechnet schon wieder Reus – auf der Trage festgeschnürt vom Platz getragen werden musste, schockierte jedenfalls Spieler und Fans gleichermaßen. Für Minuten war es still im Gästeblock, nur unterbrochen von "Reus"-Sprechchören. Gequälte Gesichter schauten einander an und jedes sagte „nicht schon wieder er“, „nicht schon wieder was schlimmes“. Die Spieler standen derweil fast geschlossen während der ganzen Zeit um Reus herum, sprachen ihm gut zu, erkundigten sich. Doch nebst dem Schockzustand, den man ihnen noch ansah, als Jojic bereits auf dem Platz war und das Spiel weiter ging, löste es auch eine leichte Trotzreaktion aus. Es dauerte jedenfalls nicht lange, bis der Ball wieder im Tor der Paderborner lag. Der kurz vorher für Kagawa eingewechselte Großkreutz hatte die Borussen erlöst und das spielentscheidende 3:1 erzielt. Wäre da nicht Wolfgang Stark und seine geschätzten Assistenten gewesen, die eine aktive (???) Abseitsposition von Jojic ausgemacht hatten und den Treffer zu Unrecht nicht gaben.
Stark erregt - Kevin GrßkreutzUnd so kam es, wie es in unserem momentanen Zustand einfach kommen musste. Im Gegenzug schenkte man Paderborn die erste Ecke des Spiels, die völlig ohne Gegenwehr aus dem 5-Meter-Raum verwandelt werden konnte. Statt 3:1 stand es 2:2. Wieder fing man sich bei der Borussia, versuchte nochmal alles, erkämpfte sich in den Schlussminuten weitere Chancen, diese konnten jedoch nicht genutzt werden.
Und als Tüpfelchen auf dem i hielt Wolfgang Schwach es dann auch für angemessen, nach drei Minuten Nachspielzeit (Reus alleine hatte länger auf dem Rasen gelegen) das Trauerspiel zu beenden.
Den Schiedsrichter als Alleinschuldigen für diese gefühlte Niederlage hinzustellen, wäre aufgrund der schrecklichen Abwehrfehler und der völlig unerklärlich schwachen zweiten Halbzeit natürlich unangebracht. Letztendlich ist es ein Fußballspiel in dem die Mannschaften das Heft in der Hand halten und wir hatten die Gelegenheit gehabt, uns in diesem Spiel mit einer ordentlichen zweiten Halbzeit in eine Position zu bringen, in der auch Wolfgang Stark nichts mehr hätte versauen können.
Dennoch hat wieder einmal der gleiche Herr uns das Leben schwerer gemacht, als er in seiner Position dürfte und es bleibt zu hoffen, dass wir dadurch zumindest für die kommenden zwei Jahre vom Imperator verschont bleiben. Und dass sein nächstes Spiel von uns ein weniger wichtiges ist, als dieses hätte werden können.
So bleibt einmal mehr diese Saison am Ende eines Spiels nur Konsternation. In diesem Fall noch gemischt mit Wut und Unverständnis. Es bleibt ein steiniger Weg und ein harter Kampf aus dem Abstiegssumpf. Das Positive daran: wenn man unten drin steht zählen einzelne Punkte mehr als Enttäuschte Gesichter nach Abpfiffoben, von daher war das zumindest noch ein gewonnener Punkt. Auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt.

Statistiken

SC Paderborn: Kruse - Lopez Gomez, Strohdiek, Hünemeier, Hartherz - Rupp - Ouali, Bakalorz, Vrancic, Stoppelkamp - Koc
Bor. Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Ginter, Durm - Gündogan, Kehl - Mkhitaryan, Kagawa, Reus – Aubameyang
Einwechselungen: 35. Heinloth für Hünemeier, 46. Kachunga für Ouali, 81. Saglik für Hartherz - 58. Großkreutz für Kagawa, 67. Jojic für Reus, 87. Ramos für Mkhitaryan
Tore: 0:1 Aubameyang (12., Durm), 0:2 Reus (45.+1, Aubameyang), 1:2 Rupp (60., Bakalorz), 2:2 Saglik (81., Ecke Koc)
Schiedsrichter: Stark (Ergolding)
Gelbe Karten: Bakalorz, Hartherz, Saglik - Aubameyang
Zuschauer: 15.000 (ausverkauft)

Nadja, 23.11.2014

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