Döp döp döp - Der BVB ist wieder da!
Abpfiff, riesiger Jubel, Jürgen Klopp läuft lachend und wild applaudierend Richtung Südtribüne. Erleichterung pur! Der BVB feiert mit dem 1:0 gegen Mönchengladbach nach sieben sieglosen Spielen endlich wieder einen Bundesligasieg – und das hochverdient. Egal, wen man nach Abpfiff unter der Südtribüne trifft, jedem ist mindestens ein riesiger Stein vom Herzen gefallen.
Zu groß war die Skepsis vor der Partie. Zu groß die Angst, den Spieltag auf dem letzten Tabellenplatz und damit endgültig im dreckigen Abstiegskampf zu beenden. Zwar kursierte in der Roten Erde noch der ein oder andere flapsige Witz über die rote Laterne, die Werder Bremen einen Tag vorher an den Ballspielverein weiter gereicht hatte. Wohl basierend auf dem großen Vertrauen, das sich die Mannschaft in den vergangenen sechs Jahren verdient hat. Doch spätestens im Stadion war die Anspannung allerorts im Stadion zu spüren.
Zurückhaltung auf den Rängen, Kehl verdammt stark
Dementsprechend gering auch die Lautstärke auf den Tribünen zu Beginn des Spiels. Zumal die vielbeschworene Wende ausgerechnet gegen Borussia Mönchengladbach erfolgen sollte. Ein Team, das in der bisherigen Saison nicht nur ungeschlagen war, sondern angesichts seiner aktuellen Form und seiner blitzschnellen Konter nicht wenige an den Ballspielverein in der Saison 2010/11 erinnert. Hinter vorgehaltener Hand, versteht sich. Glücklicherweise konnte Jürgen Klopp sowohl auf Marco Reus als auch auf Roman Weidenfeller setzen und – mit Ausnahme des verletzten Mats Hummels – die Mannschaft aufbieten, die in der ersten Halbzeit bei den Bayern überzeugen konnte.
Und von Anfang an reißt der BVB das Spiel an sich. Von Nervosität oder Verunsicherung ob der vergangenen Spiele keine Spur. Es dauert zwei Minuten, da setzt Marco Reus das erste Ausrufezeichen, als er an Korb vorbei rennt und die Kugel leider nur knapp am Tor vorbei schiebt. Das Westfalenstadion, lechzend nach Bundesliga-Erfolgen, wäre im Erfolgsfall wohl explodiert. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Kurze Zeit später verliert Tony Jantschke die Kugel gegen Mkhitaryan, der läuft Richtung Grundlinie und seine Hereingabe haut wieder Reus an den Pfosten. Spätestens jetzt ist klar: Schwatzgelb ist überlegen, kann den Bock hier und heute tatsächlich umstoßen. Das liegt unter anderem auch an Sebastian Kehl. Der Ex-Kapitän, der – Stand jetzt – im letzten Jahr bei Borussia Dortmund spielt, ist gegen die Ponys der Stabilisator im Mittelfeld, erobert viele Bälle und strahlt im Spielaufbau große Sicherheit aus. In der Vergangenheit hatte er ja Phasen, in denen man sich nicht immer darauf verlassen kontne, auch aufgrund seines immensen Verletzungspechs. Doch sein 300. Bundesligaspiel ist ein verdammt starkes! Währenddessen nutzt hinter ihm Neven Subotic eine gelungene Defensivaktion nach der anderen, um endlich wieder Selbstvertrauen zu tanken. Die Gäste bringen weiterhin keinen gefährlichen Angriff zustande.
Auf der anderen Seite haut Reus einen Freistoß in Sommers Arme, knallen Piszczek und Mkhitaryan Bälle neben und über das Tor und tritt Aubameyang einen wirklich gefährlichen Freistoß, den der Gladbacher Schlussmann mit Mühe abwehren kann. Einziges Manko sind, neben der Chancenverwertung, weiterhin unsere Ecken. Man fragt sich wirklich, wann Marco Reus aufhört, den Großteil seiner Eckstöße lasch an den kurzen Pfosten zu treten. Nun ja, heute verziehen. Wir verzeichnen zur Pause trotzdem 14:0 Torschüsse für die wahre Borussia und jeder, der diese erste Halbzeit gesehen hat, wird sich fragen, wie zum Teufel es diese Schwatzgelben auf Platz 18 der Fußball-Bundesliga geschafft haben. Schwach finde ich bis hierhin nur die Stimmung. Stehe in Block elf und bis hierhin werden in Durchgang eins, und auch über weite Strecken der zweiten Halbzeit, nur wenige Lieder wirklich getragen (Hinweis von der Redaktionskollegin aus Block 83: hier eigentlich durchgängig gut). Keine Frage, das mag bestimmt auch an der Anspannung und einer grundsätzlichen Verunsicherung gelegen haben, aber irgendwie wünscht man sich gerade in einer solchen Situation, dass von den Tribünen mehr kommt.
Christoph Kramer wie einst Helmut Winklhofer
Wie gut, dass die Mannschaft darauf heute nicht angewiesen ist. Die Zweifel, dass sie in dieser Saison höchstens eine starke Halbzeit auf den Rasen bringen kann, sind wenige Minuten nach dem Seitenwechsel verflogen. Endlich erhebt sich der gesamte Tempel und wird richtig laut. Die aus den Klopp'schen Erfolgen gewonnene Zuversicht findet ihren Weg zurück ins Westfalenstadion.
Nach 58 Minuten ist es dann endlich so weit. Jetzt, Stunden nach Abpfiff, für mich immer noch eine ziemlich surreale Situation. Unweit von ihrem Strafraum spielen sich die Gladbacher ohne große Bedrängnis die Kugel zu, bis, ja bis Christoph Kramer das Ding an den Fuß bekommt – und ohne zu Zögern aus 40 Metern über seinen eigenen Torwart lupft. Helmut Winklhofer lässt grüßen. Vor meinen Augen senkt sich der Ball in Zeitlupe ins Netz. Unglaube, Erleichterung und laute Freudenschreie vermischen sich auf der Südtribüne zu einem einzigen glücklichen Torpogo. Bis jetzt hat niemand, nicht einmal Kramer selbst wahrscheinlich, eine leise Ahnung, was den Jungen dabei geritten haben könnte. Hat sein Zusammenstoß im WM-Finale mit Ezequiel Garay etwa doch bleibende Schäden hinterlassen? Wir wünschen eine gute Besserung und die Südtribüne bedankt sich mit einem scheppernden „Döp döp döp“. Selten war diese Persiflage des Gladbacher Torjingles passender als in diesem Moment. Es war tatsächlich der erste Torschuss der Ponys in diesem Spiel.
Ein paar Sekunden später haut Marco Reus seinen Schuss an die Unterkante der Latte. Der VfL scheint sich nicht zu helfen zu wissen. Nur der akustische Leistungsnachweis des Gästeblocks kann sich sehen lassen und gehört mit Sicherheit zu den besseren Auswärtsauftritten, die man in dieser Saison im Westfalenstadion belauschen konnte. Der Lohn: Ein einziger kläglicher Schuss, den Patrick Herrmann nach 65 Minuten Richtung Roman Weidenfeller abfeuert. Ein bitterer Moment aus schwatzgelber Sicht ist hingegen die Verletzung von Papa Sokratis, der nach einem Zweikampf einfach liegen bleibt. Der BVB konnte später immerhin teilweise Entwarnung geben. Unser beinharter Innenverteidiger werde mit „unverschobenem, belastungsstabilem Wadenbeinbruch rechts“ ausfallen, ein Einsatz in zweieinhalb Wochen scheint aber möglich. Offenbar hat der tapfere Innenverteidiger bei Manni Bender gelernt.
Zwei Chancen bekommen wir noch, auf das Ding endgültig den Deckel draufzusetzen. Doch erst schiebt der gerade erst eingewechselte Dortmunder Junge Kevin Großkreutz den Ball am Kasten vorbei, dann vertändelt Aubameyang selbigen frei vor Sommer. Jetzt kocht der Tempel und die Jungs und Mädels auf den Tribünen tragen die Jungs auf dem Platz mit brachialem SIegeswillen durch die letzten Minuten, die einfach pure Gänsehaut sind. Nur noch eine brenzlige Situation müssen wir überstehen, als eine Flanke in den Dortmunder Strafraum segelt und das ganze Westfalenstadion den Atem anhält. Das Ding wird geklärt, Schiri Brych pfeift ab und die Erleichterung ist in jeder Ecke dieses wundervollen Fußballtempels greifbar.
Über 90 Minuten war das heute das beste Spiel unserer Borussia in dieser Saison. Ja, vielleicht hätten wir ohne Christoph Kramer nur ein undankbares Unentschieden geholt. Aber letztendlich ist der Sieg gegen mehr als harmlose Gladbacher sowas von verdient und vielleicht wird uns das kuriose Tor zum 1:0 noch lange als Wendepunkt einer anfangs frustrierenden Bundesligasaison in Erinnerung bleiben. Lasst uns diese Momente nach der Länderspielpause vergolden. Der BVB ist wieder da!
Aufstellungen
Borussia Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Sokratis (84. Ginter), Durm – Bender, Kehl – Mkhitaryan, Kagawa (73. Großkreutz), Reus (89. Immobile) – Aubameyang
Bor. M’gladbach: Sommer – Korb, Jantschke, Stranzl, Dominguez – Hahn, Kramer, Nordtveit (46. Nordveit), Herrmann (75. Traore) – Kruse, Raffael (65. Hazard)
Tor: 1:0 Kramer (58., Eigentor)
Schiedsrichter: Brych (München), Gelbe Karten: Durm, Sokratis (5.), Immobile - Nordtveit, Kramer
Zuschauer: 80.667 (ausverkauft)
Pressekonferenz
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Malte S., 10.11.2014