Spielbericht Profis

Zu Besuch beim Nachbarn

10.08.2014, 01:00 Uhr von:  Redaktion

Choreo der Wroclawer FansAls am Ende Kuba rund sechs Monate nach seinem Kreuzbandriss in seiner polnischen Heimat sein Comeback feiert, sind die 34.000 Zuschauer im Wroclawer Stadion Miejski rundum zufrieden. Da steht es bereits 3:0. Das Endergebnis.

Während der große FC Bayern die Welt erobert, zieht es den großen Rivalen Borussia Dortmund zum Abschluß des zweiten Sommertrainingslagers in Bad Ragaz für einen Nachmittag in die schlesische Metropole Wroclaw. Mit dem Flieger geht es am frühen Nachmittag rein in die Stadt, und am Abend bereits zurück ins Ruhrgebiet. In den wenigen Stunden dort jedoch beweisen die Borussen nicht nur ihre gute Form während der Vorbereitung, sondern auch, dass sie im östlichen Nachbarland längst zu einer Marke geworden sind, an der es sich auch abzuarbeiten lohnt.

„Das ist heute ein großer Tag für die Stadt. Einfach den Menschen folgen. Vorher die Tram 10 oder 33 nehmen", sagt die freundliche Dame am frühen Morgen. Die Sonne liegt über der Breslauer Altstadt, und bereits in den Vormittagsstunden laufen erste BVB-Fans über den Rathaus-Platz und die zahlreichen Oder-Inseln. Ihre Trikots sind beflockt, doch der ehemalige polnische Stürmer der Borussia spielt auf dem Rücken keine Rolle. Man trägt das aktuelle Trikot, ist Fan von Reus oder seinem eigenen Namen.

In Wroclaw - mit Reus TrikotSpäter, näher zum Spiel, mischt sich das Grün der Slask-Fans unter das Schwarzgelb, und löst es auf der Fahrt durch die Platten der Breslauer Außenbezirke Stück für Stück ab. Langsam öffnet sich auf der rechten Seite ein großes Feld, in dessen Mitte das für die EM 2012 neu gebaute Stadion Miejski auf eine kleine Anhöhe gebaut ist. Rund eine Stunden vor Anpfiff ist noch nicht viel los, an der Kasse stehen sie Schlange, reichen ihre Personalausweise ins Häuschen und erhalten die Karten für den Testkick gegen den großen BVB. Diese gibt es ab 15€, und finden reißenden Absatz.

Es gibt ein paar unterschiedliche Gruppen Fans. Die, die ihre Mannschaft sehen wollen und für die es in der Tat der größte Tag der Geschichte ist. Vielleicht sogar aller Zeiten. Aber zumindest für heute. Denn die triste sportliche Realität von Slask ist das Mittelmaß in der polnischen Ektstraklasa, die bislang nicht weiter aufgefallen ist. Nach einem neunten Platz in der abgelaufenen Saison, steht Wroclaw nach drei Spieltagen der laufenden Spielzeit auf Platz 6. Mit internationalem Fußball wird in den nächsten Jahren nicht unbedingt zu rechnen sein, und so nutzen die Slask-Ultras hier auch ihre große Bühne.

Das Stadion in Wroclaw, gebaut zur EM 2012An denen müssen auch die anderen Fans vorbei. Denn bereits zwischen den beiden Kontrollen stehen sie, manchmal wie Kriegsversehrte wirkend, mit ihren Sammelbüchsen und sammeln für die nächste Choreo. Für 5 Zloty, also 1.25€, gibt es einen Satz Sticker und ein warmes Lächeln. So gehen die polnischen Dortmund-Fans, die wenigen mitgereisten deutschen Dortmund-Fans und auch die in ihren Bayern München und Real Madrid-Trikots auf das große Runde Stadion zu, und durch eines der Drehkreuze hinein.

Anders als bei Ligaspielen üblich, ist der Gästebereich in einer der Ecken über die Umläufe zu erreichen, es gibt keine großen Kontrollen, und keine große Aufregung. Es ist ein Sommerkick. Ein Testspiel. Jedoch nicht für die Slask-Fans, die sich gut aufgelegt präsentieren und mit Spielbeginn loslegen. Mit allem Pipapo. Sie sind laut, und kassieren bereits in der Anfangsphase eine erste Ordnungsrüge der Stadionregie.

Der Support sei ohne Niveau, kranke an Respekt und bitte unterlassen Sie die Schmähungen. Der BVB. Der große Feind. Fraglich nur, ob bis auf Lukasz Piszczek und Kuba, der zwar nicht auf dem Spielberichtsbogen auftaucht, sich jedoch mit der Mannschaft aufwärmt, jemand etwas davon mitbekommt. Der Rest des Stadions applaudiert zwischen zwei Popcorn-Tüten und Hot-Dogs, richtet sich das Reus-Trikot. Und unten auf dem Platz versenkt der in der Vorbereitung glänzend aufgelegte Mkhitaryan den Ball nach einem feinen Doppelpass mit Aubameyang im Netz.

Wenig später legt Immobile nach, diesmal auf Vorarbeit von Mkhitaryan, der in der Anfangsphase über links kommt. Vor ihm stehen Immobile und Aubameyang, neben ihm Hofmann und als Absicherung die Reste der Doppelsechs: Oliver Kirch und Sebastian Kehl. Der trägt zum wahrscheinlich vorletzten Mal die Kapitänsbinde und entsendet im Laufe der ersten Halbzeit einen Schuß mittig aus 20 Metern in Richtung Seitenaus. Aber da ist das Spiel ohnehin schon gelaufen. Es ist ein Testspiel gegen einen okayen Gegner, der es selten über die Mittellinie schafft.

"Wall of death"Das Geschehen konzentriert sich somit weiter auf die Heimtribüne. Von dort schallt Gesang über Gesang durch das Stadion, wird jedoch bis zur Gegenseite ein wenig verweht, so dass es bei den visuellen Eindrücken bleibt. Langsam entrollt sich eine große Choreo auf rechten Seite der Tribüne. Und auch wenn ein wenig unklar bleibt, worum es genau geht, sieht sie am Ende, ausgerollt, mit Bengalos und Tafeln top aus. Beeindruckend für so ein Freundschaftsspiel.Nach ein paar weiteren Chancen für den BVB, der in der Offensive Hoffnung auf eine gute Saison macht, geht es in die Pause. In der zweiten Halbzeit wird munter durchgewechselt. Unter anderem kommt Jojic für Kehl, Weltmeister Ginter für Sokratis, Ramos für Immobile, Ji für Aubameyang. Der Neuzugang aus Augsburg schiebt denn Ball links und rechts am Tor vorbei. Das Spiel plätschert dahin, hin und wieder tauchen nun sogar die Polen an den Seiten vor Langerak auf, doch meist ist Kirch da, sichert den Rückpass in den Strafraum.

Ein paar der Slask-Ultras zieht es derweilen durch das Stadion. Geld sammeln, Sticker verkaufen. Mit Megaphon und grünen Shirts ziehen sie durch die Blöcke, schütteln verwundert den Kopf als auf der Gegentribüne ein siebenköpfiger BVB-Wechselgesang angezogen wird, der, denn so leise ist es geworden, gut zu vernehmen ist. Auch im Gästeblock, der ohnehin kein klassischer Gästeblock ist, ziehen sie ihre Runde. Wenig erfolgreich. Zu viel Hot-Dogs, zu viel Zapiekanka, zu viel Popcorn machen träge. Vielleicht kommen sie nur deswegen wieder, vielleicht auch wegen der paar Fahnen, die vor dem Block hängen.

Diese sind wenig später nach einem Handgemenge weg. Ein Dortmund-Fan kassiert ein paar Schläge, die Ultras verlassen den Block, herbeigeilte Offizielle können nur noch hilflos in ihre Kommunikationsgeräte sprechen. Ramos macht das 3:0. Die Situation beruhigt sich wieder. Auf der Heimtribüne teilt sich der Block, Wechselgesänge mit einer Wall of Death in der Mitte. Doch niemand rennt ineinander, nur Kuba noch schnell aufs Feld. Beim ersten Ballkontakt wird er, der nun Kapitän ist, gefoult. Wenig später ist Schluss. Das Stadion leert sich schnell. Ligaalltag für Wroclaw, auf ins mittelpolnische Belchatow. Für die Borussia geht es nach Autogrammen in Richtung Flughafen. Aus dem Stadiontor entschwindet eine Familie in Real Madrid-Trikots. Der große Fußball war zu Gast. Und manch einer hat es sogar ernst genommen.

steph, 10.08.2014

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