BVB scheitert an Sauerländer Taktik
Fehlstart für die Borussia. Mit 0:2 mussten sich die Schwarzgelben den Pillendrehern aus Leverkusen geschlagen geben - und das völlig zurecht. Doch rund um das Spiel gab es auch einige interessante Aspekte zu beobachten.
Weiteres Einsparpotenzial trotz verminderter Polizeipräsenz
Die Pläne des NRW-Innenministers Ralf Jäger zur Reduzierung der Polizeipräsenz rund um Fußballspiele machten sich gestern Abend rund um die Strobelallee deutlich bemerkbar. Rund um das Westfalenstadion waren deutlich weniger Mannschaftswagen und Einsatzkräfte zu sehen als man es gewohnt war.
Ein großer Teil der aktiven Leverkusener Fan-Szene erreichte das Stadion gegen 16.30 Uhr und marschierte über den Bolmker Weg auf die Strobelallee - unbegleitet von Polizeibeamten. Außer ein paar verbalen Scharmützeln - so antwortete die Gruppe rund um den Howitown-Stammplatz auf die Leverkusener Anti-Köln-Gesänge mit dem Schlachtruf „Erster Fußballclub Köln“ - blieb es aber erwartungsgemäß ruhig.
Schön wäre es gewesen, wenn die wenigen Polizisten ihre verminderte Präsenz nicht durch aufgesetzte Helme kompensiert hätten, was das positiv angehauchte Bild etwas trübte. Einiges an Einsparpotenzial konnte man schließlich hinter der Südtribüne erblicken. Warum in diesem Bereich immer noch völlig überflüssigerweise etwa sieben Mannschaftswagen geparkt werden müssen, das erschließt sich vermutlich nur leitenden Polizeidirektoren.
Proteste gegen RBL und den BVB
Der Aufstieg von RB Leipzig in die Zweite Liga und die damit verbundene Intensivierung der Proteste gegen den Kunstverein spiegelten sich vor dem Anpfiff auch vor der gelben Wand wider. Neben dem mittlerweile anscheinend obligatorischen Banner „Freiheit für Basti!“ prangte ein weißes Transparent der Anti-RB-Kampagne mit der Aufschrift „Egal in welcher Liga - Nein-zu-RB.de“ vor den Blöcken 12 und 13. Einige Minuten später war vor dem Anpfiff noch „Nein zum Kunstprodukt RB! Für eine bunte Fankurve“ zu lesen. Auch der Gästeblock beteiligte sich an der Kampagne und entrollte kurz vor dem Spielbeginn das Spruchband „www.nein-zu-rb.de“.
Auf Dortmunder Seite wurden jedoch auch die aktuellen Vereinsentwicklungen kritisch betrachtet. Dass der offizielle Stadionname nun für fünf weitere Jahre bis 2026 den Namen einer Versicherung tragen wird, kommentierte „The Unity“ mit dem Spruch: „2005 - 2026: Prostitution statt Tradition - Für immer Westfalenstadion“. Die „JUBOS“ hingegen hinterfragten die Preisstruktur und Kartenpolitik des Vereins hinsichtlich der Tages- und Dauerkarten: „Bald kommen nur noch die Reichen rein - Armer BVB“.
Taktik
Doch nun zum Sportlichen. BVB-Trainer Jürgen Klopp schickte seine Elf in einem 4-4-2 mit Raute auf den Platz. Im Tor stand Mitch Langerak hinter der Viererkette Erik Durm, Matthias Ginter, Sokratis und Lukasz Piszczek. Davor war Sebastian Kehl postiert. Das zentrale Mittelfeld besetzten Henrikh Mkhitaryan und Milos Jojic. Davor sollte Marco Reus hinter den Spitzen Ciro Immobile und Pierre-Emerick Aubameyang für Wirbel sorgen.
Bayers Gegenüber, der gebürtige Sauerländer Roger Schmidt, formierte seine Mannschaft im 4-2-3-1. Bernd Leno hütete das Gehäuse, davor bildeten Sebastian Boenisch, Emir Spahic, Ömer Toprak und Tin Jedvaj die Abwehrkette. Simon Rolfes und Gonzalo Castro agierten auf der Doppelsechs und in der offensive tummelten sich Heung-Min Son, Hakan Calhanoglu, Karim Bellarabi und die Spitze Stefan Kießling.
Erste Hälfte
Die Protestbanner gegen RBL hingen noch, da traf Karim Bellarabi nach etwas über acht Sekunden mit dem schnellsten Tor der Bundesliga-Geschichte zum 0:1 für die Gäste. Während die Südtribüne zunächst trotzig mit lautstarkem Support reagierte, schien das frühe Gegentor die Borussen auf dem Rasen zu lähmen.
Dennoch besaß der BVB zwei nennenswerte Torchancen. Ginters Kopfball nach Reus-Freistoß konnte Leno parieren (4.). Und aus einem katastrophalen Rückpass von Boenisch Richtung Leno konnte der freistehende Immobile kein Kapital schlagen (14.). Auf der Gegenseite strich ein Freistoß von Calhanoglu neben das Tor (18.).
Insgesamt war die Borussia im ersten Durchgang zwar die optisch überlegene Mannschaft, doch im Vorwärtsgang lief es entweder zu ideenlos oder zu kompliziert am Strafraum entlang. Bayers Pressing stellte die Hausherren vor sichtliche Probleme.
Zweite Hälfte
Vor der zweiten Hälfte nutzten nun auch die „Desperados“ die Chance und platzierten eine Banner-Botschaft in Richtung der Kölner Ultra-Gruppe „Boyz“. So war dort - mit Bezug auf deren rheinischen Rivalen Leverkusen - zu lesen: „Boyz - Keine Krankheit ist schlimmer!! Resistent gegen jede Pille!!“ Verbunden wurde dies mit einem Geburtstagsgruß an die 2001 ins Leben gerufene Kölner Gruppierung: „Alles Gute zu 13 Jahre Ultras!!“
Die Borussia zeigte nach dem Seitenwechsel - nun auf die Gelbe Wand spielend - einen wesentlich aggressiveren Zug zum Tor, Trainer Jürgen Klopp hatte offensichtlich die passenden Worte in der Kabine gefunden. Doch wirklich zwingende Torchancen kamen dabei abermals nicht heraus. Es entwickelte sich ein beinahe verzweifelt anmutender Kampf gegen das Schmidtsche Pressing-Konzept. Hätte diese Partie auf einer Videospiel-Konsole stattgefunden, ich hätte wohl irgendwann frustriert den Controller weggeworfen.
Das Symbolbild des Spiels war die Statistik-Einblendung in der 83. Minute auf der Anzeigetafel bezüglich der meisten Torschüsse: „Ginter 1“ war dort zu lesen. Ein Innenverteidiger also. Möglicherweise wäre Mitte der zweiten Hälfte der 18-jährige Mitsuru Maruoka noch eine Option für kreative Ideen Richtung Tor gewesen. Sein entsprechendes Potenzial deutete der Japaner in der Drittliga-Reserve jedenfalls bereits an.
Erst in den Schlussminuten sorgte die Borussia noch einmal für hohen Druck auf dem Leverkusener Kessel. Bei Ginters Kopfball nach Hofmann-Ecke musste sich Leno mächtig strecken (85.). Aubameyang scheiterte in der Nachspielzeit (90.+3). Stefan Kießling machte schließlich mit dem 0:2 den Haken unter die Partie (90.+5).
Statistik:
BVB: Langerak - Durm, Ginter, Sokratis, Piszczek - Kehl - Mkhitaryan, Jojic (75. Großkreutz) - Reus (75. Hofmann) - Aubameyang, Immobile.
LEV: Leno - Boenisch, Spahic, Toprak, Jedvaj - Rolfes (61. Reinartz), Castro - Son (76. Brandt), Calhanoglu (80. Papadopoulos), Bellarabi - Kießling.
Tore: 0:1 Bellarabi (1.), 0:2 Kießling (90.+5). Schiedsrichter: Deniz Aytekin. Zuschauer: 80.667 (ausverkauft). Gelbe Karten: Jojic (64.) - Jedvaj (44.), Toprak (50.). Torschüsse: 11:11. Ecken: 8:4. Ballkontakte: 57:43 %. Gewonnene Zweikämpfe: 48:52 %. Fouls: 13:26. Abseits: 1:5.
Noten:
Mitch Langerak: Weitgehend beschäftigungslos, chancenlos bei den Toren. Einige Abschläge schräg ins Aus. Note 3-.
Erik Durm: Hinten solide, nach vorne nicht vom Glück verfolgt. Note 3-.
Matthias Ginter: Mit der auffälligste Dortmunder Spieler aufgrund seiner Offensivaktionen. Note 3+.
Sokratis: Gewohnt seriös-rustikaler Abräumer. Note 3.
Lukasz Piszczek: Wie Durm defensiv sicher, nach vorne ohne Fortune. Note 3-.
Sebastian Kehl: Der alte Mann wird nicht müde. Routinierter Staubsauger. Note 3+.
Henrikh Mkhitaryan: Vorne glücklos, dafür defensiv überzeugend. Note 4+.
Milos Jojic: Einige unnötige Ballverluste und Fouls. Note 4.
Marco Reus: Positiv bei Standards, ansonsten einige ungenaue Zuspiele. Note 4.
Pierre-Emerick Aubameyang: Deutlich hinter der Form der Vorbereitung. Note 4.
Ciro Immobile: Der Klassiker unter den Urteilen: Er war stets bemüht. Note 4.
Jonas Hofmann und Kevin Großkreutz: Ohne Note.
Stimmen zum Spiel:
Roger Schmidt (LEV): „.Wir hätten uns das Spiel nicht schöner malen können. Es war eine sehr gute erste Halbzeit, das Tor hat uns Sicherheit gegeben. In der zweiten Hälfte hat Dortmund extrem viel Druck gemacht. Wir haben leidenschaftlich gekämpft und die Mannschaft hat sich den Sieg aufgrund der Mentalität verdient.“
Jürgen Klopp (BVB): „Es tut richtig weh, wenn Du mit so einem frühen Gegentor starten musst. Das hat die ersten 20, 25 Minuten dramatisch beeinflusst. Danach sind wir aber besser ins Spiel gekommen. Die Mannschaft hat extremen Willen gezeigt und sich Möglichkeiten erarbeitet. Wir haben einiges aufzuarbeiten. Den Schuh, dass die Mannschaft zu Beginn nicht hellwach war, muss ich mir anziehen. Es war beim 0:1 so offensichtlich schlecht, das können die Jungs nicht alleine verbockt haben.“
Daniel Mertens, 24.08.2014