5:1 dank Doppelspitze: Immobile und Aubameyang wirbeln an der Hafenstraße
Anfield Road, Hafenstraße, Bremer Brücke. Die Testspiele der diesjährigen Vorbereitung halten für den BVB-Tross so manchen klangvollen Namen bereit. An diesem Sonntag stand die Partie um den Helmut-Rahn-Pokal bei den Reviernachbarn von Rot-Weiss Essen an. Bei herrlichen Bedingungen wurde insbesondere die erste Halbzeit zum erwarteten kurzweiligen Sommerkick.
Zugegeben, die WM mag für den ein oder anderen eine willkommene Abwechslung in der spielfreien Zeit gewesen sein. 22 Spieler, ein Ball, ein Kaltgetränk in der Hand – manchmal kann Zufriedenheit sehr einfach sein. Mit der Zeit lechzt das schwarzgelbe Fan-Herz dann aber doch wieder nach Spielen mit BVB-Beteiligung. Bis zum Beginn des DFB-Pokals (zählt der Supercup in quasi jährlich wiederkehrender Besetzung mittlerweile auch offiziell als Testspiel?) bleiben da nur die zahlreichen Vorbereitungsspiele – zumindest dem, der den früheren Beginn der 3. Liga und unserer Amateure verschlafen hat.
Als die Profis von Borussia Dortmund zum letzten Pflichtspiel an die Essener Hafenstraße antraten, führte die Reise im DFB-Pokal 2008/09 noch ins altehrwürdige Georg-Melches-Stadion. An dessen Stelle begrüßt die Fans nun das Stadion Essen. Ein Neubau, der sich zwar erfreulich positiv von den Baukästenarenen in Paderborn, Mainz oder Augsburg abhebt, bei einer durchschnittlichen Zuschauerzahl von 7.684 Fans (Saison 2013/14) für Regionalliga-Verhältnisse aber dennoch etwas ambitioniert erscheint. Ob es am großen Gegner (der im Vorwort des Stadionmagazins noch als Vorbild bezeichnet wird), den traumhaften Bedingungen oder der viel zu langen fußballfreien Zeit lag: RWE und Borussia Dortmund traten bei diesem Spiel vor einer mehr als stattlicher Kulisse von 17.000 Zuschauern an.
Erstligareife Kulisse, erstligareife Parkpreise
Jürgen Klopp, der noch auf die fünf WM-Fahrer und Weltmeister verzichten musste, bot mit Neuzugang Ciro Immobile, Rückkehrer Neven Subotic und der Amateur-Neuverpflichtung Christoph Zimmermann in der Innenverteidigung seine nominell stärkste Elf auf. Mit Immobile und Aubameyang im Sturm spielte zudem nach „einer Ewigkeit“ (Klopp) erstmals wieder eine Doppelspitze. Im Tor durfte zunächst Hendrik Bonmann ran, der bis vor einem Jahr für Rot-Weiss spielte und der (das ist an dieser Stelle nicht zu viel verraten) genügend Zeit hatte, sich an seiner alten Wirkungsstätte in aller Ruhe umzusehen. Viel zu tun gab es für ihn nämlich nicht, viel zu sehen in den ersten Spielminuten auch nicht, dafür taten beide Fankurven ihre Abneigung gegen den Nachbarn aus GE lautstark kund. Im BVB-Block wurde neben einem gelben Rauchtopf zudem das Spruchband „RWE verbindet – RBL verschwindet!“ präsentiert, dass auf der Gegenseite wenig überraschend auf Zustimmung traf. Überhaupt fielen neben der komplett gelben Gottschalk-Tribüne auch zahlreiche gelbe Flecken in der Essener Heimkurve auf. Ob sich Dortmunder nun dorthin verirrt oder in Ermangelung an Gästetickets dort mit Karten eingedeckt hatten – schon auf dem Weg zur Spielstätte wurde man so häufig nach Tickets gefragt, wie vor manchem Erstligastadion nicht. Leider hatten auch die fanunfreundlichen 7€ Parkgebühr, die RWE für einen PKW-Stellplatz kassiert hat, mindestens Bundesliga-Niveau.
Auf dem Platz bekamen die Fans in der ersten Halbzeit dann aber einiges geboten: In der 8. Minute passte Immobile in die Mitte, wo Aubemeyang nach einem Patzer des Essener Keepers Heimann nur noch einzuschieben brauchte. Zwei Minuten später sorgten dieselben Beteiligten für das 2:0 aus Dortmunder Sicht: Zuspiel Immobile, Tor Aubameyang, so einfach kann es sein. Weitere zwei Zeigerumdrehungen später gelang das Zusammenspiel der beiden Spitzen nicht ganz, dieses Mal verpasste Immobile die Flanke des Gabuners. In Spielminute 22 darf dann jemand anderes einnetzen – auf kaum einen anderen Torschützen hat man sich als BVB-Fan so sehr gefreut: Neven Subotic traf nach einer Ecke von Jonas Hofmann standesgemäß per Kopf. Die anschließenden Gesänge aus der Fankurve hatte sich Subotic nach achtmonatiger Leidenszeit mehr als verdient.
Doppelspitze als Sturmlösung?
Inmitten der schwarzgelben Spielfreude brachte mit Marcel Platzek dann auch RWE einen ernsten Torschussversuch zustande, den Bonmann aber nahezu mühelos parierte. Direkt im Gegenzug fiel das 4:0 für den BVB, Mkhitaryan traf nach einer Schmelzer-Flanke ebenfalls per Kopf. Für den Armenier war es bereits das fünfte Testspieltor. Sein allererstes im immer noch gewöhnungsbedürftigen BVB-Dress erzielte wenig später Immobile – natürlich nach Vorlage von Aubemeyang. 5:0 für den Gast aus der Bierhauptstadt. Hatte Jürgen Klopp noch angekündigt, Robert Lewandowski sei nicht durch einen Spieler allein zu ersetzen: Das Zusammenspiel von Immobile und Aubameyang ließ an diesem Nachmittag erahnen, wie man den Weggang des Polen künftig kompensieren könnte. Ob sich dafür allerdings das Synonym Ciromeyang durchsetzen wird … nun ja.
Kurz vor der Pause schaffte RWE durch Soukou noch den 5:1-Anschlusstreffer als dieser Bonmann umkurvt und nur noch ins leere Tor einschieben muss. Die Essener Fans lassen sich nicht lumpen und feierten ihr Team zur Halbzeit als die „Nummer eins im Pott“. Eine Schrecksekunde erlebten die Fans auf der Gegenseite: Beim Zusammenstoß mit Heimann blieb Immobile auf dem Platz liegen, konnte aber doch eigenständig in die Kabine gehen. Wenig später gab es Entwarnung, nichts passiert.
In der zweiten Halbzeit – der Spoiler sei erlaubt – sollte am Ergebnis dann nichts mehr passieren. Wie zu erwarten war, wechselte Klopp in der Pause ordentlich durch, brachte sechs frische Spieler und nahm in der 67. Minuten einen weiteren Doppelwechsel vor. Wie auch zu erwarten war, ebbte das Spiel dadurch deutlich ab. RWE war sichtbar um Schadensbegrenzung bemüht, dem zusammengewürfelten Dortmunder Team fiel zu wenig ein, um auch nur annähernd an den Spielfluss der ersten Hälfte anknüpfen zu können. Einzig Ji brachte den Ball aus dem Abseits heraus im Tor unter. Auf der anderen Seite wollte sich Soukou nochmals in die Torschützenliste eintragen, der neu ins Spiel gekommene Langerak parierte sehenswert. Mehr passierte nicht, sodass der BVB seinen dritten Sieg im vierten Testspiel einfahren konnte. Welche Erkenntnisse man aus dieser Partie (zumindest der ersten Halbzeit) ziehen kann, sei jedem selbst überlassen. Die Autorin ist schlicht glücklich darüber, dass der Saisonstart nach dieser Partie um einen weiteren Tag näher gerückt ist.
Statistik
RWE: Heimann (Schwabke) – Beier, Neunaber, Weber, Hermes (Dombrowka) – Soukou (Limbasan), Grebe (Baier), Wingerter (Nakowitsch), Grund – Studtrucker (Kreyer) – Platzek (Steffen)
BVB, erste Halbzeit: Bonmann - Piszczek, Subotic, Zimmermann, Schmelzer - Sahin, Kirch - Hofmann, Mkhitayran - Aubameyang, Immobile
BVB, zweite Halbzeit: Langerak - Piszczek (67. Knystock), Subotic (77. Maruoka), Zimmermann, Schmelzer (67. Güll) - Bender, Kehl - Hofmann (74. Amini), Ji, Jojic - Derstroff
Tore: 0:1 Aubameyang (8.), 0:2 Aubameyang (10.), 0:3 Subotic (22.), 0:4 Mkhitaryan (25.), 0:5 Immobile (30.), 1:5 Soukou (39.)
Schiedsrichter: Marc Frömel
Zuschauer: 17.000
Stimmen zum Spiel
Michel Zorc: „Die erste Halbzeit war klasse, wir haben gut gespielt, den Ball gut laufen gelassen und viele Chancen kreiert. Am Ende war es dann zäh. Aber es war ein schöner Rahmen hier, manche Zweitligist würden neidisch sein, wenn sie solche Bedingungen hätten.“
...zu Neven Subotic: „Neven hat schon länger als eine Halbzeit gespielt, heute war es eine Stunde. Er wird wieder herangeführt an seine alte Leistungsstärke, da tut so ein Kopfballtor natürlich gut.“
Jürgen Klopp: „Wir haben tolle Tore gesehen, aber vor allem wollte ich von meiner Mannschaft sehen, dass sie bereit ist zu arbeiten. Sie haben sich gegen die Stimmen im Kopf gewehrt, sind gelaufen, sind marschiert. In der zweiten Halbzeit mit veränderter Position mussten wir uns ein bisschen quälen. Das hat den Zuschauern nicht mehr so viel Spaß gemacht hat, aber das gehört auch zum Fußball dazu. Es war eine tolle Atmosphäre, ein tolles Stadion, hat sehr viel Spaß gemacht. Schön zu sehen, dass Essen auf dem richtigen Weg ist. Im Ruhrgebiet ist genug Platz für großartige Vereine in den richtigen Ligen.“
...zu Immobile und Aubameyang: „Die beiden haben zusammen in der Spitze gespielt und das hat gut ausgesehen dafür, dass wir das gestern nur einmal kurz angespielt hatten. Die Mannschaft hat das insgesamt gut gemacht, vor allem das Flügelspiel. Sie haben den Ball ganz gut bewegt und gegen den Ball gearbeitet. Das tut den Jungs natürlich gut und auch einem, der im letzten Jahr einen Haufen Tore geschossen hat.“
goldkind, 28.07.2014