Adrian, Kevin und Henrikh glänzen bei großer Shinji-Show
Shinji Kagawa ist zurück! Um exakt 14.56 Uhr betrat der kleine Japaner nach über zwei Jahren Abstinenz wieder den Rasen des Westfalenstadions. Etwas über eine Stunde danach explodierte das altehrwürdige Gemäuer an der Strobelallee, als Shinji sich mit dem 2:0 in die Torschützenliste eintrug. Am Ende gewann der BVB mit 3:1, Kagawa musste das Feld jedoch im zweiten Durchgang humpelnd verlassen.
Vor dem Spiel
Laute Sprechchöre für den jüngsten Neuzugang schallten beim Aufwärmen von der Südtribüne, für welche sich Shinji mehrmals artig bedankte. Eine unangenehme Durchsage musste Nobby Dickel wenig später machen, als er den Tod von Karl-Heinz Bandosz durchsagte und alle Zuschauer animierte, vor dem Spiel besonders intensiv das von Bandosz stammende „Heja BVB“ zu schmettern. Der Erschaffer dieses BVB-Liedes schlechthin hätte es jedoch verdient gehabt, mit einer Schweigeminute vor dem Anpfiff geehrt zu werden - so wirkte Nobbys Durchsage gegen 15.10 Uhr doch etwas verloren.
Eine größere Bedeutung hatte die Aktion „Kein Zwanni“ rund um das Heimspiel. Während unter der Südtribüne die neuen gelben Shirts reißenden Absatz fanden, widmete der Freiburger Anhang der Aktion während der gesamten Spielzeit das großflächige Banner „Fussball muss bezahlbar sein“. Entsprechende Sprechchöre schallten als Reaktion auch von der Südtribüne.
Einer eingeholten Übersetzung zufolge erfolgte kurz vor dem Anstoß noch eine Solidaritätsbekundung mit der führenden Ultra-Gruppierung „Carsi“ von Besiktas Istanbul. Den Ausführungen im TU-Magazin „Vorspiel“ zufolge fordert die Staatsanwaltschaft für 35 Mitglieder der Gruppierung lebenslange Haftstrafen, nachdem die „Carsi“ eine tragende Rolle in den Protesten gegen die Regierung Erdogan gespielt habe. „Carsi Ultras: Euer Weg führt über den Kampf - gebt niemals auf - Freiheit für die Ultras, auch in der Türkei“, hat demnach auf den in Türkisch verfassten Transparenten gestanden.
Das Netzwerk-Projekt „Südtribüne Dortmund“ ist seit gestern auch für jedermann gestartet. Mitglieder von TU standen in kleineren Gruppen vor der Südtribüne und nahmen die Beitrittserklärungen entgegen. Dies soll sich vor den kommenden Heimspielen wiederholen, weitere Ausführungen zu dem Projekt finden sich auf der Internetseite von „The Unity“.
Taktik
Doch zurück zum Spiel. Jürgen Klopp reagierte auf das jüngste Verletzungspech und formierte seine Elf in einem 4-4-1-1-System. Das Tor hütete Roman Weidenfeller hinter der Viererabwehrkette aus Durm links, Sokratis und Subotic innen und Piszczek rechts. Das Mittelfeld bildeten Großkreutz, Kehl, Jojic und Mkhitaryan. Kagawa war hiervor postiert, jedoch leicht hinter der einzigen Spitze Ramos zurückgezogen. Mitunter verschoben sich Großkreutz und Mkhitaryan auf den Außen nach vorne und Kagawa ließ sich weiter fallen, sodass ein 4-2-3-1 entstand. Freiburgs Trainer Christian Streich agierte fast identisch zur BVB-Grundformation und ließ seine Spieler im 4-4-2 auflaufen.
Erste Hälfte
Fast wäre das Spiel als Kopie der Leverkusen-Partie gestartet. Wenige Sekunden nach dem Anpfiff tauchte Freiburgs Mehmedi frei vor Weidenfeller auf, doch der Routinier zwischen den Pfosten behielt die Nerven. Knappe fünf Minuten dauerte es bis zum ersten Torabschluss von Kagawa, sein Distanzschuss verfehlte jedoch das Tor. Auf Zuspiel von Jojic schob Großkreutz wenig später den Ball am langen Eck vorbei (7.).
Einen wunderbaren Pass in die Schnittstelle der Abwehrkette nahm Großkreutz auf, doch seinen Ball aufs Tor kratzte Kempf vor der Linie aus der Gefahrenzone zur Ecke (21.). Bei einem riskanten und zu kurz geratenen Rückpass von Freiburgs Kempf auf Schlussmann Bürki kam Großkreutz nur einen Schritt zu spät (31.).
Und dann war er da, der erste geniale Moment des Shinji Kagawa. Mit einem Zuckerpass schickte der Japaner Mkhitaryan auf der linken Seite auf die Reise, dieser gab den Ball nach innen und dort stand Ramos parat und verwertete zum 1:0 (34.).
Nach dem identischen Muster auf Initiative von Mkhitaryan über Durm zu Großkreutz wäre keine zwei Minuten später fast das 2:0 gefallen (36.). Mkhitaryan zog später an der Strafraumlinie entlang, seinen Abschluss konnte Bürki jedoch parieren (39.).
Das 2:0 wurde schließlich von Kevin Großkreutz eingeleitet, der Ramos bediente. Dessen Hereingabe landete bei Shinji Kagawa, der nicht lange fackelte und den Ball mit 81 km/h in die Maschen jagte (41.). Das Westfalenstadion glich nun einem Tollhaus. Eine letzte Dortmunder Chance vergab Jojic nach einem guten Einsatz zuvor von Ramos gegen Kempf (43.).
Zweite Hälfte
In der Halbzeit ehrte der BVB mit Timo Knop aus Köln das 110.000. Vereinsmitglied. Die 10.000er-Schritte werden mittlerweile gefühlt in jedem zweiten Heimspiel gegangen.
Der Freiburger Anhang griff ein weiteres Mal die Aktion „Kein Zwanni“ auf. „20 Euro? Das sehen wir nicht ein. Fussball muss bezahlbar sein“, war im Gästeblock auf zwei Bannern zu lesen.
Die zweite Hälfte an sich ist schnell wiedergegeben. Der BVB kontrollierte das Geschehen und besaß einige Möglichkeiten, um die Führung weiter auszubauen, Ramos vergab die erste (49.). Eine der besten Freiburger Chancen besaß kurz danach Schmid, dessen Kopfball nach Günter-Flanke Weidenfeller mit den Fingerspitzen über das Tor lenkte (51.).
Mkhitaryan (61.) und der für den verletzt vom Platz humpelnden Kagawa gekommene Immobile (67.) besaßen weitere Chancen. Doch es war der ebenfalls eingewechselte Aubameyang, der per Konter das entscheidende 3:0 erzielte (78.). Und während sich die Südtribüne bereits mit internationalen Gesängen auf das Arsenal-Spiel vorbereitete, gelang Sorg in der Schlussminute noch der Ehrentreffer zum 3:1 (90.).
Statistik
BVB (4-4-1-1): Weidenfeller - Durm, Sokratis, Subotic, Piszczek - Großkreutz, Kehl, Jojic (81. Bender), Mkhitaryan - Kagawa (64. Immobile) - Ramos (75. Aubameyang).
SCF (4-4-2): Bürki - Günter, Kempf, Krmas, Sorg - Klaus (82. Zulechner), Höfler, Schuster, Schmid - Darida (80. Frantz), Mehmedi (42. Philipp).
Tore: 1:0 Ramos (34.), 2:0 Kagawa (41.), 3:0 Aubameyang (78.), 3:1 Sorg (90.). Schiedsrichter: Bastian Dankert. Zuschauer: 80.200. Gelbe Karten: Sokratis (19.) - Kempf (59.), Frantz (84.), Krmas (84.), Zulechner (87.). Torschüsse: 15:4. Ecken: 3:5. Flanken: 5:4. Ballkontakte: 60:40 %. Gewonnene Zweikämpfe: 59:41 %. Fouls: 9:13. Abseits: 1:1.
Noten:
Roman Weidenfeller: Weitgehend beschäftigungslos, klasse gegen Schmid (51.). Note 3+.
Erik Durm: Hinten wenig gefordert, dafür öfters am und im Freiburger Strafraum zu finden. Note 3+.
Sokratis: Innen solide, wenn auch wenig abzuräumen war. Note 3.
Neven Subotic: Manchmal etwas nachlässig in den Zweikämpfen, dafür aber diverse Schlüsselzweikämpfe gewonnen. Note 3.
Lukasz Piszczek: Defensiv kaum gefordert, nach vorne blass. Note 4.
Kevin Großkreutz: Sehr auffällig, vorne wie hinten zu finden. An einigen Torraumaktionen beteiligt. Note 1-.
Sebastian Kehl: Zuverlässiger Aufräumer in der Mittelfeldzentrale. Note 3.
Milos Jojic: Defensiv im Schatten Kehls, dafür einige Male mit Drang nach vorne. Note 3.
Henrikh Mkhitaryan: Herausragendes Spiel, einige geniale Momente. Note 1-.
Shinji Kagawa: Suchte seine Mitspieler, traf zum 2:0. Note 1-.
Adrian Ramos: Einer der Schlüsselspieler zum Sieg. Ackerte vorne und öffnete die Dose mit dem 1:0. Note 1-.
Ciro Immobile: Weiterhin bemüht, aber glücklos. Das wird schon noch. Note 4.
Pierre-Emerick Aubameyang und Sven Bender ohne Note.
Stimmen zum Spiel
Christian Streich (SCF): „Wir haben, was eigentlich nicht unsere Art ist, den BVB tief aufgenommen, um ihm keine Räume zu geben. Das hat auch gut funktioniert. Leider haben wir aber zwei Fehler gemacht, die bestraft wurden. Damit war das Spiel fast schon entschieden. Danach hat die Mannschaft weiter gearbeitet, aber mit einem weiteren Fehler dann das 3:0 bekommen.“
Jürgen Klopp (BVB): „Es war heute richtig warm auf dem Rasen, es war ein hoher Aufwand, das war von den Rahmenbedingungen her nicht perfekt. Wir sind aber ein hochverdienter Sieger, entsprechend zufrieden bin ich. Für Shinji war es in den letzten Tagen nicht einfach, dafür hat er es gut gemacht. Der Pass zum ersten Tor war herausragend gut, beim zweiten Tor hat er gezeigt, dass er das Näschen immer noch hat. Bei Adrian Ramos war es ein Schritt in die richtige Richtung. Er kann es noch viel besser, kam aber richtig müde von der Nationalelf zurück. Das Tor tut ihm gut, er könnte noch viel selbstbewusster sein aufgrund dessen, was er kann.“
Daniel Mertens, 14.09.2014
Update [20.42 Uhr]: Das 1:0 wurde von Kagawa eingeleitet, dieser schickte aber nicht Mkhitaryan, sondern Kevin Großkreutz auf die Reise, dessen Hereingabe Ramos verwandelte. (DM)