Spielbericht Profis

Historischer Sieg in München. Oder: Die Mutter Teresa vom Tegernsee

13.04.2014, 18:31 Uhr von:  Redaktion

Trotz Sieg nur mäßig StimmungEin Freundschaftskick für die einen, ein „Machtkampf“ für Sky – selten war unser Auswärtsspiel in München uninspirierter gewesen, als dieser Tage. Die Bayern hatten ihre Gutherzigkeit wiedererkannt und beschlossen, nach dem Gewinn der x-ten Meisterschaft auf weitere Punkte in der Liga zu verzichten. Jürgen Klopp fand den Spieltermin eher so mittel, während sich Aki Watzke und Karl Hopfner um hinkende Vergleiche zankten. Die Fans wunderten sich über die Kartenvergabe, der Gästeblock musste sich beim höchsten Sieg in München seit 1991 von der Südkurve an die Wand singen lassen. Ein seltsamer Tag mit einem großartigen Ende.

Man fühlte sich erinnert an große TV-Momente, zum Beispiel Michel Friedman im Gespräch mit Hertha Däubler-Gmelin. Friedman reizte, legte nach, reizte weiter, legte noch mehr nach. Die Ereignisse überschlugen sich, Däubler-Gmelin verlor die Beherrschung: „Der Bundeskanzler ist nicht der Weihnachtsmann! Nein, Herr Friedman, der Bundeskanzler ist nicht der Weihnachtsmann!“

So ähnlich musste man sich nun das seit Jahren andauernde Gezanke um den Kredit des FC Bayern vorstellen: Aus München flogen kleine Giftpfeile – man wolle ja gar nicht großkotzig klingen und überhaupt schweige man als Ehrenmann, ein bisschen Glanz des Klopp‘schen Mäßiger auftritt trotz NiederlageVollgasfußballs dürfe aber schon auf den Rekordmeister abstrahlen. In Dortmund fand man das gar nicht so lustig, schließlich waren die zwei Mio Euro des FC Bayerns eine ebenso große Belastung wie die übrigen 120 Mio Euro Schulden, die man vom „bestellten Feld“ [tm] wegschippen musste. Und als der Sticheleien ausreichend gegeben waren, ließ Watzke die Katze aus dem Sack: „Uli Hoeneß ist nicht Mutter Teresa!“ Das konnte Hopfner selbstverständlich nicht auf seinem Verein sitzen lassen, immerhin hatte der kriminelle großherzige Uli Hoeneß sich in einem Anflug von Ironie einmal selbst als Mutter Teresa bezeichnet. Außerdem sei Watzke ein garstiger Lügner, längst kein Ehrenmann wie Baron Münchhausen, und selbstverständlich sei es eine dreiste Unwahrheit das Watzke, den verurteilten Straftäter und nicht gerade diskreten Menschenfreund Uli Hoeneß nicht als Mutter Teresa zu bezeichnen. Wie sollen wir nun damit umgehen?

Mutter Teresa, lange gefeiert als Retterin der Kranken und Vergessenen, war eine Ikone. Sie erhielt den Friedensnobelpreis, sammelte Millionenbeträge für den guten Zweck und wurde geschätzt von den Mächtigen dieser Welt. Doch heute werden nicht nur ihre wohltätigen Leistungen in Frage gestellt, die Rede ist auch von windigen Finanzgeschäften und hunderten Millionen US-Dollar, die weltweit auf Geheimkonten verteilt worden seien. Wissenschaftler der Universität Montreal kamen im Frühjahr 2013 gar zum Ergebnis: „Mutter Teresa: Alles, nur keine Heilige...“ Wenn der FC Bayern diesen Vergleich weiterhin für passend hält, möge es doch so sein: Uli Hoeneß, die „Mutter Teresa vom Tegernsee (demnächst Landsberg am Lech)“ – sitzt, ruckelt und hat Platz.

Sokratis gegen RobbenAbseits dieser Albernheiten hat sich der FC Bayern unter Pep Guardiola offiziell zum langweiligsten Verein der Welt entwickelt. Wo früher der FC Hollywood für Schlagzeilen sorgte, geht Journalisten wie Fans allmählich die Phantasie flöten. Statt nächtlicher Gelage und Kneipenschlägereien, Brandreden und wechselnden Geschlechtspartnern im Mannschaftskreis, müssen sich die Freunde der Sonne mit einem Trainer auseinandersetzen, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren lässt und es als höchste Form des emotionalen Ausbruchs versteht, einen englischen Pressevertreter zur Aufnahme des Blickkontakts zu animieren. Skandale abseits des Platzes und Erfolge in nationalen Wettbewerben werden wegmoderiert, als ob es sie gar nicht erst gegeben hätte. Probleme mit der Staatsanwaltschaft? Kommt vor, bitte mal nicht kleinlich sein. Die Meisterschaft im März? Unglaublich, dass man überhaupt um solche Titel spielen muss.

Um sich nicht weiter belächeln lassen zu müssen, hatte Guardiola nach der Pleite gegen Augsburg seine beste Mannschaft aufgeboten. Beim BVB erhielten Robert Lewandowski und Lukasz Piszczek eine Verschnaufpause, Mats Hummels schlug das Angebot des Trainers dankend aus und spielte auf eigenen Wunsch. Andere Rotationsmöglichkeiten hatte es auch gar nicht gegeben, wie Klopp nach dem Spiel betonte: „Gerade Kevin hätte sich eine Pause verdient, aber ihn kann ich einfach nicht ersetzen. Dafür hatte ich nach langer Zeit erstmals wieder den Luxus, Nuri Sahin und Sebastian Kehl ausgeruht ins Spiel bringen zu können.“ Eine besondere Vorbereitung auf das Spiel habe es darüber hinaus nicht gegeben: „Wir trainieren schon seit Wochen nicht mehr, das wird bei den Bayern genauso sein. Zwischen den Spielen wird regeneriert und wir lassen die Mannschaft in Ruhe, es folgen eine kurze Abschlusseinheit und Fußball. Erst heute Nachmittag habe ich der Mannschaft erklärt wie ich mir das vorstelle – mehr Zeit war nicht, aber die Jungs haben es sich gemerkt.“

Hofmann gegen SchweinsteigerBeide Mannschaften starteten fahrig ins Spiel. Bayern hielt gefühlte 95 Prozent Ballbesitz und hatte durchaus Vorteile, kam jedoch nicht über das Mittelfeld hinaus. Immer wieder standen Borussen im Weg, die die Passwege geschickt zumachten und das Bayernspiel störten. So spielte Dante, sonst einer der besseren Innenverteidiger der Liga, gleich dreimal einen Pass ins Seitenaus, weil sich die eigene Lustlosigkeit mit fehlenden Anspielstationen paarte. Begleitet wurde der Spielbeginn vom Gesang der Südkurve (ein zehn Minuten langer Mix aus „Europapokalsieger FCB“ und „Deutscher Fußballmeister“ in ungewohnter Lautstärke), während der Gästeblock mit Ausnahme einer überschaubar großen Gruppe im Oberrang still vor sich hin saß. Schwach, wie sich der schwarzgelbe Anhang präsentierte und die schlechteste Dortmunder Stimmung bislang in der Allianz Arena.

Nach einer nervösen Anfangsphase ging es in der 18. Minute erstmals richtig zur Sache. Arjen Robben war auf rechts durchgelaufen und – Überraschung – nach innen gezogen, wo Erik Durm den Weg versperrte und zur Ecke klärte. Hummels wehrte den folgenden Torschuss ab und bekam den Ball ins Gesicht – die Bayern forderten Handelfmeter, das Spiel lief jedoch weiter. Wenige Augenblicke später ging ein Dortmunder nach einem Ellenbogenschlag zu Boden – Freistoß für den BVB, doch keine Karte. Sokratis tippte den Ball zur Seite, beim Angriff landete der Ball im Seitenaus. Jonas Hofmann mit dem Einwurf, Pierre-Emerick Aubameyang auf Marco Reus, Ablage auf Henrikh Mkhitaryan, das 0:1 mitten ins Herz der Bayern! Der Armenier, der ein richtig gutes Spiel machte, zeigte eben jene Effektivität, die ihm zuletzt noch abgegangen war. Beinahe hätte sich Aubameyang hier noch anschließen können, doch Manuel Neuer konnte dessen Schuss aus heiterem Himmel gerade noch abwehren.

Micki bejubelt das 1:0Borussia agierte nun bedeutend sicherer, die Südkurve schwieg wie der Rest des Stadions – hitzig wurde es nur, wenn Faithboy an den Ball kam und ein Pfeifkonzert aus dem Gästeblock dies auch für Laien kenntlich machte. Im Spiel waren zu diesem Zeitpunkt viele Nickligkeiten und versteckte Fouls zu finden – von Larifari konnte nicht die Rede sein, es ging intensiv zur Sache. Borussia wirkte dabei agiler, fitter und bemühter, fast alles lief dabei über die zuletzt viel gescholtenen Neuzugänge Aubameyang und Mkhitaryan. Erst kurz vor der Pause konnten die Bayern wieder von sich reden machen: Franck Ribery marschierte durch die schwarzgelben Reihen, tunnelte Kehl, marschierte weiter, verlor den Ball – ein normales Tackling, doch Schiedsrichter Zwayer gab Freistoß für Bayern und sah zu, wie dieser in der Mauer hängen blieb. Die einzige richtige Torchance hatte letztlich Mario Mandzukic in der 43. Minute, der nach Robbens Vorarbeit volley an Roman Weidenfeller scheiterte.

Die zweite Halbzeit begann mit Kawumm, allerdings ohne Neuer. Mkhitaryan setzte kurz vor der eigenen Abwehr zu einem bärenstarken Konter entlang der linken Seitenlinie an, sah den mitgelaufenen Aubameyang und spielte ihn zum genau richtigen Zeitpunkt frei. Statt selbst zu verwandeln, legte Aubameyang quer auf Reus, der seinen Fuß gerade noch an den Ball bekam und ihn unhaltbar ins Tor spitzelte. Der Gästeblock wurde nun etwas lauter und begann etwas stärker im Kollektiv zu singen: „Und ihr wollt deutscher Meister sein?“, „Super Bayern, super Bayern, hey, hey!“

Und damit nicht genug: In der 54. Minute jagte Mandzukic einen Torschuss über das Fangnetz, nur um zuzusehen, wie Hofmann nach einem langen Ball die gesamte Bayerndefensive überlief und Ersatztorwart Lukas Raeder nervenstark zum 0:3 überwand. Klopp hatte sicherlich Gefallen an diesem Spiel gefunden und nahm seinen ersten Wechsel vor – für Hofmann ins Spiel kam Lewandowski, der sich direkt einfügte und zwei ansehnliche Konter einleitete. Wenig später musste auch Hummels den Platz verlassen – er hatte sich an die Oberschenkel gegriffen und um seine Auswechslung gebeten, wohl eine Vorsichtsmaßnahme vor dem kommenden Pokalspiel.

Hofmann, Reus und Aubameyang feiern das 2:0Während sich die Bayern eine kleine Serie herausragender Torchancen erarbeiten, begannen nun auch deren Fans wieder zu singen: „Wenn wir wollen, kaufen wir euch auf.“ Der Gästeblock indes verstummte weiter und war bis zum Spielende fast gar nicht mehr zu hören.

Nur zweimal erhitzten sich noch die Gemüter: Mkhitaryan hatte ein taktisches Foul gewagt, Toni Kroos (im Infoservice des FC Bayern neuerdings auch unter Toni Kross firmierend) den Freistoß hereingebracht und Mandzukic zum 1:3 verwandelt – klares Abseits, die Bayernfans schimpften über den blinden Schiedsrichter. Doch eben der hatte in der 91. Minute dann noch einmal genau hingesehen: Rafinha war mit Mkhitaryan aneinandergeraten und hatte seine Finger tief ins Gesicht des Borussen gedrückt – für jeden Normalsterblichen die wohl klarste Tätlichkeit in einem Bundesligaspiel dieses Jahrtausends, für Matthias Sammer eine Kleinigkeit: „Ich weiß nicht, was er da gemacht hat. Vielleicht hatte er ein bisschen Creme übrig, die er verteilen wollte. Doch in der 91. Minute eine rote Karte zu geben, ist zu hart.“ Verrücktes Zeug, von dem man in schlechten Zeiten wohl gerne mal etwas abhätte...

Zwayer pfiff das Spiel nun ab, die Bayern waren mit dem 0:3 ganz gut bedient und wir behielten das Gefühl, die beiden besten Mannschaften der Welt in einer Woche mit 5:0 geputzt zu haben. Ist zwischendurch ja auch mal ganz nett.

Die Fotostrecke zum Auswärtssieg in München findet Ihr wie gewohnt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.

Die Siegerwelle nach AbpfiffStatistik

FCB: Neuer – Rafinha, Martinez, Dante, Alaba – Lahm, Schweinsteiger – Robben, Faithboy, Ribery – Mandzukic
Wechsel: Raeder für Neuer (46.), Müller für Ribery (60.), Kross für Robben (69)

BVB: Weidenfeller – Großkreutz, Sokratis, Hummels, Durm – Kehl, Sahin – Hofmann, Mkhitaryan – Reus – Aubameyang
Wechsel: Lewandowski für Hofmann (62.), Friedrich für Hummels (70.), Jojic für Aubameyang (76.)

Tore: 0:1 Mkhitaryan, 0:2 Reus, 0:3 Hofmann
Gelbe Karten: Martinez, Kross, Hofmann, Mkhitaryan
Rote Karte: Rafinha (Tätlichkeit / aus Prinzip verdient)

Noten

Weidenfeller: Kaum gefordert, dann aber auf dem Posten. Note 2.

Wirkte nicht immer glücklich, irrte teilweise zwischen den Gegenspielern umher. Ansonsten ok. Note 2,5.Großkreutz: Wirkte nicht immer glücklich, irrte teilweise zwischen den Gegenspielern umher. Ansonsten ok. Note 2,5.

Sokratis: Kaum Probleme mit schwachen Bayern, solides Spiel. Note 2.

Hummels: Gute Partie, sicheres Spiel und mehrfach gut geklärt. Note 1,5.

Durm: Weltklassespiel von unserem „Notnagel“ – überragende Zweikampfbilanz, bombensicher gegen die Bayernstars und offensiv mit guten Ideen. In dieser Form ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft und harter Konkurrent für Marcel Schmelzer. Note 1*.

Kehl: Eifrig am Ball, machte Bayern im Mittelfeld große Probleme. Note 1,5.

Sahin: Half engagiert mit, die bayerische Hintermannschaft in Schach zu halten – gutes Spiel, wenn auch nicht sein bestes. Note 2,5.

Hofmann: Insgesamt nur 29 Ballkontakte, schaltete beim 0:3 aber blitzschnell und behielt die Nerven. Note 2.

Mkhitaryan: Ein Sahnespiel, kein weiterer Kommentar nötig. Note 1*.

Kam ins Spiel und ließ sich seinen bevorstehenden Wechsel nicht anmerken. Eine sportlich solide Leistung, Note 2.Reus: Wirbelte die Bayern durcheinander, zeigte sich immer anspielbereit und in seiner bestechenden Form. In den letzten Wochen unser Torgarant, ist es eine Freude, ihm zuzusehen. Note 1.

Aubameyang: Zeigte gute Offensivaktionen und gestaltete Konter aktiv mit. Vor dem zweiten Treffer klasse mitgelaufen und trotz guter Einschusssituation den noch besser postierten Reus im Blick behalten. Nichts zu meckern, Note 1.

Lewandowski: Kam ins Spiel und ließ sich seinen bevorstehenden Wechsel nicht anmerken. Eine sportlich solide Leistung, Note 2.

SSC, 13.4.2014

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